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Zeithistorische Forschung Potsdam e.V.

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Saskia Richter

Zivilgesellschaft – Überlegungen zu einem interdisziplinären Konzept

Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 08.03.2016
https://docupedia.de//zg/Zivilgesellschaft

DOI: https://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.621.v1

Artikelbild: Zivilgesellschaft – Überlegungen zu einem interdisziplinären Konzept

Berlin, 15. Januar 1990: 7. Runder Tisch der 16 Parteien, politischen Gruppierungen und Organisationen im Konferenzzentrum Niederschönhausen zur inneren Lage, zum Wahlgesetz sowie zum Parteien- und Vereinigungsgesetz. Mitte: Ingrid Köppe vom Neuen Forum. Foto: Rainer Mittelstädt (ADN-Zentralbild), Quelle: <a rel="nofollow" class="external text" href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-1990-0115… Bild 183-1990-0115-018 / Wikimedia Commons </a> (<a rel="nofollow" class="external text" href="http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/">CC BY-SA 3.0</a>)

Zivilgesellschaft gilt als schillernder Projektionsbegriff. Das Konzept wird seit den 1980er-Jahren in den Geistes- und Sozialwissenschaften verwendet und ist fest in der politischen Theorie verankert. Zivilgesellschaft ist im Englischen mit dem Begriff „Civil Society“ verwandt; in Deutschland gibt es enge Verknüpfungen zur „Bürgerlichen Gesellschaft“. Die Global Civil Society untersucht zivilgesellschaftliche Fragestellungen auf globaler Ebene. Die Verwendung der Konzepte ist umstritten, gerade weil die Bürgergesellschaft auf eine gesellschaftliche Mitte abzielt und Distinktionen beinhaltet. Trotzdem lohnt es sich, die normative Seite der Zivilgesellschaft aufzugreifen und diese mit sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Dritten-Sektor-Forschung zu kombinieren.

Zivilgesellschaft – Überlegungen zu einem interdisziplinären Konzept

von Saskia Richter

„Zivilgesellschaft” ist ein Projektionsbegriff mit vielfältigen Bedeutungen; die damit zu fassenden gesellschaftlichen Phänomene sind hochkomplex.* In publizistischen Debatten gilt eine starke Zivilgesellschaft als Allheilmittel gegen einen zu mächtigen Staat, vorsorgend für eine funktionierende Demokratie und stabile Parteienlandschaft: in den Staaten Nordafrikas wie in den Transformationsländern Osteuropas, vor 1989 in der DDR und auch heute in der Bundesrepublik Deutschland. In etablierten Demokratien wird eine starke Zivilgesellschaft zudem als Instrument wahrgenommen, um den sich zurückziehenden Sozialstaat zu stützen. Für manche Beobachter ist die Zivilgesellschaft daher nicht mehr als ein Placebo, mit dem steigende Ungleichheiten kaschiert werden sollen.

Die Zivilgesellschaft und ihre Erforschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften unterliegt einem bemerkenswerten Phänomen: In den 1990er- bis Anfang der 2000er-Jahre war der Begriff „Zivilgesellschaft” wissenschaftlich populär, heute ist er es scheinbar nicht mehr.[1] Während Stiftungen, Spenden, Vereine und bürgerschaftliches Engagement in Deutschland, in Europa und in den USA nicht zuletzt durch den Einsatz sozialer Medien an Bedeutung gewinnen, schließen wissenschaftliche Forschungseinrichtungen ihre Türen: Das „Centre for Civil Society” an der London School of Economics and Political Science beendete seine Arbeit 2010;[2] die Forschungsgruppe „Zivilgesellschaft, Citizenship und politische Mobilisierung in Europa” am Wissenschaftszentrum Berlin wurde ein Jahr später eingestellt.[3] Gleichzeitig erstarkte die Zivilgesellschaft, sodass sie mittlerweile – so könnte man meinen – ihre Erforschung selbst betreibt: Das Projekt „Zivilgesellschaft in Zahlen” (ZiviZ) wird von der Bertelsmann Stiftung, dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Fritz Thyssen Stiftung getragen und ist nach dem Vorbild des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project aus den 1990er-Jahren konzipiert. Ziel des Projekts ist es, die Datenlage der organisierten Zivilgesellschaft zu verbessern.[4] Der wissenschaftliche Fokus liegt in Zeiten globaler Wirtschaftskrisen und zahlreicher regionaler politischer Brandherde mit weltweiter Strahlkraft auf dem Konzept der „Global Civil Society”,[5] das den Ansätzen der Globalgeschichte, der Global Governance oder der Geschichte der sozialen Bewegungen nahesteht.

Doch was ist „Zivilgesellschaft” überhaupt, und besteht ihre Relevanz nur aus den real erfassbaren Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Dritten Sektor?[6] Zivilgesellschaft gilt als Rückgrat der liberal-demokratischen Gesellschaften, als Ort der Integration über Vereine und Ehrenamt, mittlerweile auch als wichtiger volkswirtschaftlicher Bereich, in dem in Deutschland rund 2,5 Millionen Menschen beschäftigt sind.[7] Die Zivilgesellschaft gilt gleichzeitig aber auch als Ort großer Ungleichheit, wo sich derjenige durchsetzt, der über die passenden Kompetenzen verfügt. Denn die Fähigkeit zur Teilhabe in der Zivilgesellschaft ist an Ressourcen gebunden, über die – auch in historischer Tradition und Deutung – typischerweise die gebildete Mittelschicht verfügt, wie Sprachgewandtheit, Selbstbewusstsein, Organisations- und Informationskompetenz.[8] Außerdem, so Jürgen Kocka, sei die Einordnung von Bürgertugenden wie Arbeit und Fleiß, Handel und Eigentum oder Bildung und Kultur, Geselligkeit, Geschmack und Lebensart,[9] die mit der Beschreibung „zivilen” Handelns einhergehe, ebenfalls an die Sichtweise des Betrachters gebunden.[10] Das Konzept „Zivilgesellschaft” muss also nicht nur deskriptiv in den Fächern der Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichtswissenschaft erschlossen werden, sondern es gilt zudem immer, seine normative Komponente zu erfassen, die sich ebenfalls in den Debatten der Geistes- und Sozialwissenschaften wiederfindet.


Zivilgesellschaft: Ein Konzept zwischen politischer Utopie und bürgerlicher Konvention

Viele Definitionen bezeichnen Zivilgesellschaft als den Raum „zwischen” Staat, Wirtschaft und Privatsphäre/Familie.[11] Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer stellt die Sphären Markt, Staat und Zivilgesellschaft nebeneinander.[12] Die Differenzierung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit sowie die Abgrenzung von Staat und Gesellschaft findet sich auch bei Jürgen Habermas bei der Entwicklung der bürgerlichen Öffentlichkeit, die – wie der Name schon sagt – durch bürgerliche Elemente wie Besitz gekennzeichnet ist, aber auch durch liberale Merkmale wie Redefreiheit und Presse.[13] Schon Alexis de Tocqueville hat mit seinen Beobachtungen „Über die Demokratie in Amerika” das Funktionieren zivilgesellschaftlicher Organisationen in Form von Assoziationen und Vereinen beschrieben.[14] Ein weiteres Standardwerk der politischen Kulturforschung, das auf die Untersuchung der Stabilität von Demokratien abzielt und die Merkmale politischer Kultur in fünf Demokratien beschreibt, ist das 1963 erschienene Buch „The Civic Culture” von Gabriel A. Almond und Sidney Verba.[15] Auch John Ehrenberg hat 1999 mit „Civil Society” eine breite Darstellung zur Geschichte des Zivilgesellschaftsbegriffs vorgelegt.[16] Interessant ist, dass alle Ansätze stark nationalstaatliche Orientierungen verfolgen und zudem die Pole privat und öffentlich benennen.

Eine vergleichsweise technische Herangehensweise zur Definition der Zivilgesellschaft haben die Soziologen Helmut K. Anheier und Regina List im „Dictionary of Civil Society, Philanthropy and the Non-Profit Sector” gewählt: „The term ‚civil society' has many different definitions, and there is little agreement on its precise meaning, though much overlap exists among core conceptual components. Definitions typically vary in the emphasis they put on some characteristics of civil society over others; some definitions primarily focus on aspects of state power, politics and individual freedom, and others more on economic functions and notions of social capital and cohesion. None the less, most analysts would probably agree with the statement that modern civil society is the sum of institutions, organizations and individuals located between the family, the state and the market, in which people associate voluntarily to advance common interests.”[17] Aber auch hier wird auf den Zwischenraum fokussiert, den Staat, Wirtschaft und Privatsphäre eröffnen, um die Zivilgesellschaft dort anzusiedeln.

Der Religionssoziologe Detlef Pollack beschreibt den Begriff der Zivilgesellschaft als unklar, diffus, schillernd, häufig normativ und utopisch aufgeladen; er bedürfe daher der sensiblen und gleichzeitig trennscharfen Eingrenzung.[18] „Unter civil society sei hier die Gesamtheit der öffentlichen Assoziationen, Vereinigungen, Bewegungen und Verbände verstanden, in denen sich Bürger auf freiwilliger Basis versammeln.”[19] Pollack betont die Verortung im öffentlichen Raum, denn die sich engagierenden Bürger verfolgten nicht lediglich ihre persönlichen Interessen. „Neben den bezeichneten Organisationen und Assoziationen gehört auch ungebundenes Engagement zum zivilgesellschaftlichen Bereich, sofern es sich ebenfalls durch Freiwilligkeit, Öffentlichkeit, Gemeinschaftlichkeit sowie die Transzendierung privater Interessen auszeichnet.”[20] Formen ungebundenen zivilgesellschaftlichen Engagements seien Demonstrationen, Streiks, Petitionen, Boykottmaßnahmen etc. Bei Thomas Meyer findet sich noch das Kriterium der Gemeinwohlorientierung, an dem zivilgesellschaftliches Handeln zu erkennen sei.[21] Demnach könne Zivilgesellschaft soziale oder politische, kulturelle oder ökologische Probleme dadurch lösen, dass sie freiwilliges solidarisches Handeln der Bürger/innen zu gemeinwohlorientierten Zwecken organisiere.[22]

Der Soziologe Frank Adloff versteht unter Zivilgesellschaft, Civil Society oder Bürgergesellschaft einen „gesellschaftliche[n] Raum, nämlich die plurale Gesamtheit der öffentlichen Assoziationen, Vereinigungen und Zusammenkünfte, die auf dem freiwilligen, gemeinsamen Handeln der Bürger und Bürgerinnen beruhen”.[23] Vereine, Verbände und soziale Bewegungen seien dabei typische Organisationsformen, die Adloff von staatlichen Interessen ebenso abgrenzt wie von den Interessen des Marktes. Stiftungen gehören nach dieser Definition nicht zur Zivilgesellschaft. Zudem schreibt Adloff der Zivilgesellschaft bestimmte zivile Verhaltensstandards wie Toleranz, Verständigung und Gewaltfreiheit zu. Ebenso gehöre zur Zivilgesellschaft ein utopisches Moment, nämlich das selbstregierte demokratische Zusammenleben. „Summa summarum umfasst der Begriff Zivilgesellschaft also dreierlei: einen gesellschaftlichen Bereich von Organisationen und Institutionen, zivile Umgangsformen und ein utopisches Projekt.”[24]

In der Politikwissenschaft wird der Begriff Zivilgesellschaft normativ verwendet, wenn es um die Beschreibung von zivilen Tugenden geht, deren Entfaltung bestenfalls zur Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft führe.[25] Zivilgesellschaft bezeichnet aber auch wertfrei Nichtregierungsorganisationen wie Bürgerinitiativen, Vereine und Verbände. In vielen Konzepten beschreibt Zivilgesellschaft also den organisierten Bürger und schließt den nicht-organisierten Menschen als Individuum aus.[26] Dieser Ansatz der Zivilgesellschaft geht von einem Bürger aus, der es versteht, mit Bildungsressourcen umzugehen und der im Sinne des Gemeinwohls – anders als der Untertan – „tugendhaft” handelt.[27] Der Politikwissenschaftler John Keane versteht den Begriff Civil Society als „a term that both describes and anticipates a complex and a dynamic ensemble of legally protected nongovernmental institutions that tend to be nonviolent, self-organizing, self-reflexive, and permanently in tension, both with each other and with the governmental institutions that 'frame', constrict and enable their activities”.[28] Der Kern der Definition zielt hier ebenfalls auf die Organisationen ab, die als Nicht-Regierungsorganisationen Werte wie Gewaltfreiheit, Selbstorganisation und Selbstbezogenheit vertreten. Nach dieser Definition lässt sich sogar die Selbstanalyse der Zivilgesellschaft erklären.

Verbindendes Element dieser Vorstellungen von Zivilgesellschaft ist jeweils ihre Abgrenzung zum Staat. Auch der Europäische Rat nutzt den Begriff der Zivilgesellschaft als „Sammelbegriff für alle Formen sozialen Handelns von Einzelnen oder Gruppen, die nicht auf Initiative des Staates zurück gehen und nicht von diesem gelenkt werden”.[29] Doch gibt es auch Kritik. Thomas Meyer formuliert drei Punkte: 1) zivilgesellschaftliche Akteure seien unzureichend demokratisch legitimiert, 2) zivilgesellschaftliches Handeln vernachlässige die Interessen derjenigen, die passiv bleiben 3) und zivilgesellschaftliche Initiativen seien temporär und darum für den Bestand der Demokratie wenig verlässlich.[30] Ansgar Klein weist zudem auf die Grenzen eines antitotalitär ausgerichteten Zivilgesellschaftskonzepts in der Debatte in Ostmitteleuropa vor 1989 hin.[31]

Dagegen sieht Ulrich Rödel die handlungstheoretische Perspektive: Eine an die Demokratietheorie anknüpfende Theorie zur Zivilgesellschaft ziele darauf ab, „die real existierenden politischen Handlungszusammenhänge zwischen den Bürgern einer Zivilgesellschaft zu bestimmen und zu untersuchen, die maßgeblich dafür sind, dass die Handlungsermächtigungen republikanisch-demokratischer Verfassungen, d.h. demokratische Formen der Machtbildung und Machtausübung in der Gesellschaft überhaupt verwirklicht, bewahrt und weiterentwickelt werden können”.[32] Er benennt vier Themenbereiche, die in anderen demokratietheoretischen Ansätzen nur unzureichend vorkommen würden: 1) Freiheitsrechte, 2) Kommunikationsfreiheiten in der Sphäre des Öffentlich-Politischen, 3) Macht in der Zivilgesellschaft sowie 4) die Entwicklung des Rechts.

Flüchtlingshilfe der Volkshilfe Oberösterreich 2015, Foto: VolkshilfeÖsterreich, 11.9.2015. Quelle: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fl%C3%BCchtlingshilfe_VolkshilfeOOe_2015.jpg Wikimedia Commons] ([http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ CC BY-SA 4.0]).
Flüchtlingshilfe der Volkshilfe Oberösterreich 2015, Foto: VolkshilfeÖsterreich, 11.9.2015. Quelle: Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0).


Die Zivilgesellschaft steht auch in der Kritik, weil in ihr Ressourcen ungleich verteilt sind.[33] Finanzielle Ressourcen werden von Stiftungen, Spendenorganisationen und Unternehmen als Corporate Citizens vergeben.[34] Entscheidungen, die sich auf das Gemeinwohl beziehen, können hier von Organisationen getroffen werden, die nicht zwingend von der Öffentlichkeit beobachtet werden oder demokratisch legitimiert sind. Auf diese Weise werden ehemals staatliche Bereiche der Kontrolle und Transparenz entzogen wie z.B. Nachhilfe, Kinderbetreuung und Altenpflege. Zudem fokussieren nur wenige Studien auf die weniger privilegierten Bevölkerungsschichten, sondern auf die „Bürgergesellschaft”, sodass es hier ein Ungleichgewicht gibt.[35]

In der geschichts- und sozialwissenschaftlichen Debatte kam das Konzept der Zivilgesellschaft spätestens in den 1980er-Jahren wieder auf.[36] Hier verlagerte sich die Beschreibung von der Bürgergesellschaft zur Zivilgesellschaft, und zwar nicht nur in Bezug auf Demokratien: Zivilgesellschaften sind in jedem politischen System auszumachen – auch in Autokratien und Transformationsgesellschaften und gerade in den Diktaturen Ostmitteleuropas, in denen Dissidenten und Bürgerrechtler gegen kommunistische Regime kämpften.[37] Mit dem Konzept der Zivilgesellschaft werden auch gesellschaftliche Umbrüche wie die friedliche Revolution von 1989 beschrieben.[38] Auch Forschungen zur Friedens-, Ökologie- und Studentenbewegung gehören zu diesem Themenfeld. So kann die Zivilgesellschaft ein demokratischer Ort sein, an dem sich ziviler Ungehorsam entwickelt. Doch gleichzeitig können in der Zivilgesellschaft extremistische Strömungen entstehen, „anti-zivile Werte” vertreten und praktiziert sowie Botschaften von Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus verbreitet werden.[39] Da auch die Stärke der nationalsozialistischen Herrschaft mit einer organisierten Zivilgesellschaft erklärt werden kann,[40] sollte Zivilgesellschaft zunächst wertneutral beschrieben werden, bevor eine normative Bewertung zivilen Handelns erfolgt.

Die normative Aufladung des Begriffs und seine im Zeitverlauf unterschiedliche Verwendung machen die exakte Bestimmung schwierig. Jürgen Kocka umriss Zivilgesellschaft 2001 als „einen Entwurf menschlichen Zusammenlebens, der in der Aufklärung entstand, seitdem vielfach verändert wurde und sich weiter verändert”.[41] Ähnlich wie Frank Adloff verweist auch Kocka auf den damals utopischen „Entwurf einer zukünftigen Zivilisation, in der die Menschen als mündige Bürger friedlich zusammen leben würden, als Privatpersonen in ihren Familien und als Bürger (citizens) in der Öffentlichkeit, selbständig und frei, kooperierend, unter der Herrschaft des Rechts, aber ohne Gängelung durch den Obrigkeitsstaat, mit Toleranz für kulturelle, religiöse und ethnische Vielfalt, aber ohne allzu große soziale Ungleichheit”.[42]

In verschiedenen Konzepten haben sich diese utopischen Momente der Zivilgesellschaft verselbstständigt, bezogen sie sich doch zunächst auf die „Bürgerliche Gesellschaft”,[43] dann auf das Funktionieren bestehender Demokratien oder die Entwicklung einer Zielversion von Demokratie. Utopie meint hier auch Unabhängigkeit vom Staat und Emanzipation. So könnte man versuchen, die Proteste des „Arabischen Frühlings” mit dem Konzept der Zivilgesellschaft zu greifen. In Deutschland und in Europa besteht jedoch eine starke Verknüpfung der „Zivilgesellschaft” mit der Entwicklung der „Bürgerlichen Gesellschaft” im 19. Jahrhundert.


Zivilgesellschaft als bürgerliches Projekt

Jürgen Kocka beschreibt „Zivilgesellschaft” als ein anfangs rein bürgerliches Projekt. Die Zivilgesellschaft „entstand und lebte aus den Energien der bürgerlichen Kultur. Doch seinem universellen, nicht-exklusiven Anspruch konnte sich das Projekt der Zivilgesellschaft erst in dem Maße annähern, in dem es seine einstmals enge Abhängigkeit vom Bürgertum lockerte.”[44] Dem Bürgertum und der Bürgergesellschaft werden die Besitz- und Bildungsbürger zugeordnet: Unternehmer, mittelständische Geschäftsleute, Bankiers, Financiers sowie Ärzte, Rechtsanwälte, Richter, Geistliche und Lehrer.[45] Das bürgerliche Lebensmodell habe sich auf Essen, Kleiden und Wohnen, Haushaltsführung, Freizeitverhalten, Sprachstil und Familienleben ausgewirkt, so Thomas Nipperdey, „auch wenn manches nicht mehr als Prätention war”.[46] Im 19. Jahrhundert entwickelten selbst mittlere Angestellte ein starkes Selbstwertgefühl sowie einen Aufstiegswillen und grenzten sich mit ihrer Selbstbeschreibung als „bürgerlich” von den Arbeitern ab. Diese Bürger emanzipierten sich vom Staat und bildeten Verhaltensweisen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen heraus, die später als Bürgertugenden beschrieben wurden.[47] Bildung und Besitz wurden also zu Garanten für bestimmte bürgerliche Tugenden.

Gegenüber den Herrschenden machten die Bürger deutlich, dass sie keine Untertanen mehr sein wollten. Die „Bürgerliche Gesellschaft” war zu dieser Zeit ein Zukunftsentwurf „als Vereinigung rechtlich freier, durch Besitz und Bildung ausgezeichneter, wirtschaftlich ungestört konkurrierender, besitzindividualistisch orientierter, politisch handlungsfähiger Individuen […], die im Medium der Öffentlichkeit […] das Gemeinwohl in vernünftigen Diskussionen ermittelten und in Gesetzesform gossen”.[48] Da an diesem Prozess nur ein kleiner Prozentsatz der Gesellschaft teilnahm, der zudem größten Wert auf gesellschaftliche Distinktion legte, führte dies zu einer Unterscheidung gesellschaftlicher Teilhabe von Mittelschicht und Unterschicht, die sich bis heute hält.

Mitglieder von Knappschaft und Schützenverein Rittersgrün bei der „I K-Willkommenstour” auf dem Rittersgrüner Museumsbahnhof am 1. Juli 2009, Foto: Devilsanddust, 1.7.2009. Quelle: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Knappschaft_und_Schuetzen_Rittersgruen.jpg?uselang=de Wikimedia Commons] ([https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de CC BY-SA 3.0]).
Mitglieder von Knappschaft und Schützenverein Rittersgrün bei der „I K-Willkommenstour” auf dem Rittersgrüner Museumsbahnhof am 1. Juli 2009, Foto: Devilsanddust, 1.7.2009. Quelle: Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0).


Dabei muss man berücksichtigen, dass „das Bürgertum” auch noch in der Weimarer Republik nur einen geringen Teil der Bevölkerung ausmachte: Großbourgeoisie und Bildungsbürgertum kamen unverändert auf zwei Prozent der Bevölkerung, zusammen mit den oberen bürgerlichen Mittelklassen auf sechs Prozent; das Kleinbürgertum erreichte zehn bis elf Prozent.[49] „Ein Sechstel der Bevölkerung bildete mithin die eigentliche Bürgergesellschaft und den sozialhistorischen Kern der ‚Bürgerlichen Gesellschaft'”, gibt Hans-Ulrich Wehler zu bedenken.[50] Schon vor dem Ersten Weltkrieg diffundierten aber bürgerliche Werte, Normen und Lebensformen in andere Klassen der Gesellschaft.[51] Bürgerlichkeit löste sich vom Bürgertum.[52] Das Kleinbürgertum übernahm Einstellungen und Werte wie Familie, Bildung und Selbstorganisation in Vereinen.[53] Zudem ging zum Ende der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus die ursprüngliche Utopie der „Bürgerlichen Gesellschaft” verloren, in der der einzelne Bürger sich in einer tugendhaften Weise gegenüber dem Staat emanzipierte und ein in der Gemeinschaft gleichberechtigter Citoyen seine Interessen vertrat.[54] Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Akteure der Zivilgesellschaft nicht mehr eindeutig einer identifizierbaren Schicht oder Gruppe zugeordnet werden.

In der DDR sollte sich die Bevölkerung in Abgrenzung zum Westen und zur Bundesrepublik der 1950er-Jahre von bürgerlichen Tugenden lösen.[55] Der Staats- und Parteiapparat der SED wirkte mit sozialistischen und kommunistischen Werten des Arbeiter- und Bauernstaats auf die öffentliche Lebensführung der Menschen in der DDR ein.[56] Eine bürgerliche Kultur wurde allenfalls privat in Familien und Submilieus wie dem der evangelischen Kirche gelebt und bewahrt. In der Bunderepublik dominierten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst die Parteien den Raum für politische Partizipation. Sie öffneten sich einer breiten Mittelschicht, die sich durch Wirtschaftsaufschwung und Wachstum bis in die 1970er-Jahre einen sichernden Wohlstand erarbeitet hatte. Zwar gab es auch schon in den 1950er-Jahren Proteste im Rahmen der Friedensbewegung gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands, doch erst die „Spiegel”-Affäre aus dem Jahr 1962 markiert das Entstehen einer kritischen Öffentlichkeit in der Bundesrepublik.[57] Die Studentenbewegung von 1968 war der Vorläufer der sozialen Bewegungen der 1970er-Jahre, die einen Höhepunkt zivilgesellschaftlicher Organisation und Partizipation im 20. Jahrhundert darstellten.[58] Paul Nolte weist daher zu Recht darauf hin, dass alle Entwürfe der Zivilgesellschaft den Impuls politischer Partizipation teilen.[59]

Ende der 1980er-Jahre hatte der zivile Ungehorsam in der DDR und in anderen Staaten Osteuropas die Diktaturen ins Wanken gebracht. Proteste und Demonstrationen wurden zum Auslöser der Revolutionen von 1989/90. In den Transformationsgesellschaften der 1990er-Jahre war die Zivilgesellschaft der Ort für politische Partizipation und die Entwicklung der neuen Demokratien. Durch die starke Konzentration auf Demokratie und Partizipation schien es, als sei der Bezug der Zivilgesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft mit dem Ende des Kalten Kriegs verändert worden. Vielmehr wurden nun staatliche Unabhängigkeit und wirtschaftliche Freiheit wieder zum Kennzeichen zivilgesellschaftlichen Engagements.

Doch die starke Bindung der Zivilgesellschaft an die „Bürgerliche Gesellschaft” blieb im deutschen Kontext bzw. Diskurs bestehen. Wenn die Zivilgesellschaft als solche Bestand haben solle, so führte Herfried Münkler aus, sei sie auf Bürgertugend angewiesen und müsse gleichzeitig Bürgertugend hervorbringen.[60] Zivilgesellschaft und Bürgertugend seien somit einander wechselseitig generierende und regenerierende Größen. Je nach Interpretation wird die Bürgertugend so in unterschiedlichem Maße Bestandteil der zivilgesellschaftlichen Utopie eines demokratischen Projekts. Die Bürgertugend zielt aber nicht nur auf staatliche Unabhängigkeit, sondern auf vertrauensvolles Handeln untereinander ab. Die darin implizierte Unterstellung, dass ein solches Handeln in „nicht-bürgerlichen” Kreisen nicht möglich sei, ist auch der Grund, warum dem Konzept so viel Kritik entgegenschlägt. In seiner historischen Herleitung suggeriert „Zivilgesellschaft”, das Projekt einer kleinen privilegierten gesellschaftlichen Gruppe zu sein.

Diejenigen, die per Zuordnung nicht zur „Bürgerlichen Gesellschaft” und ihrem Wertekanon gehören oder in ihrer Hierarchie an den unteren Rändern der Gesellschaft angesiedelt sind, vielleicht ohne Erwerbstätigkeit von staatlichen Transferleistungen abhängig leben, kommen auch heute in der Betrachtung nur marginal vor. Diese Ausgrenzung kann auch durch die Konzentration auf organisatorische Zusammenhänge in der Zivilgesellschaft nicht überwunden werden. Zwar gelten Assoziationen und Vereine einerseits als Garanten für den Zusammenhalt und das Funktionieren von demokratischen Gesellschaften, gleichzeitig sind diese Organisationen aber auch ein Ort der Ausgrenzung, nämlich gegenüber denen, die nicht teilhaben wollen oder können. Zudem haben in den exklusiveren Clubs der Zivilgesellschaft oft nur diejenigen Zugang, die sich über Vermögen, Sprach- und Verhaltenscodes Zutritt verschaffen können. Zwischen Golfclub und Taubenzüchterverein in derselben Stadt liegen soziale Welten und „feine Unterschiede”.[61] „Die innere Homogenität der ‚Bürgerlichen Gesellschaft' wurde mithin durch rigorose Exklusion und schroffe Distanzierungspraktiken erkauft”, schreibt Hans-Ulrich Wehler über soziale Differenzen. „Aufgrund der elitären Bindung an Besitz und Bildung wurden nicht nur alle Unterschichten und Minderheiten wie die Juden, sondern auch alle Frauen vom Vollbürgerstatus ausgeschlossen.”[62] Heute sind es andere Gruppen, die nicht am zivilgesellschaftlichen Handeln teilnehmen können oder wollen. Es geht um den Zusammenhalt der Gesellschaft einerseits, um „Gemeinsinn”, „Sozialkapital” und „Bürgerengagement”, und um Trennlinien in der Gesellschaft andererseits, um Armut, Exklusion und soziale Ungleichheit.[63]

Die Geschichtswissenschaft sollte sich daher inhaltlich neben der sozialen Frage, die sich auch mit Perspektiven aus dem Arbeitermilieu und der Arbeiterbewegung selbst sowie mit den Chancen des sozialen Aufstiegs beschäftigt, auch nichtbürgerlichen Emanzipationsbewegungen und Migrantengruppen intensiver zuwenden. Das Unterstützungsnetzwerk von Migranten oder auch deren Selbstorganisation kann daher ebenso zur Zivilgesellschaft gezählt werden wie der deutsche Sportverein. Organisationsgrad, Unabhängigkeit von staatlichem Einfluss sowie finanzielle Freiheit sind hier als Analysekriterien ebenso vorhanden wie Gemeinwohlorientierung, wenn z.B. soziale Aufgaben wie Altenpflege, Krankenversorgung etc. innerhalb der Familie übernommen werden, mit deren Erledigung die Gemeinschaft entlastet wird. Zudem stellt sich die Frage, ob, in welchem Umfang und wann Elemente politischer Partizipation und demokratischer Gleichheit die sozial exkludierenden Werte der alten „bürgerlichen Gesellschaft” überlagerten.

Zur Realität der Zivilgesellschaft gehört sicherlich auch die Ausbildung von Machtstrukturen innerhalb der Assoziationen und Vereine:[64] Wer ist also Handelnder, und wer folgt ihnen? Wer profitiert von zivilgesellschaftlichen Prozessen, und wer muss Nachteile hinnehmen? Aus methodischer Perspektive sollte eine vergleichend arbeitende Geschichtswissenschaft die transnationalen Zusammenhänge ebenso wie globale Perspektiven von Zivilgesellschaft und deren unterschiedliche Konzepte berücksichtigen.[65] Dazu wird sich der Begriff der Zivilgesellschaft – die „civil society” – eher eignen als der Bezug auf bürgerliche Tugenden und Traditionen. Denn abgesehen davon, dass bürgerliche Tugenden und Traditionen zwar ziviles Handeln gewährleisten, aber auch zu Ausgrenzungen führen können, sind sie zudem je nach Land (Region) und Zeit (Periode) unterschiedlich zu bewerten. Die funktions- und organisationsbezogene Perspektive bietet sich daher als Ausweg an.


Global Civil Society – eine interdisziplinäre Debatte

Mit dem Ende des Zweiten Kalten Kriegs finden sich erste Autor/innen, die von der Ausbildung einer „Global Civil Society” sprechen.[66] Das Konzept baut zum einen auf Entwürfen nationaler Zivilgesellschaften auf, zum anderen knüpft die Idee einer globalen Zivilgesellschaft empirisch an Entwicklungen sozialer Bewegungen an, die transnational und global agieren. Rückbezüge können zur Anti-Sklaverei-Bewegung und zur Frauen- und Friedensbewegung des 19. Jahrhunderts vorgenommen werden. Im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert haben sich Organisationen – zumeist NGOs, die aus der Institutionalisierung sozialer Bewegungen entstanden sind – entwickelt, die transnationale und globale Bezüge verstärkt haben.[67] Trends der Europäisierung und Internationalisierung, die anhaltende Globalisierung von Wirtschafts- und Finanzmärkten, die Bildung grenzübergreifender Organisationen sowie der Ausbau der grenzenlosen digitalen Kommunikation erfordern neue Konzepte. Mit dem Internet ist zudem eine völlig neue öffentliche Sphäre entstanden, die in Bezug auf Habermas' bürgerliche Öffentlichkeit neu diskutiert werden sollte.[68] Zudem beinhaltet die globale Zivilgesellschaft eine Vielfalt an politischen Kulturen, Lebensstilen, religiösen Traditionen und Gruppen, die in Untersuchungen zu integrieren sind.[69]

Das Konzept der Global Civil Society kann nach John Keane analytisch-deskriptiv oder strategisch politisch-kalkulierend verwendet werden.[70] Im analytisch-deskriptiven Sinne werden wichtige Institutionen, Akteure und Veranstaltungen untersucht, ihre Entstehung, ihre Entwicklung und ihre Prognosen. Wie bei den sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Zivilgesellschaftsforschung geht es darum, die Akteure der globalen Zivilgesellschaft zu erfassen sowie die politischen Forderungen und Erfolge der weltweit agierenden sozialen Bewegungen. Dies ist direkt mit politischen Fragen und deren normativer Bewertung verbunden. Wenn der Begriff Global Civil Society verwendet wird, so bezieht er sich nach John Keane auf Folgendes: A „dynamic non-governmental system of interconnected socio-economic institutions that straddle the whole earth, and that have complex effects that are felt in its four corners. Global civil society is neither a static object nor a fait accompli. It is an unfinished project that consists of sometimes thick, sometimes thinly stretched networks, pyramids and hub-and-spoke clusters of socio-economic institutions and actors who organize themselves across borders, with the deliberative aim of drawing the world together in new ways. These non-governmental institutions and actors tend to pluralize power and to problematize violence; consequently, theirs peaceful or 'civil' effects are felt everywhere, here and there, for and wide, to and from local areas, through wider regions, to the planetary level itself.”

Folgende fünf Merkmale können als Kennzeichen für die Global Civil Society festgehalten werden:[71]

1) Organisationen, Institutionen und Aktivitäten sind unabhängig von Regierungen;

2) eine Gesellschaftsform von mehr oder weniger eng verbundenen sozialen Prozessen;

3) Merkmale von Zivilität, zum Beispiel Respekt, Freundlichkeit, Akzeptanz;

4) starke Linien von Pluralität und ein starkes Konfliktpotenzial

5) sowie transnational und über nationalstaatliche Grenzen und Regierungsformen hinausgehend.

Eine globale Zivilgesellschaft wird von Paul James und Paul van Seters als dialogorientierter sozialer Raum definiert, der Menschen in vernetzten Netzwerken zusammenbringe, die über den Globus verteilt seien.[72] Zum Ende des 20. Jahrhunderts haben Entwicklungen wie das Internet, soziale Medien und globale Nachrichtenmedien Dialoge differenziert und oftmals exklusive Wissensgebiete auf eine neue Stufe gehoben. Mary Kaldor beschreibt mit dem Begriff „Global Civil Society” unabhängige NGOs und soziale Bewegungen, die grenzübergreifend agieren. Der Begriff beziehe sich zudem auf den Non-Profit Sektor: „Everything that operates across national borders and between the state, the market and the family.” Alternativ beziehe er sich auf alles zwischen Staat und Familie, einschließlich des Marktes. Zudem umfasse der Begriff sogenannte advocacy networks, und zwar inklusive jenen Akteuren, die den globalen Zivilisierungsprozess vertreten und denen, die fundamentale Positionen einnähmen. [73]

Zur global organisierten Zivilgesellschaft zählen Organisationen wie das Internationale Rote Kreuz, deren Vorläufer sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet haben. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International als „geistiges Kind”[74] des englischen Rechtsanwalts Peter Benenson gehören seit den 1960er-Jahren dazu. Greenpeace wurde 1971 als global agierende Umweltschutzorganisation gegründet, das globalisierungskritische Netzwerk Attac 1998. Viele weitere Organisationen zu ähnlichen oder anderen Themenfeldern könnten hier aufgezählt werden. Verfechter des Ideals einer globalen Zivilgesellschaft verweisen auf das politische Potenzial internationaler Kampagnen, die jenseits von Regierungen und marktwirtschaftlichen Unternehmen mit Ideen, dem Mut und dem Engagement einzelner Bürger/innen Wirkung erzielen.[75]

Greenpeace Jugend, Köln 2007, Foto: Richard Brand, 9.6.2007. Quelle: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jaggio_koeln.jpg?uselang=de jaggio cologne action Wikimedia Commons] ([https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de CC BY-SA 2.0]).
Greenpeace Jugend, Köln 2007, Foto: Richard Brand, 9.6.2007. Quelle: jaggio cologne action Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0).


Sicherlich kann das Internet die Vernetzung und Sichtbarkeit transnationaler und internationaler Bewegungen und Proteste verbessern. Ebenso vereinfacht und beschleunigt es auch die Kampagnen-Arbeit international agierender Organisationen.[76] Doch auch die Gefahren sind bekannt, wenn weltweit agierende Konzerne Daten sammeln und verknüpfen und damit in die Privatsphäre ihrer Nutzer eindringen und diese vermarkten, staatliche Institutionen in Autokratien das Internet im eigenen Sinne nutzen oder politische Partizipation in Demokratien zum „Click”- oder „Slacktivism” führen kann, sich also viele Nutzer/innen an Online-Kampagnen beteiligen, die Intensität ihrer Auseinandersetzung mit dem Gegenstand jedoch deutlich abnimmt.

Die Analyse einer globalen Zivilgesellschaft wirft noch mehr Schwierigkeiten auf als die Analyse einer nationalen Zivilgesellschaft. Global Governance-Konzepte, die sich mit Steuerungsmechanismen in einer globalen Welt beschäftigen, helfen, globale, internationale und transnationale Ebenen und jeweilige Herausforderungen einzuordnen, gleichzeitig bleiben Nationalstaaten für den Rahmen und die Rechtsformen der Organisationen zuständig.[77] Es wäre falsch, die globale Zivilgesellschaft lediglich im vorpolitischen Raum der sozialen Bewegungen anzusiedeln. Vielmehr sind finanzielle Unterstützer oft global agierende Unternehmen, die auch selbst Angriffsflächen bieten können. Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 traf es global agierende Banken und Versicherungen, auf die sich die Empörung der weltweit entstehenden „Occupy”-Bewegung fokussierte.[78] Diese zivilgesellschaftlichen Aktivitäten sozialer Bewegungen bleiben jedoch ohne großen Einfluss, wenn es den Organisationen oder Netzwerken nicht gelingt, effektive Mittel zu entwickeln: etwa durch Boykotte, öffentliche Diskurse oder Gesetzesänderungen auf nationaler oder europäischer Ebene. Zudem entstehen auch auf internationaler Ebene zahlreiche Stiftungen, Vereine und Verbände, die ihre Interessen weltweit durchzusetzen versuchen. Für alle von ihnen ist es eine Herausforderung, die passende Organisationsform zu finden, die jeweils national und international Bestand hat und zudem noch wandlungsfähig ist, um längerfristig zu bestehen.[79]

Das Spannungsfeld einer globalen Zivilgesellschaft ergibt sich u.a. aus sozialen, monetären, geografischen und kulturellen Unterschieden. Die Mittelschicht als eigentlicher Träger der nationalen Zivilgesellschaften schrumpft in vielen Ländern Europas und in den USA. In China, Indien und manchen Ländern Afrikas kommen neue Mittelschichten hinzu. Gleichzeitig entstehen jedoch immer stärkere Abhängigkeiten von globalen Märkten, Kapital, Institutionen und Normen, und es kommt teilweise zu einer Verschmelzung globalen und lokalen Denkens.[80] Die sozialwissenschaftliche Forschung über soziale Bewegungen baut auf diesem Gedanken auf.[81] Global agierende Konzerne dürften nicht nur damit beschäftigt sein, ihren Gewinn zu mehren, sondern haben nach John Keane auch die Aufgabe, soziale Bedeutungen zu kultivieren und auszuhandeln.[82] Ihr Handeln beruhe, so Keane, im Allgemeinen nicht auf Gewalttätigkeit und trüge aus diesem Grund zu einer Zivilität bei, die die globale Zivilgesellschaft nähre.

Bei einer so hohen Komplexität ist die Kritik am Konzept umfassender als das Konzept selbst: Hier sind Helmut Anheier, Marlies Glasius und Mary Kaldor zu nennen, die u.a. Standards sozialer und ökonomischer Beschreibung einer globalen Civil Society einfordern.[83] Denn nationalstaatliche Grenzen der Zivilgesellschaft seien obsolet, so der Tenor, Konzepte und Regeln von Öffentlichkeit müssten daher global auch anders hergeleitet werden als im Nationalstaat. Die Fragen sind vielfältig: Welche Diskurse gelten? In welcher Sprache werden sie geführt? Wer wiederum hat Zugang zur Global Civil Society? Zudem ist die normative Frage zu erörtern, ob die positiven Effekte einer Global Civil Society größer sind als die negativen Auswirkungen von global agierenden Unternehmen,[84] Kommunikationsagenturen sowie letztlich auch die Gefahren des global agierenden Terrorismus. Angesichts all dieser offenen Fragen werden die Schwächen derzeitiger geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung in Bezug auf Größe und Komplexität des Konzepts der globalen Zivilgesellschaft mehr als deutlich.


Fazit: Zivilgesellschaft im 21. Jahrhundert

Zusammengefasst kann Zivilgesellschaft wie folgt beschrieben werden: Sie ist der Ort in der Gesellschaft, an dem Organisationen agieren, die frei von staatlicher Zuwendung handeln, finanziell unabhängig sind und keinen Profit erwirtschaften. Diese Organisationen unterliegen nationalstaatlichen Gesetzen oder sind auf internationaler Ebene angesiedelt; sie können transnational vernetzt sein. Aus dem geografischen Bezug ergeben sich Fragestellungen zur nationalen oder globalen Zivilgesellschaft. Finanzielle Mittel und Ressourcen werden von einzelnen Bürger/innen aufgebracht. Mitwirkende Personen stellen Engagement in Form von ehrenamtlicher Arbeit zur Verfügung. Zivilgesellschaft findet somit in der Tat in einer Sphäre „zwischen” Staat, Unternehmertum und Privatheit statt. Zivilgesellschaft ist an der Öffentlichkeit orientiert, aber nicht immer öffentlich zugänglich. Familiäres oder freundschaftliches Handeln kann mit Blick auf familiäre und freundschaftliche Unterstützungsnetzwerke mit in das Konzept einbezogen werden. Zivilgesellschaftliches Handeln erfolgt freiwillig, es kann durch moralische – zivile oder bürgerliche – Leitlinien oder Zwänge motiviert sein und beinhaltet zivile Umgangsformen ebenso wie den zivilen Ungehorsam. Vertrauen könnte eine Kategorie sein, um zivilgesellschaftliches Handeln zu fassen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind an sozialen bzw. gemeinschaftlichen Zielen orientiert, wobei die Bestimmung des jeweils „Sozialen” oder „Zivilen” und auch des „politisch Richtigen” vom jeweils gesellschaftlichen Kontext abhängig ist, von gesellschaftlichen Gruppen bestimmt wird und dem Wandel der Zeit unterliegt.

Das Konzept Zivilgesellschaft weist in den Geschichts- und Sozialwissenschaften sehr unterschiedliche Zugänge auf. In der Geschichtswissenschaft wird Zivilgesellschaft nicht ohne ihre Herkunft in der „Bürgerlichen Gesellschaft” betrachtet werden können, während die aktualitätsbezogene Soziologie durch eine Vermessung von Organisationen und Vereinigungen im sogenannten Dritten Sektor versucht, Objektivität in einen unterschwellig normativ konnotierten Begriff zu bringen. Kritiker werfen dem Konzept der Zivilgesellschaft starke Ausgrenzungen in Bezug auf soziale Ungleichheit vor; zudem werde die Bewertung darüber, welches Handeln zivil und wer dazu berechtigt sei, von einer kleinen Gruppe getroffen, die wiederum ihren Ursprung in der „Bürgerlichen Gesellschaft” habe. In der Politikwissenschaft wird von Einzelnen der analytische Nutzen des Konzepts für die Demokratietheorie angezweifelt.

Je nachdem, welcher Schwerpunkt fokussiert und welcher Zugang bei der Analyse ausgewählt wird, kann zivilgesellschaftliches Handeln im vorpolitisch-öffentlichen Raum (soziale Bewegungen, ziviler Ungehorsam etc.) ausgemacht werden oder im Bereich des Dritten Sektors mit seinen NGOs und der Sozialwirtschaft. Es kann auch untersucht werden, ob die Assoziationen und Vereine demokratische oder extremistische Ziele verfolgen und inwiefern „zivile” Umgangsformen tradiert werden. Diese Ergebnisse wären in eine normative Perspektive einzuordnen. Zu überlegen ist, inwieweit zivilgesellschaftliche Handlungen nicht auch in Familien, Nachbarschafts- und Milieubeziehungen jenseits klassischer Organisationsformen zu finden sind.[85] Dann wäre das Konzept der Zivilgesellschaft um private Lebensführungen zu erweitern. Aufgrund dieser Unklarheiten und vielfältigen Verwendungen wird dem Begriff häufig Unschärfe vorgeworfen. Gleichzeitig lassen sich bei der genauen Lektüre vieler vorliegender Studien jeweils Definitionskriterien für eigene Untersuchungen bestimmen.

Insofern ermöglicht der Begriff „Zivilgesellschaft” mit dem Konzept der Global Civil Society eine Betrachtung von Gesellschaft über nationalstaatliche Grenzen hinweg, die den Ansprüchen der Transnationalen Geschichte gerecht werden kann und mit der zeithistorische Fragestellungen der Globalisierung bearbeitet werden können.[86] Auch ist das Konzept der Zivilgesellschaft ein Beispiel dafür, wie die Geschichtswissenschaft von Ansätzen der Organisationssoziologie und Demokratietheorie profitieren und diese in empirische Forschungsvorhaben über Vereine, Stiftungen und politische Bewegungen integrieren kann. Zudem können Forschungen über Zivilgesellschaft neben den realhistorischen Ebenen normative Bewertungen über den Zustand von Gesellschaften insgesamt zusammenführen. Denn wenn die Ungenauigkeit des Begriffs mit soliden Inhalten zu Vereinen und Organisationen sowie ihren Akteuren im jeweiligen Bezugsgebiet gefüllt wird, können mit dem Konzept der Zivilgesellschaft differenzierte und aussagekräftige Forschungen betrieben werden. Festhalten lässt sich daher, dass es nicht das eine Forschungskonzept und die eine Definition der Zivilgesellschaft gibt, um zivilgesellschaftliche Prozesse zu untersuchen. Zivilgesellschaftliches Handeln weist eine vielfältige Bandbreite auf.


* Dieser Beitrag für Docupedia-Zeitgeschichte ist die Werkstattversion eines Textes von Saskia Richter aus dem Jahr 2014. Nach ihrem frühen Tod im August 2015 war es der Redaktion ein Anliegen, diesen Text posthum zu veröffentlichen. Wir danken Sven Reichardt und Achim Saupe für die Unterstützung: Atlanta/Potsdam im März 2016, Astrid M. Eckert, Emory University, und Christine Bartlitz, Redaktion Docupedia-Zeitgeschichte


Empfohlene Literatur zum Thema

Adloff, Frank, Zivilgesellschaft: Theorie und politische Praxis, Frankfurt/Main 2005: Campus-Verlag 
Anheier, Helmut K. / List, Regina, A dictionary of civil society, philanthropy, and the non-profit sector, London ; New York 2005: Routledge 
James, Paul / Seters, Paul van (Hrsg.), Globalization and politics, Los Angeles 2014: SAGE 
Kumar, Krishan, Global Civil Society, in: European Journal of Sociology 48, 3, 2007, S. 413-434 
Wehler, Hans-Ulrich, Die Zielutopie der "Bürgerlichen Gesellschaft" und die "Zivilgesellschaft" heute, Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums. Eine Bilanz des Bielefelder Sonderforschungsbereichs (1986-1997), Göttingen 2000 
Zitation
Saskia Richter, Zivilgesellschaft – Überlegungen zu einem interdisziplinären Konzept, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 8.3.2016, URL: http://docupedia.de/zg/Zivilgesellschaft

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Anmerkungen

    1. Vgl. Jürgen Kocka, Zivilgesellschaft. Zum Konzept und seiner sozialgeschichtlichen Verwendung, in: ders. u.a. (Hrsg.), Neues über Zivilgesellschaft, Aus historisch-sozialwissenschaftlichem Blickwinkel. Discussion Paper P01-801, Berlin: Wissenschaftszentrum, Berlin 2001, Berlin 2001, S. 4-21, bes. S. 4, online unter https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2001/p01-801.pdf; Michael Edwards, Civil Society and the Geometry of Human Relations, in: ders. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Civil Society, Oxford 2011, S. 3-14, bes. S. 4-5, online unter http://14.139.206.50:8080/jspui/bitstream/1/1992/1/Edwards,%20Michael%20-%20The%20Oxford%20Handbook%20of%20Civil%20Society.pdf.
    2. Siehe http://www.lse.ac.uk/CCS/home.aspx.
    3. Vgl. exemplarisch Helmut K. Anheier/Lester M. Salamon, Genese und Schwerpunkte internationaler Forschung zum Nonprofit-Sektor. Von der Filer-Kommission zum Johns Hopkins Projekt, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegung (1992), H. 4, S. 40-48, online unter http://forschungsjournal.de/sites/default/files/archiv/FJNSB_1992_4.pdf; Dieter Gosewinkel, Zivilgesellschaft – eine Erschließung des Themas von seinen Grenzen her, Veröffentlichung der Arbeitsgruppe „Zivilgesellschaft: historisch-sozialwissenschaftliche Perspektiven“ des Forschungsschwerpunkts Zivilgesellschaft, Konflikte und Demokratie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Discussion Paper Nr. SP IV 2003-505, online unter https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2003/iv03-505.pdf. Zum wechselseitigen Verhältnis von Zivilgesellschaft und Informationstechnologie vgl. Roberta G. Lentz, Civil Society in the Digital Age, in Edwards (Hrsg.), Oxford Handbook of Civil Society, S. 337-348.
    4. Siehe www.ziviz.info. In 30 Ländern wurden quantitative und qualitative Daten über Beschäftigte, Ehrenamtliche, Finanzvolumen in gesellschaftlicher, historischer und politischer Dimension im sogenannten Dritten Sektor erhoben. Für Deutschland vgl. Annette Zimmer/Eckhard Priller (Hrsg.), Der deutsche Nonprofit-Sektor im gesellschaftlichen Wandel. Zur ausgewählten Ergebnissen der deutschen Teilstudie des international vergleichenden Johns Hopkins Projektes, Münsteraner Diskussionspapiere zum Nonprofit-Sektor, Nr. 3, Münster 2000, online unter http://www.aktive-buergerschaft.de/fp_files/Diskussionspapiere/2000wp-band03.pdf.
    5. Vgl. Mary Kaldor, The Idea of Global Civil Society, in: International Affairs 79 (2003), H. 3, S. 583-593; Mary Kaldor u.a., War and Peace. The Role of Global Civil Society, in: dies./Martin Albrow/Helmut Anheier/Marlies Glasius (Hrsg), Global Civil Society 2006/7, London 2006, S. 94-121.
    6. Vgl. dazu Helmut K. Anheier/Eckhard Priller/Annette Zimmer, Zur zivilgesellschaftlichen Dimension des Dritten Sektors, in: Hans-Dieter Klingemann/ Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Zur Zukunft der Demokratie: Herausforderungen im Zeitalter der Globalisierung, Berlin 2000 (WZB-Jahrbuch 2000), S. 71-98.
    7. Vgl. Eckhard Priller, Ressourcen und Potenziale zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland, in: Jürgen Kocka (Hrsg.), Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Sozialwissenschaftliche Essays, Bonn 2008, S. 299-313, bes. S. 304f.
    8. Vgl. Franz Walter, Die starken Arme legen keine Räder mehr still, in: Johanna Klatt/Franz Walter, Entbehrliche der Bürgergesellschaft? Sozial Benachteiligte und Engagement, Bielefeld 2011, S. 7-32, bes. S. 30f.; Paul Nolte, Von der repräsentativen zur multiplen Demokratie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (2011), H. 1-2, S. 5-12, bes. S. 11f., online unter www.bpb.de/system/files/pdf/XN1V9Q.pdf.
    9. Vgl. Kocka (Hrsg.), Zukunftsfähigkeit Deutschlands, S. 6.
    10. Vgl. Herfried Münkler, Zivilgesellschaft und Bürgertugend. Bedürfen demokratisch verfasste Gemeinwesen einer sozio-moralischen Fundierung?, Antrittsvorlesung an der Humboldt-Universität zu Berlin, 10. Mai 1993, S. 7, 11, 14, online unter http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/muenkler-herfried/PDF/Muenkler.pdf; Gosewinkel, Zivilgesellschaft, S. 2.
    11. Vgl. Ansgar Klein/Kristine Kern/Brigitte Geißel/Maria Berger, Einleitung. Integration, Zivilgesellschaft und Sozialkapital, in: dies. (Hrsg.), Zivilgesellschaft und Sozialkapital. Herausforderungen politischer und sozialer Integration, Wiesbaden 2004, S. 7-18, bes. S. 7; Frank Adloff, Interaktion und Ordnung. Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Theorierückblick, in: Frank Adloff/Ursula Birsl/Philipp Schwertmann (Hrsg.), Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Theoretische und empirische Perspektiven, Wiesbaden 2005, S. 65-95, hier S. 90. Eine Geschichte des Begriffs der Zivilgesellschaft und seiner Forschungstraditionen sowie ein Überblick über die Literatur finden sich in: Jean L. Cohen/Andrew Arato, Civil Society and Political Theory, Cambridge 1994; Dominique Colas, Civil Society and Fanaticism: Conjoined Histories, Stanford 1997; Nancy Gina Bermeo/Philip G. Nord (Hrsg.), Civil Society Before Democracy: Lessons from Nineteenth-Century Europe, Lanham 2000; Jürgen Schmidt, Zivilgesellschaft. Bürgerschaftliches Engagement von der Antike bis zur Gegenwart: Texte und Kommentare, Reinbek 2007. Neuerer Überblick in Edwards (Hrsg.), The Oxford Handbook of Civil Society.
    12. Vgl. Thomas Meyer, Was ist Politik? Opladen 2003, S. 266.
    13. Vgl. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2013 (zuerst 1962). Dazu auch Adloff, Zivilgesellschaft, S. 81ff., und Cohen/Arato, Civil Society and Political Theory, S. 210ff.
    14. Vgl. Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, Stuttgart 2001 (zuerst 1835). Siehe auch Bob Edwards (Hrsg.), Beyond Tocqueville: Civil Society and the Social Capital Debate in Comparative Perspective, Hannover 2001.
    15. Vgl. Gabriel A. Almond/Sidney Verba, The Civic Culture. Political Attitudes and Democracy in Five Nations, Princeton 1963.
    16. John Ehrenberg, Civil Society: The Critical History of an Idea, New York 1999.
    17. Helmut K. Anheier/ Regina List, A Dictionary of Civil Society, Philanthropy and the Non-Profit Sector, London 2005.
    18. Vgl. Detlef Pollack, Zivilgesellschaft und Staat in der Demokratie, in: Ansgar Klein/Kristine Kern/Brigitte Geißel/ Maria Berger (Hrsg.): Zivilgesellschaft und Sozialkapital. Herausforderungen politischer und sozialer Integration, Wiesbaden 2004, S. 23-40, bes. S. 27.
    19. Ebd.
    20. Ebd.
    21. Vgl. Meyer, Was ist Politik?, S. 266.
    22. Vgl. ebd.
    23. Adloff, Interaktion und Ordnung, S. 65-95, bes. S. 65f. Vgl. auch Frank Adloff, Zivilgesellschaft. Theorie und politische Praxis, Frankfurt a.M. 2005.
    24. Adloff, Interaktion und Ordnung, S. 66.
    25. Vgl. Gosewinkel, Zivilgesellschaft, S. 4; Ansgar Klein, Der Diskurs der Zivilgesellschaft. Politische Kontexte und demokratietheoretische Bezüge der neueren Begriffsverwendung, Opladen 2001, S. 20f.
    26. Vgl. Adloff, Zivilgesellschaft, S. 8ff.
    27. Vgl. Münkler, Zivilgesellschaft und Bürgertugend, S. 3, 8.
    28. John Keane, Civil Society. Definitions and Approaches, in: Helmut K. Anheier/Stefan Toepler (Hrsg.), International Encyclopedia of Civil Society, New York 2010, http://www.johnkeane.net/wp-content/uploads/2009/01/jk_civil_sciety_definitions_encyclopedia.pdf .
    29. Wolfgang W. Mickel/Jan M. Bergmann (Hrsg.), Handlexikon der Europäischen Union, Baden-Baden 2005, S. 834.
    30. Vgl. Meyer, Was ist Politik?, S. 271ff.
    31. Vgl. Klein, Diskurs der Zivilgesellschaft, S. 30.
    32. Ulrich Rödel, Vom Nutzen des Konzepts der Zivilgesellschaft, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft 6 (1996), H. 3, S. 669-677, bes. S. 670.
    33. Vgl. zur historischen Perspektive Paul Nolte, Zivilgesellschaft und soziale Ungleichheit. Ein historisch-sozialwissenschaftlicher Problemaufriss, in: Kocka u.a. (Hrsg.), Neues über Zivilgesellschaft, S. 22-44.
    34. Vgl. Thomas Adam/Simone Lässig/Gabriele Lingelbach (Hrsg), Stifter, Spender und Mäzene. USA und Deutschland im historischen Vergleich, Stuttgart 2009; Gabriele Lingelbach, Spenden und Sammeln. Der westdeutsche Spendenmarkt bis in die 1980er Jahre, Göttingen 2009.
    35. Vgl. Johanna Klatt/Franz Walter, Entbehrliche der Bürgergesellschaft? Sozial Benachteiligte und Engagement, Bielefeld 2011; Christoph Hoeft/Johanna Klatt u.a., Wer organisiert die „Entbehrlichen”? Viertelgestalterinnen und Viertelgestalter in benachteiligten Stadtquartieren, Bielefeld 2014.
    36. Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Die Zielutopie der „Bürgerlichen Gesellschaft“ und die Zivilgesellschaft heute, in: Peter Lundgreen (Hrsg.), Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums. Eine Bilanz des Bielefelder Sonderforschungsbereichs (1986-1997), Göttingen 2000, S. 85-92, bes. S. 85; Kocka, Zukunftsfähigkeit Deutschlands, S. 9; Paul Nolte, Was ist Demokratie? Geschichte und Gegenwart, München 2012, S. 371. Exemplarisch können noch folgende Studien für die 1990er- und 2000er-Jahren genannt werden: Arnd Bauerkämper (Hrsg.), Die Praxis der Zivilgesellschaft. Akteure, Handeln und Strukturen im internationalen Vergleich, Frankfurt a.M. 2003; Ralph Jessen u.a. (Hrsg.), Zivilgesellschaft als Geschichte: Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2004; Manfred Hildermeier/Jürgen Kocka/Christoph Conrad (Hrsg.), Europäische Zivilgesellschaft in Ost und West: Begriff, Geschichte, Chancen, Frankfurt a.M. 2000; Dieter Gosewinkel (Hrsg.), Zivilgesellschaft – national und transnational, Berlin 2004; ders., Zivilgesellschaft: Eine Erschließung des Themas von seinen Grenzen her, Berlin 2003 (WZB Discussion Paper Nr. SP IV 2003-505), online unter http://bibliothek.wz-berlin.de/pdf/2003/iv03-505.pdf; Stefan-Ludwig Hoffmann, Civil Society: 1750-1914, New York 2006; John Keane (Hrsg.), Civil Society: Old Images, New Visions, Cambridge 1998; Niklas Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2000; Frank Trentmann (Hrsg), Paradoxes of Civil Society: New Perspectives on Modern German and British History, New York 2000. Die 1970er-Jahre markiert Klein, Diskurs der Zivilgesellschaft , S. 19; siehe auch Krishan Kumar, Global Civil Society, in: European Journal of Sociology 48 (Dec. 2007), H. 3, S. 413-434, bes. S. 431.
    37. Vgl. Klein, Diskurs der Zivilgesellschaft, S. 19; exemplarisch Jieyu Liu (Hrsg.), Social Transformation in China, London 2014; Anil Al-Rebholz, Das Ringen um die Zivilgesellschaft in der Türkei. Intellektuelle Diskurse, oppositionelle Gruppen und Soziale Bewegungen seit 1980, Bielefeld 2012.
    38. Hier sieht die Politikwissenschaftlerin Mary Kaldor auch die Ursprünge für das Konzept der Global Civil Society. Mary Kaldor, Global Civil Society. An Answer to War, Cambridge 2003, S. 50ff.
    39. Vgl. Roland Roth, Die dunklen Seiten der Zivilgesellschaft. Grenzen einer zivilgesellschaftlichen Fundierung von Demokratie, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 16 (2003), H. 2, S. 59-73, hier S. 61.
    40. Vgl. Sven Reichardt, Zivilgesellschaft und Gewalt. Einige konzeptionelle Überlegungen aus historischer Sicht, in: Kocka u.a. (Hrsg.), Neues über Zivilgesellschaft, S. 45-80, bes. S. 65ff. Vgl. zudem Kocka, Zukunftsfähigkeit Deutschlands, S. 18.
    41. Ebd., S. 10.
    42. Jürgen Kocka, Zivilgesellschaft in historischer Perspektive, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 16 (2003), H. 2, S. 29-37, bes. S. 30.
    43. Vgl. Wehler, Zielutopie, S. 85; Jean L. Cohen/Andrew Arato, Civil Society and Political Theory, Cambridge 1994, S. 451ff.
    44. Kocka, Zukunftsfähigkeit Deutschlands, S. 20.
    45. Vgl. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918. Band I Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1998, S. 382ff.
    46. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, S. 376.
    47. Vgl. Münkler, Zivilgesellschaft und Bürgertugend, S. 3, 7.
    48. Wehler, Zielutopie, S. 86.
    49. Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949, Berlin 2009, S. 306f.
    50. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 307 und Kocka, Zukunftsfähigkeit Deutschlands, S. 6f.
    51. Vgl. Arnd Bauerkämper, Von der bürgerlichen Gesellschaft zur Zivilgesellschaft. Überlegungen zu den Trägern und zur Handlungspraxis sozialen Engagements am Beispiel Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert in globalhistorischer Perspektive, CAS – Center for Area Studies. Working Paper 1/2010, Berlin, S. 8, online unter http://www.fu-berlin.de/sites/cas/forschung/publikationen/working-papers/cas-wp_no_1-10.pdf?1307217501.
    52. Vgl. Kocka, Zukunftsfähigkeit Deutschlands, S. 20; Bauerkämper, Von der bürgerlichen Gesellschaft zur Zivilgesellschaft, S. 13.
    53. Vgl. Bauerkämper, Von der bürgerlichen Gesellschaft zur Zivilgesellschaft, S. 10.
    54. Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 309.
    55. Vgl. Bauerkämper, Von der bürgerlichen Gesellschaft zur Zivilgesellschaft, S. 14; Arnd Bauerkämper, Bürgerschaftliches Engagement zwischen Erneuerung und Abbruch. Die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR in vergleichender Perspektive, in: Thomas Olk/Ansgar Klein/Birger Hartnuß (Hrsg.), Engagementpolitik. Die Entwicklung der Zivilgesellschaft als politische Aufgabe, Wiesbaden 2010, S. 97-122.
    56. Zur Entwicklung einer Zivilgesellschaft in der ehemaligen DDR vgl. Konrad Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945-1995, Bonn 2004, S. 268.
    57. Vgl. Christina von Hodenberg, Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973, Göttingen 2006, bes. S. 323-360.
    58. Zu den folgenden Entwicklungen der Individualisierung und Auflösung gesellschaftlicher Strukturen vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986.
    59. Vgl. Nolte, Was ist Demokratie?, S. 371.
    60. Vgl. Münkler, Zivilgesellschaft und Bürgertugend, S. 3.
    61. Vgl. Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a.M. 1982 (zuerst 1979).
    62. Vgl. Wehler, Zielutopie, S. 87, dazu auch Nolte, Zivilgesellschaft und soziale Ungleichheit, S. 25f.
    63. Vgl. Nolte, Zivilgesellschaft und soziale Ungleichheit, S. 36; Hoeft u.a., „Die Entbehrlichen“.
    64. Vgl. Roth, Die dunklen Seiten, S. 63.
    65. Vgl. Sven Reichardt, Civil Society. A Concept for Comparative Historical Research, in: Annette Zimmer/Eckhard Priller (Hrsg.), Future of Civil Society. Making Central European Nonprofit-Organizations Work, Wiesbaden 2004, S. 35-55; Jan Aart Scholte, Global Governance, Accountability and Civil Society, in: ders. (Hrsg.), Building Global Democracy? Civil Society and Accountable Global Governance, Cambridge 2011, S. 8-41; Ulrike Liebert/Hans-Jörg Trenz, The New Politics of “European Civil Society”. Conceptual, Normative and Empirical Issues, in: dies. (Hrsg.), The New Politics of European Civil Society, London 2011, S. 1-16.
    66. Vgl. Paul James/Paul van Seters, Global Social Movements and Global Civil Society. A Critical Overview, in: dies. (Hrsg.), Globalization and Politics. Volume II: Global Social Movements and Global Civil Society, London 2014, vii-xxx, bes. S. xvi nach Keane 2001, online unter http://www.scfoundation.org/userfiles/files/Globalization%20%20Pol%20-%20Vol%202%20%282%29.pdf; siehe auch Mary Kaldor, Global Civil Society. An Answer to War, Cambridge 2003.
    67. Vgl. Helmut Anheier/Nuno Themudo/Matthias Freise, Transnationale Zivilgesellschaft und Organisationsentwicklung, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 16 (2003), H. 2, S. 87-96; Mary Kaldor, Global Civil Society, in: David Held/Anthony McGrew (Hrsg.), The Global Transformations Reader. An Introduction to the Globalization Debate, Cambridge ²2007, S. 559-563.
    68. Vgl. Zizi Papacharissi, The Virtual Sphere. The Internet as a Public Sphere, in: New Media and Society 4 (2002), Heft 1, S. 9-27, online unter http://tigger.uic.edu/~zizi/Site/Research_files/VirtualSphere.pdf.
    69. Vgl. John Keane, Global Civil Society?, in: Helmut Anheier/Marlies Glasius/Mary Kaldor (Hrsg.), Global Civil Society 2001, Oxford 2001, Chapter 2, S. 23-47, bes. S. 24.
    70. Vgl. John Keane, Global Civil Society?, Cambridge 2003, S. 3.
    71. Nach Anheier/List, A Dictionary of Civil Society, bes.: Global Civil Society.
    72. Vgl. James/van Seters, Globalization and Politics, bes. xvii.
    73. Siehe hier insbesondere Margaret E. Keck/Kathryn Sikkink, Activists beyond Borders. Advocacy Networks in International Politics, Cornell 1998. Außerdem Kaldor, Global Civil Society, insbes. S. 559.
    74. John Keane, Über die Einbettung des Marktes in die globale Zivilgesellschaft, in: Ursula Birsl/ Frank Adloff/ Philipp Schwertmann (Hrsg.), Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Theoretische und empirische Perspektiven, Wiesbaden 2005, S. 23-61, bes. S. 23, siehe auch online den Blog von John Keane: http://www.johnkeane.net/uber-die-einbettung-des-marktes-in-die-globale-zivilgesellschaft-2/.
    75. Vgl. Keane, Global Civil Society?, S. 24, 29.
    76. Vgl. Kathrin Voss, Grassrootskampagnen und E-Petitionen als Mittel zivilgesellschaftlicher Partizipation, in: dies. (Hrsg.), Internet und Partizipation. Bottom-up oder Top-down? Politische Beteiligungsmöglichkeiten im Internet, Wiesbaden 2014, S. 149-160; Saskia Richter/Marianne Kneuer, unter Mitarbeit von Melanie Rudolph, Soziale Medien in Protestbewegungen. Neue Wege für Diskurs, Organisation und Empörung? Frankfurt a.M. 2015.
    77. Vgl. Arthur Benz/Yannis Papadopoulos, Introduction. Governance and Democracy. Concepts and Key Issues, in: dies. (Hrsg.), Governance and Democracy. Comparing National, European and International Experiences, Abingdon 2006, S. 1-26, bes. S. 2ff.
    78. Todd Gitlin, Occupy Nation. The Roots, the Spirit, and the Promise of Occupy Wall Street. New York 2012.
    79. Vgl. Anheier/Thermundo/Freise, Transnationale Zivilgesellschaft, S. 88ff.
    80. Vgl. Keane, Global Civil Society?, S. 44ff.
    81. Vgl. Jackie Smith/Hank Johnston, Globalization and Resistance. An Introduction, in: dies. (Hrsg.), Globalization and Resistance. Transnational Dimensions of Social Movements, Lanham 2002, S. 1-10, bes. S. 2.
    82. Vgl. Keane, Global Civil Society?, S. 33.
    83. Nach Anheier/List, A Dictionary of Civil Society, Global Civil Society.
    84. Zur Fundamentalkritik vgl. Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt a.M. 2008.
    85. Vgl. Walter, Entbehrliche Bürgergesellschaft, S. 32 und Nolte, Multiple Demokratie, S. 9.
    86. Vgl. die Docupedia-Artikel von Philipp Gassert 29.10.2012, http://docupedia.de/zg/Transnationale_Geschichte_Version_2.0_Philipp_Gassert?oldid=108523 sowie von Angelika Epple, Globalisierung/en, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.6.2012, http://docupedia.de/zg/Globalisierung?oldid=106426.