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Peter Hübner

Arbeitergeschichte

Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.02.2010
https://docupedia.de//zg/Arbeitergeschichte

DOI: https://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.603.v1

Artikelbild: Arbeitergeschichte

Arbeiterin der Vega Aircraft Corporation, Juni 1942, Foto: David Bransby, Quelle: Flickr (Public Domain)

Die Arbeitergeschichte erforscht einen epochenübergreifenden Entwicklungsstrang, und bezeichnet nicht nur die Geschichte der Arbeiter im engeren Sinne, sondern auch die der Arbeiterschaft, der Arbeiterklasse, der Arbeiterbewegung und die der Arbeit selbst. In seinem Artikel erläutert Peter Hübner die verschiedenen Aspekte der Arbeitergeschichte aus historischer und interdisziplinärer Perspektive und stellt wichtige Forschungseinrichtungen, Archive und Bibliotheken des Forschungsfeldes vor. Abschließend wirft er einen Blick in die Zukunft der Arbeitergeschichte und erörtert mögliche Optionen der weiteren Forschung.
Arbeitergeschichte

von Peter Hübner

Der Begriff „Arbeitergeschichte" findet im deutschen Sprachraum nicht nur im engen Sinne einer Geschichte der Arbeiter Verwendung, er bezeichnet oft auch im weiteren Sinne die Geschichte der Arbeiterschaft, der Arbeiterklasse, der Arbeiterbewegung und nicht zuletzt die Geschichte der Arbeit selbst.[1] Diese Unschärfe spiegelt durchaus eine komplexe Realität. Die theoretisch denkbare und legitime Trennung der Begriffe „Arbeit" und „Arbeiter" findet im Grunde keine realhistorische Entsprechung. Wenn von einem die Rede ist, gilt es, das andere mitzudenken. Arbeitergeschichte, wie sie im Folgenden verstanden wird, steht deshalb, ähnlich wie im Englischen „labour/labour history", für den Zusammenhang von Arbeit und Arbeitern, Individualität und Kollektivität, Struktur und Prozess. Unter dieser Voraussetzung sind drei Aspekte zu erörtern: Zum einen geht es um die Bestimmung des Themas als historisches Langzeitphänomen. Zweitens werden einige der wichtigeren Forschungen zur Arbeitergeschichte betrachtet. Und drittens schließlich ist nach deren Perspektive zu fragen.

Arbeit und Arbeiter/innen in der Geschichte

Wann erschienen überhaupt arbeitende Menschen und mit ihnen die Arbeit als soziales und technisches Handeln auf der Bühne der Geschichte? Ab wann fungierte Arbeit über den unmittelbaren Zweck des Lebensunterhalts hinaus als in die Zukunft projizierte Existenzsicherung? Man wird vergeblich nach einem historischen Datum suchen, auf das sich die Existenz von Arbeit in diesem Sinne und das erste Auftreten von Arbeiter/innen festlegen ließe. Gleichwohl dürften die Herstellung von Werkzeugen und ihre Anwendung sowie die kontrollierte Nutzung von Feuer als Anfangssymptome einer zielgerichteten, systematischen, kommunikativ vernetzten und sozial reflektierten Tätigkeit, menschlicher Arbeit also, verstanden werden.

Arbeitergeschichte erforscht einen epochenübergreifenden Entwicklungsstrang. Das verweist auf einen geradezu trivialen Aspekt: Wer heute mit Blick auf die Geschichte der „digitalen Revolution"[2] einen Umbruch oder eine Krise der Arbeitsgesellschaft konstatiert, sollte sich eines vergegenwärtigen: Trägt man auf einem Zeitstrahl pro Jahr einen Millimeter ab, so trennen ca. 18 Meter das Entstehen früher arbeitsteiliger Gesellschaften von der Gegenwart. Die um 1970 einsetzenden akuten Probleme der modernen Arbeitswelt beanspruchen auf diesem Zeitstrahl gerade einmal vier Zentimeter. Die gesamte Periode der im 18. Jahrhundert einsetzenden industriellen Revolution mit ihren bisher drei massiven Entwicklungsschüben würde mit nicht mehr als 25 Zentimetern zu Buche schlagen. Es empfiehlt sich daher, mit weitreichenden Prophezeiungen zurückhaltend umzugehen.

Während Homer in der „Ilias" (vermutlich 8. Jh. v. Chr.)[3] Arbeit im Sinne landwirtschaftlicher und handwerklicher Tätigkeit noch positiv konnotierte, weil sie als Voraussetzung für Wohlstand und gesellschaftliches Ansehen galt, wurde sie mit dem verstärkten Aufkommen unfreier Arbeit als Existenzzwang betrachtet, dem insbesondere Tagelöhner und Sklaven ausgesetzt waren. Die Einfärbung des Arbeitsbegriffs mit der Bedeutung von Mühe und Unfreiheit signalisierte eine Akzentverschiebung im Wertegehalt. Die antike Polis-Wirtschaft unterschied scharf zwischen unfreier körperlicher Arbeit und der eher geistigen Tätigkeit frei handelnder Menschen, die über Arbeitskräfte für „niedere" körperliche Tätigkeiten disponieren konnten.[4] Diese Dualität des Arbeitsbegriffs wurde in der Reformationszeit aufgebrochen. Zumindest in der Perspektive des aufkommenden Bürgertums und der zünftigen Handwerker erfuhr Arbeit jetzt gewissermaßen eine Veredelung zur Berufung; Berufsarbeit galt nunmehr als sittliche Pflichterfüllung.[5]

Die Aufklärung negierte einen religiösen Bezug der Arbeit, wie er von den Protagonisten der Reformation formuliert worden war. Den Durchbruch zu einem modernen Arbeitsbegriff vollzog der Begründer der klassischen Nationalökonomie, Adam Smith, der in seinem Werk über den „Wohlstand der Nationen" menschliche Arbeit und Arbeitsteilung als dessen Quelle beschrieb.[6] Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts heraufziehende industrielle Revolution ging einher mit der Entfaltung des Wirtschaftsliberalismus. Arbeit und Arbeiterschaft unterlagen einem zunehmenden Druck zur Arbeitsteilung, Spezialisierung und zur Positionierung auf Arbeitsmärkten. Die hier angebotene „freie" Arbeit, genauer: die Arbeitskraft oder das Arbeitsvermögen wurden zur Ware, mit allen Risiken, die ein Markt bot. Nicht zufällig lag hier der Ausgangspunkt der „sozialen Frage", die seither vor allem eine Arbeiterfrage blieb.[7]

Das Bild der modernen Arbeitswelt wurde und wird durch abhängige Erwerbsarbeit bestimmt. Diese wiederum bildete die Grundlage für das Entstehen der Arbeiterbewegungen, auf die hier jedoch nicht näher einzugehen ist. Erwerbsarbeit im Fabrikzeitalter lief im Wesentlichen auf ein Normalarbeitsverhältnis hinaus, also auf die Ausübung einer oft beruflich qualifizierten Tätigkeit im Rahmen eines vollen Arbeitstages von zwölf, zehn und später acht Stunden, und dies an sechs, dann an fünf Tagen in der Woche.[8] Jürgen Kocka hat dazu angemerkt: „Das ‚Normalarbeitsverhältnis' war selten normal."[9] Das gilt nicht nur für die oft fragilen Arbeitsformen der vorindustriellen Zeit, sondern auch für die prekären Arbeitsverhältnisse der Gegenwart.

Mit Blick auf die technische Entwicklung und die fortschreitende Rationalisierung hatte Hannah Arendt bereits Ende der 1950er-Jahre prophezeit, der Arbeitsgesellschaft werde die Arbeit ausgehen, und eine „Gesellschaft von Jobholdern" drohe zu entstehen.[10] Der Bruch trat dann auch tatsächlich ein, allerdings kamen andere Gründe hinzu. Als Ende der 1960er-Jahre der Nachkriegsaufschwung der Wirtschaft auslief und 1973/1974 der Ölpreisschock eintrat, stieg die Arbeitslosigkeit in den westeuropäischen Ländern deutlich an.[11] In der Bundesrepublik überschritt sie 1975 die Millionengrenze, während sich die Zahl der Kurzarbeiter/innen auf nahezu eine Dreiviertelmillion erhöhte. Von da an kam jene anhaltende Eskalation der Erwerbslosigkeit in Gang, in deren Folge jede Rezession in Westeuropa höhere Arbeitslosenzahlen hinterließ als die vorangegangene.[12] Das von Robert Castel am französischen Beispiel eingeführte Bild vom Bruch einer bis dato aufsteigenden Verlaufskurve kommt der Realität jener Jahre sehr nahe.[13] Wachsende Arbeitslosigkeit und die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse auf der einen Seite, steigende Arbeitsbelastung auf der anderen, sind Merkmale dieser Entwicklung.

Der springende Punkt liegt freilich außerhalb dieses Bezugssystems. Er ist in jener sozialen Schicht zu lokalisieren, die Castel die „Überzähligen" nennt.[14] Dahinter steht die Frage, was passiert, wenn wachsende Produktivität oder auch der Verlust der Konkurrenzfähigkeit in volkswirtschaftlichen Dimensionen zum dauerhaften Verlust von Arbeitsplätzen und zum Ausschluss, mitunter auch zum Rückzug größerer Bevölkerungsgruppen von regulärer Erwerbsarbeit führt. Kündigt sich damit wirklich das Ende der Arbeitsgesellschaft an? Verschwinden die Arbeiter/innen aus der Geschichte? Solche Fragen tangieren die Forschung zur Arbeitergeschichte insofern, als im Zuge der digitalen Revolution tatsächlich einige Trends in diese Richtung weisen und traditionelle Formen der Arbeit wie die Arbeiter/innen selbst an die Peripherie zu drängen scheinen.

Forschungsgegenstand und geschichtswissenschaftliche Disziplin

Der in der modernen Arbeitergeschichtsforschung verwendete Arbeitsbegriff orientiert sich im Wesentlichen an Arbeitssituationen der Hochindustrialisierungsperiode. Er weist volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, soziale, technische und kulturelle Dimensionen auf:

Die volkswirtschaftliche Perspektive erfasst Arbeit als einen Produktionsfaktor, der auf die Erzeugung von Wirtschaftsgütern zielt.[15] Arbeit untergliedert sich demnach in (1.) die Gewinnung von Rohstoffen, (2.) deren Verarbeitung, (3.) Handel und Transport und (4.) Steuerung des Wirtschaftsprozesses. In der betriebswirtschaftlichen Perspektive untergliedert sich Arbeit in produzierend-ausführende sowie in leitende, verwaltende und planende Tätigkeiten. In sozialer Hinsicht ist zwischen selbstständiger Arbeit auf eigene Verantwortung und Rechnung und unselbstständiger Arbeit im Auftrag und auf Anweisung eines Unternehmers bzw. Leiters zu unterscheiden. Unter technischen Gesichtspunkten wird man von Handarbeit, Handarbeit mit Werkzeugen (Muskel-, Natur- und Maschinenkraft), Arbeit an Maschinen, Beaufsichtigung von Maschinen und Automaten und schließlich von Hilfsleistungen für und Pflege von Automaten zu sprechen haben. Diese Perspektiven sind allerdings nur bedingt geeignet, um zwischen manueller und geistiger Arbeit zu unterscheiden.

Unter den Bedingungen der Industrialisierung, von der hier als ein seit dem 18. Jahrhundert in Schüben oder Phasen verlaufender, aber zusammenhängender Gesamtprozess die Rede sein soll, haben sich Inhalte und Formen der Arbeit gewandelt und weiter ausdifferenziert. Während Arbeitswissenschaft und Arbeitsmarktforschung seit dem Ausbruch der Beschäftigungskrise in den 1970er-Jahren und unter dem Einfluss einer um sich greifenden „Computerisierung" der Arbeitswelt zunehmend sensibler auf die humanitären und sozialen Konsequenzen des Problems reagierten,[16] blieb die Arbeitergeschichtsschreibung demgegenüber stärker auf die Arbeiterbewegungsgeschichte bzw. die politische Geschichte fixiert. Der naheliegende inhaltliche und methodische Brückenschlag zur Technikgeschichte gelangte kaum über einzelne Behelfsstege hinaus. Auch konnte sich das Konzept einer Technikgeschichte als Geschichte der Arbeit nicht durchsetzen.[17]

Wenn Arbeiter/innen zum Gegenstand historischer Forschung werden, dann rückt zugleich die Arbeit als Hauptform ihres sozialen Handelns mit ins Zentrum der Betrachtung. Es ist deshalb notwendig, Arbeit nach Struktur und Funktion zu differenzieren, um zu vergleichen und zuzuordnen, damit Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbeziehungen definiert werden können. Relativ klar unterschieden sind Hand- und geistige Arbeit, die unentgeltlich erbracht oder mit Waren bzw. Geld entgolten wird. Unentgeltliche oder nichtkommerzielle Arbeit tritt in archaischen Formen ebenso wie in der Subsistenzwirtschaft und bei der Hausarbeit auf und findet sich auch bei ehrenamtlicher Tätigkeit oder staatlich veranlasster Dienstverpflichtung. Eine Sonderform stellen die verschiedenen Arten von Zwangsarbeit dar. Bei der entgeltlichen Arbeit handelt es sich um Erwerbsarbeit, jene Form also, um die es hier vor allem geht. Sie kann selbstständig oder abhängig geleistet werden. Das jeweilige Spektrum ist sehr breit und reicht im ersten Fall vom Unternehmer bis zum auf Werkvertragsbasis Beschäftigten; im zweiten Fall vom Arbeiter bis zum Beamten im öffentlichen Dienst, deren Tätigkeit jeweils durch Arbeits- bzw. Dienstverträge geregelt ist.

Die in Deutschland üblichen Begriffe „Arbeitgeber" und „Arbeitnehmer" pervertieren die realen Verhältnisse und Arbeitsbeziehungen. Sie zogen nicht nur marxistische Kritik auf sich, sondern wurden auch aus der Perspektive der katholischen Soziallehre in Frage gestellt. Der Gewerkschafter Udo Achten meint: „Die Begriffe werden vertauscht. Der, der seine Arbeit gibt, wird zum Nehmer und der, der sie sich nimmt, wird zum Geber – Geben ist seliger als Nehmen. Das ist Ausdruck eines Herrschaftsverhältnisses, auch wenn es oft bestritten wurde und wird – besonders von jenen, die die Macht ausüben."[18]

Arbeitergeschichte zielt in der Hauptsache auf eine Personengruppe, die abhängiger Erwerbsarbeit nachgeht. Das Forschungsfeld hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark aufgegliedert, wobei die Geschichte der Arbeiter/innen mit der Geschichte der Arbeit, der Arbeiterbewegungen, der Arbeitermilieus, ihrer Kulturen und sozialen Strukturen, aber auch mit der Wirtschafts- und Technikgeschichte eine enge Beziehung eingegangen ist. Die ältere mehr als die neuere Literatur setzte in diesem Themenkreis einen Akzent auf die oft idealtypisch konturierte Figur des „Arbeiters" als Akteur und Objekt der Arbeiterbewegungsgeschichte. Im unterschiedlichen Maße wurde dabei der Blickwinkel auf die Lebensumstände und Arbeitsbedingungen ausgeweitet. Die Arbeit selbst als physischer und intellektueller Prozess, als Lebensäußerung des „Arbeiters" blieb demgegenüber irgendwie im Halbschatten, es sei denn, besonders skandalöse und damit konfliktträchtige Arbeitsumstände weckten das Interesse. Unspektakuläre, Tag für Tag wiederholte Arbeitsverrichtungen jedoch wurden, wenn überhaupt, eher knapp referiert. Gleichwohl bildet genau diese Form von Arbeit die zentrale Achse der Arbeiterexistenz.

Die Anfänge der Arbeitergeschichte als Forschungsdisziplin sind eng mit der industriellen Revolution verknüpft. Einer der frühen Protagonisten der Arbeitergeschichte, Friedrich Engels, konstatierte: „Die Geschichte der arbeitenden Klasse in England beginnt mit der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Maschinen zur Verarbeitung der Baumwolle." England sei „das klassische Land" dieser Entwicklung und „ihres hauptsächlichsten Resultates, des Proletariats".[19]

Diese Entwicklung hatte Parallelen auf dem europäischen Kontinent und in Nordamerika – zeitversetzt zwar, aber im Ablauf ähnlich. Während die industrielle Revolution in England etwa auf den Zeitraum 1760-1830 zu datieren ist,[20] folgte Frankreich ca. 1780-1850,[21] für Deutschland und die USA darf man von ungefähr 1800-1860 ausgehen,[22] in Russland setzte eine nennenswerte, allerdings stark verinselte Industrialisierung zwischen etwa 1840 bis 1880 ein.[23]

Im europäischen Revolutionszyklus um 1848 bildete die „soziale Frage" bereits eine zentrale Komponente. Schon im frühen 19. Jahrhundert hatte der Begriff in den politischen Sprachgebrauch Eingang gefunden. Vor allem das Problem des Pauperismus als Folge der Industrialisierung spielte hierbei eine Rolle. Der Anspruch, die sozialen Probleme der Modernisierung lösen oder auch nur mildern zu können, inspirierte in England und Frankreich teils eher konservative, teils eher liberale Politikmodelle. Gewissermaßen zwischen ihnen etablierte sich die besonders in Deutschland einflussreiche, vom akademischen Bürgertum getragene Bewegung der Sozialreform.[24] Vor allem aber bot das Problem einen Ansatzpunkt für die Arbeiterbewegungen des industriellen Zeitalters, in dem die soziale Frage im Wesentlichen zu einer Arbeiterfrage gerann. Um die Mitte der 1840er-Jahre bis zum Revolutionsjahr 1848 gingen unter starkem französischen Einfluss im politischen Sprachgebrauch die Worte „sozial" und „politisch" eine auffällige Liaison ein.[25] Die soziale Lage der Arbeiter stand im Mittelpunkt dieses Diskurses. Im März 1948 forderten Berliner Arbeiter vom preußischen König ein Ministerium für Arbeiter, das sich nur aus Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeiterschaft zusammensetzen sollte.[26] Es gehörte zum Lerneffekt von „1848", das Soziale je nach Interessenlage und mit mehr oder weniger Geschick in die Strategien politischen Handelns zu integrieren. Das, was später „Sozialpolitik" genannt wurde, begann sich zu dieser Zeit in spannungsvoller Wechselbeziehung zur aufkommenden Arbeiterbewegung als eigenständiges Politikfeld zu konstituieren.[27]

Arbeitergeschichte als Gegenstand gesellschaftskritischer Reflexion und historischer Forschung war in diesem Kontext von vornherein politisch aufgeladen. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts publizierten Studien zur Arbeiterbewegung und zur Arbeiterklasse, zu Gewerkschaften und Arbeitskämpfen, Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht, Fürsorge- und Sozialpolitik, zur Entstehung und Entwicklung sozialistischer und kommunistischer Parteien, zur Arbeiterkulturbewegung, Frauenfrage und Gleichberechtigung wie auch zu ethnischen Aspekten der Arbeiterbewegung entstanden in einem politischen Umfeld, das von den Bestrebungen um die Emanzipation der Arbeiterschaft bestimmt war.[28]

Ohne dass es sich um geschichtswissenschaftliche Arbeiten gehandelt hätte, wird man unter den einflussreichen Titeln, die das Arbeiter-Thema aus ökonomischer und soziologischer Sicht beleuchteten, Marx' Hauptwerk „Das Kapital" nennen müssen,[29] das neben theoretisch-systematischen Erörterungen anhand einer umfangreich rezipierten Sekundärliteratur viele Beispiele zur Situation der Arbeiterschaft um die Jahrhundertmitte enthält.

Erheblichen Einfluss auf die Institutionalisierung der Arbeitergeschichte als akademisches Forschungsthema erlangten die beiden Mitbegründer der London School of Economics and Political Science und der britischen Labour Party, Sidney und Beatrice Webb, mit ihren Untersuchungen zur Armut, zu den industriellen Beziehungen, zum Bildungswesen, vor allem aber mit ihrer Geschichte des „Trade Unionism" und des Sozialismus.[30]

In Deutschland hatte der Pfarrer Paul Göhre gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Form eines Erlebnisberichts den Versuch einer Innenansicht der Arbeiterklasse gewagt.[31] In dieser Tradition entstanden seit den 1970er-Jahren Reportagen des deutschen Schriftstellers Günter Wallraff, Mitinitiator des Werkkreises „Literatur der Arbeitswelt".[32] Das Genre erfuhr bereits in der frühen Sowjetunion durch den Schriftsteller Maxim Gorki einen kräftigen, wenngleich methodisch wenig reflektierten Anstoß. In der Parteizeitung „Prawda" schrieb Gorki 1931 mit Pathos: „Jetzt ist die Zeit gekommen, da ihr, Genossen, die neue Geschichte schaffend, sie auch mit Hilfe jener Hand und jenes Verstandes schreiben müßt, die euch zum Herrn des riesigen und reichen Landes gemacht hat. […] ‚Die Geschichte der Fabriken und Werke' – das wird die Geschichte eurer Arbeit in Vergangenheit und Gegenwart sein."[33] Dieser Initiative war ein zumindest in quantitativer Hinsicht beachtlicher Erfolg beschieden.[34]

Ohne darauf näher eingehen zu können, verdient der in den 1960er-Jahren einsetzende Schwenk der sowjetischen Arbeitergeschichte zu sozialhistorischen Forschungsansätzen Beachtung. In den 1970er-Jahren erschienen beispielsweise die Strukturanalyse der russischen Arbeiterschaft des Jahres 1918[35] und sechs Bände der auf sieben Bände konzipierten Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung, die der sozialen Lage und den sozialen Kämpfen der Arbeitenden jenseits der sowjetischen Politikrhetorik relativ breiten Raum einräumte.[36]

In jüngeren, hier auch nur exemplarisch zu nennenden Arbeiten dominiert das Interesse an der Arbeiterschaft in Industrialisierungsprozessen sowohl der vorrevolutionären Periode als auch der Sowjetzeit.[37] Darüber hinaus zeichnet sich, auch unter Berücksichtigung der postsowjetischen Transformation, ein Forschungstrend ab, der auf ein besseres Verständnis informeller bzw. subsidiärer Strukturen der Arbeiterexistenz zielt; dabei geht es auch um die Rolle der Familie in modernen Arbeitsgesellschaften.[38] Diese Tendenz ist bemerkenswert, weil sie auf der Höhe eines aktuellen Forschungsdiskurses steht,[39] ohne dass sie in westlichen Ländern entsprechend registriert worden wäre. Sie korrespondiert allerdings, wie noch zu zeigen ist, mit der jüngeren chinesischen Forschung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere in den 1950er- und 60er-Jahren, erlangten einige britische Historiker mit marxistisch inspirierten Forschungen erheblichen Einfluss auf die Arbeitergeschichtsschreibung. Zu nennen sind in erster Linie Edward Palmer Thompson,[40] Christopher Hill,[41] Eric Hobsbawm,[42] und Raymond Williams.[43]

In Frankreich setzte das von Claude Willard herausgegebene dreibändige Werk „La France ouvrière"[44] Maßstäbe.[45] Für Kanada ist u.a. ein von MacDowell und Radforth herausgegebener Band zu nennen.[46] Die überaus vitale Forschungsszene der USA diskutierte in jüngerer Zeit die Perspektiven der Arbeitergeschichte und des Klassenkonzepts.[47] Was nun China angeht, stößt die eurozentrische Perspektive alsbald auf die Grenzen ihres Erklärungsvermögens. Soweit man das aus der Ferne und in der Regel anhand von Informationen aus zweiter Hand zu beurteilen vermag, rezipiert die chinesische Arbeitergeschichtsschreibung die westliche Diskussion, ohne sie zu adaptieren. Für die Zeit bis 1949 werden ihre Themenschwerpunkte von der europäischen Intervention in der Endphase des Kaiserreichs, von der japanischen Aggression und vom Bürgerkrieg bis hin zur Gründung der Volksrepublik bestimmt. Als Pionierarbeit hierzu gilt noch immer die aus einer konventionell-westlich-marxistischen Perspektive verfasste und 1962 erstmals veröffentlichte Studie Jean Chesneaux' zur chinesischen Arbeiterbewegung zwischen 1919 und 1927.[48] Die originäre chinesische Arbeitergeschichtsschreibung ist vorrangig als Arbeiterbewegungsgeschichte konzipiert und eng mit der Historiografie zur Geschichte der Kommunistischen Partei verwoben. Exemplarisch hierfür wäre die sechsbändige Publikation „Die Arbeiterbewegung in China" aus dem Jahr 1998 zu nennen.[49]

Da die Kenntnis des Han-Chinesischen in Europa (noch) nicht allzu verbreitet ist, lohnt die Lektüre des von Shiling McQuaide verfassten Essays über Wandel und Kontinuitäten in der chinesischen Arbeiter-Historiografie.[50] Das Interessenspektrum der postmaoistischen Geschichtsschreibung weist mit sozialen Formierungsprozessen der Arbeiterklasse, Bildung und Gewerkschaften Schwerpunkte auf, die auch denen der europäischen Arbeitergeschichte entsprechen. Anders als hier spielen aber bei den chinesischen Autoren Fragen nach den sozialen und kulturellen Traditionen, dem Stadt-Land-Konnex, nach dem Problem der Wanderarbeiter sowie nach der Funktion der Familie eine wesentliche Rolle. In einem anderen Licht erscheint auch die Kommunistische Partei. Etwas zuspitzend ließe sich sagen: Die chinesische Arbeiterklasse erscheint hier eher als Kreation der Partei, als dass die KP aus der Arbeiterschaft hervorgegangen wäre, was tatsächlich auch nicht der Fall war. Resümierend hebt McQuaide hervor, dass in China die Verbindung zwischen historischer Interpretation und Politik direkt und offensichtlich sei – mit ambivalenten Konsequenzen.[51] Unabhängig davon lässt sich feststellen: Während der Arbeitergeschichtsschreibung in Europa der Gegenstand zu zerrinnen scheint, befindet er sich, wie ein Blick auf die Arbeitsstatistik zeigt, in China im zügigen Wachstum.

Im doppelten Nachkriegsdeutschland entspann sich seit den späten 1950er-Jahren eine Ost-West-Konkurrenz um die Arbeitergeschichte, wobei die DDR mit der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden zunächst einmal die Nase vorn hatte.[52] Hier ging es vor allem um den historischen Legitimationsanspruch und die Deutungshoheit der SED über die Arbeiterbewegungsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert. Ein eigenes Gleis besetzte Jürgen Kuczynski mit seiner „Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus" und der „Geschichte des Alltags des deutschen Volkes".[53] Seit Ende der 1960er-Jahre entstand an der Leipziger Universität ein Forschungsschwerpunkt, aus dem eine Reihe von Publikationen zur Arbeitergeschichte der DDR hervorging.[54] Diesen Aktivitäten auf der DDR-Seite setzte in der Bundesrepublik eine um Gerhard A. Ritter versammelte Autorengruppe eine mehrbändige „Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts" entgegen.[55]

Im Sog dieses Forschungstrends, aber auch in einer gewissen Konkurrenz zu ihm, kristallisierten sich in Westeuropa, teils aus den USA angestoßen, mit Konzepten der Geschichte „von unten", des gendering oder auch des linguistic und iconic turn Forschungsalternativen heraus, die neue Perspektiven zu öffnen suchten. Vielfach handelte es sich um eher kurzfristige Trends. Breiteren Einfluss erlangte das von Alf Lüdtke aus der älteren Literatur aufgenommene „Eigen-Sinn"-Paradigma, das speziell auf die Arbeitergeschichte zugeschnitten war.[56] Auch die in Deutschland vor allem von Lutz Niethammer, Alexander von Plato und Dorothee Wierling erarbeiteten „Oral-History"-Studien fanden beträchtliche Resonanz, nicht zuletzt als methodisches Vorbild für zahlreiche Qualifizierungsschriften.[57]

Im Urteil über solche Forschungszugänge wird man sich vor Pauschalierungen hüten müssen. Gleichwohl spricht manches dafür, in ihnen einen Reflex auf die um 1970 aufflackernde und wenig später manifest gewordene Verunsicherung der westlichen Arbeitsgesellschaften zu sehen. Im europäischen und vor allem im deutschen Fokus schien sich wenig später ein Niedergang oder zumindest eine größere Konjunkturdelle der Arbeitergeschichte als geschichtswissenschaftliche Zweigdisziplin abzuzeichnen. Nach dem Zusammenbruch des „Realsozialismus" in Mittel- und Osteuropa verstärkte sich diese Tendenz, weil Arbeiter- und Arbeiterbewegungsgeschichte in den Transformationsstaaten als kommunistisches Relikt galt und zum Teil auch noch gilt. In begrenztem Umfang boten allerdings die am Institut für soziale Bewegungen in Bochum und am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam bearbeiteten Forschungsvorhaben die Möglichkeit, Fragen der Arbeitergeschichte in den Ländern des sowjetischen Blocks zwischen 1945 und 1989 zu diskutieren.[58]

Inzwischen liegt aber der wichtigere Punkt auf einer anderen Ebene: Die seit den 1970er-Jahren kolportierten Thesen einer „Postmoderne" bzw. eines „Postindustrialismus" erweckten den Eindruck, als ginge das Industriezeitalter zu Ende und die Arbeitergeschichte bliebe im Wesentlichen auf das 19. und 20. Jahrhundert beschränkt. Will man dahinter nicht eine technikfeindliche oder -pessimistische Fehlinterpretation vermuten, wäre eine andere Erklärung in einer auf westliche Industrieländer verengten Perspektive zu suchen. Tatsächlich ist aber im globalen Maßstab von einem Rückgang der Industrieproduktion oder gar von einem Niedergang der Industrien, nicht einmal der „alten", wenig zu erkennen. Das überrascht schon angesichts des Bevölkerungswachstums nicht. Manuel Castells kommentierte sarkastisch: Als „die Analysten in den 1980er Jahren die De-Industrialisierung Amerikas oder Europas verkündeten, übersahen sie einfach, was im Rest der Welt passierte".[59] Auch die sogenannte Tertiärisierung,[60] die Ausweitung des Dienstleistungssektors gegenüber Industrie und Landwirtschaft, erweist sich als gar nicht so eindeutig.[61] Im Hinblick auf die USA machten Stephen Cohen und John Zysman auf den hohen Anteil von Dienstleistungen aufmerksam, der unmittelbar mit der Industrie verbunden sei – und erklärten die Existenz einer postindustriellen Ökonomie schlichtweg zu einem Mythos.[62]

So gewiss es in den Zentren des nordatlantischen Raumes De-Industrialisierung gab, vor allem im Bereich der „alten" Industrien, so begründet kann man von einem gegenläufigen Doppelprozess der Neuindustrialisierung sprechen. Dabei geht es zum einen um den industriellen Aufstieg so wichtiger „Schwellenländer" wie Brasilien, China und Indien, zum anderen – im Zeichen einer extrem kurzsichtigen Shareholder-Value-Philosophie – um den Export von Industriearbeitsplätzen in sogenannte Niedriglohnländer. Die Konsequenzen für die Arbeitergeschichte sind inzwischen auch in der Historiografie zu besichtigen, so in den von Marcel van der Linden vorgetragenen Überlegungen zu einer „Global Labour History".[63]

Forschungseinrichtungen, Archive und Bibliotheken

Einige Schlaglichter mögen die heutige Forschungslandschaft der Arbeitergeschichte beleuchten. An erster Stelle ist wohl das Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis (IISG) zu nennen.[64] Dieses zur Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften gehörende Forschungsinstitut mit Sitz in Amsterdam entstand 1935 auf Initiative von Nicolaas Posthumus und diente ursprünglich als „Rettungsboot" für die durch den deutschen Nationalsozialismus gefährdeten Archiv- und Bibliotheksbestände der Arbeiterbewegung. Es gilt als eines der wichtigsten sozialgeschichtlich orientierten Dokumentationszentren; im zweijährigen Rhythmus veranstaltet es die European Social Science History Conference. Auch die International Association of Labour History Institutions (IALHI) hat hier ihren Sitz.[65]

Um Wissenschaftskontakte über den Eisernen Vorhang hinweg zu organisieren, wurde 1964 in Wien die Internationale Tagung der Historiker der Arbeiterbewegung (IHT) ins Leben gerufen. Nachdem sich dieser Daseinszweck um 1989/1990 erledigt hatte, stand die IHT vor der Notwendigkeit einer Neuorientierung. Sie firmiert heute mit rund 100 korporativen Mitgliedern als Internationale Tagung der HistorikerInnen der Arbeiter und anderer sozialer Bewegungen[66] und widmet sich mit ihren Jahrestagungen sowie mit ihrer Beteiligung an anderen Konferenzen unter dem Schwerpunkt „Global Labour History" vor allem einer international vergleichenden „Geschichte der abhängig Arbeitenden, ihrer Organisierung und verwandter sozialer Bewegungen weltweit".[67]

Das Institut für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum (ISB) ist die im europäischen Umfeld wohl wichtigste universitäre Forschungseinrichtung mit dem Schwerpunkt Arbeitergeschichte.[68] Zusammen mit der Bibliothek des Ruhrgebiets und dem Archiv für soziale Bewegungen ist es im wissenschaftlichen Leben durch Lehre, Forschung, Tagungen und Publikationen (drei Schriftenreihen und ein Mitteilungsblatt) präsent.

Das Centre d'histoire du travail (CHT) in Nantes entstand 1980 im Ergebnis einer universitären und gewerkschaftlichen Initiative in Verbindung mit lokalen Gruppen des Departements Loire-Atlantique.[69] Es nannte sich ursprünglich Centre de documentation du mouvement ouvrier et du travail (CDMOT). Zu seinen Beständen zählen neben einer Bibliothek auch Archivfonds unterschiedlicher Provenienz, darunter des CDA (Centre de documentation anarchiste). Es gibt Arbeiten zur lokalen Arbeitergeschichte und jährlich ein Informationsbulletin heraus.

Relativ neuen Datums sind die 1995 gegründete Vereinigung indischer Arbeitshistoriker/innen (Association of Indian Labour Historians),[70] die besonders die informellen und öffentlichen Sektoren der Arbeitswelt, die industriellen Beziehungen und die Geschichte der Arbeiterbewegung im Blick hat,[71] und das 2000 von regionalen Gruppen (Grupo de Trabalho) innerhalb des brasilianischen Historikerverbands ANPUH gebildete Projektnetzwerk „Welten der Arbeit" (Mundos do Trabalho),[72] das sich vor allem der Arbeiterbewegungsgeschichte widmet. Tendenziell in ähnliche Richtung scheinen Forschungsbemühungen in Afrika zu gehen.[73] Hier ist an erster Stelle die Association of Southern African Labour Historians zu nennen.

In der infrastrukturellen Landschaft der Arbeitergeschichtsschreibung stellten die in der Regel bis 1989 existierenden Bibliotheken und Archive der Partei-Institute für Marxismus-Leninismus bzw. für Gesellschaftswissenschaften in den sozialistischen Ländern einen Sonderfall dar. Ihre Bestände wurden, soweit das zu überblicken ist, den jeweiligen nationalen Zentralarchiven übergeben, oder sie gehören, wie im Fall der russischen Föderation, einem eigenständigen Nachfolgeinstitut. Das östliche Mitteleuropa erweist sich derzeit für Arbeiterhistoriker/innen als ein schwieriges Terrain, teils wegen mangelnder Ressourcen, teils aus politischen Gründen.[74]

Nicht in diese Reihe von Forschungs- bzw. forschungsunterstützenden Einrichtungen gehört die Internationale Arbeitsorganisation (IAO)/International Labor Organization (ILO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf.[75] Im Jahr 1919 als selbstständige Organisation des Völkerbundes gegründet, ist sie seit 1946 mit der UNO verbunden.[76] Sie wird hier trotzdem erwähnt, denn neben ihrer Kernaufgabe, zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und sozialen Leistungen, zur Erschließung neuer Beschäftigungsformen und zur Hebung des Lebensstandards arbeitender Menschen beizutragen, unterstützt sie auch wissenschaftliche Arbeiten, Tagungen und Publikationen, deren Themen in nicht wenigen Fällen den Bereich der Arbeitergeschichte tangieren.

Perspektiven der Arbeitergeschichte

Der gegenwärtige Stand der Forschungen zur Arbeitergeschichte in Deutschland und Europa wird quer durch die Literatur zumindest als konjunkturelle Delle beschrieben. Doch steckt offenbar mehr dahinter. Andreas Eckert etwa spricht mit Blick auf die historisch orientierte sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung zur „Arbeit" in den westlichen Industrieländern von einer gewissen Ratlosigkeit.[77] Der Befund dürfte zutreffen, besonders, wenn man eine Krise moderner Arbeitsgesellschaften unterstellt. Vor deren Hintergrund wandert der Fokus des Forschungsinteresses von einer Geschichte der Arbeiter/innen über die Geschichte der Arbeit, die Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbeziehungen eingeschlossen, hin zur Nicht-Arbeit und endlich zur Geschichte der „Überzähligen".[78] So gesehen und sehr zugespitzt formuliert, würde Arbeitergeschichte tendenziell zu einem historisch abgeschlossenen Forschungsgegenstand.[79] Gleichwohl spiegeln sich in einem solch pessimistischen Bild weder der Gesamtzustand der Disziplin noch ihre generelle Tendenz in adäquater Weise.

Jenseits der eurozentrischen Perspektive hat man es mit anderen Situationen zu tun, wie sie in Ost- und Südasien, auch in Lateinamerika zu beobachten sind. Dort liegen die industriellen Boomregionen der Gegenwart und der absehbaren Zukunft. Dorthin wandern nicht nur in Europa aufgegebene Industriearbeitsplätze und Technologien; es etablieren sich auch neue Industriezentren und – wie die skizzenhafte Übersicht von Forschungsaktivitäten zu zeigen versuchte – Schwerpunkte der Arbeitergeschichtsschreibung.

Der Vorgang wird in jüngerer Zeit unter dem Signum der transnationalen oder auch der globalen Arbeitergeschichte diskutiert.[80] In der Praxis liefen solche Ansätze eher auf eine „Histoire parallele" hinaus, vielleicht auch auf grenzüberschreitende Konfliktszenarien und andere Interaktionen. Die Frage ist jedoch, ob dies den Kern des Problems trifft. Skepsis ist hier angebracht. Nach wie vor spielt sich vieles in nationalen Kontexten ab, selbst wenn politische und wirtschaftliche Integrationsprozesse wie im Fall der EU formal weit gediehen sind. Andererseits sind transnational agierende Banken und Konzerne der Kontrolle und dem Einfluss des Staates wie der Gewerkschaften weitgehend entzogen. Unter Berücksichtigung dieser für die Arbeitergeschichte überaus relevanten Umstände sind fünf Punkte anzumerken:

Erstens ist nicht zu bezweifeln, dass der Gegenstand der Arbeitergeschichte im Ergebnis der formellen Dekolonisierung und der Bildung neuer Staaten, der Verbreitung internationaler Konzerne, der Vertiefung von wirtschaftlichen und politischen Integrationsprozessen von Staaten, der Intensivierung von Handelsbeziehungen und des Kulturaustauschs, des Tourismus und der Migration eine räumliche wie thematische Ausweitung erfahren hat. Nur vollziehen sich diese Entwicklungen nicht als allgemeine Ausdehnung einer vorhandenen Arbeitswelt. Das Entstehen neuer industrieller Zentren, die immer mehr auch zu neuen Machtzentren werden, und der Niedergang der „alten" Industriemächte passen nicht ins Bild einer sich wie ein Naturereignis ausbreitenden Globalisierung, von der alle gleichermaßen erfasst werden. Es gibt auch hier Gewinner und Verlierer, wie es sie schon immer in der Geschichte gab. Der Nationalstaat bietet nach wie vor den entscheidenden Handlungs- und Entwicklungsrahmen, denn allein er „zeigte sich im Ernstfall handlungsfähig".[81] Kann er das nicht, wird er unter die Räder kommen. Denn Globalisierung heißt auch, dass sich die Gravitationszentren der Weltwirtschaft und der internationalen Politik verlagern, während ihr Kampf um die Hegemonie keinen Winkel der Welt mehr auslässt. Das Paradigma von Zentren und Peripherien ist also nicht aufgehoben. Daran dürfte sich die Geschichte der Arbeit und der Arbeiter/innen auch künftig zu orientieren haben. Dass die Zeit nationaler Alleingänge vorbei sei, wie Ulrich Beck meint, wird sich noch erweisen müssen.[82] Dass die einzige übrig gebliebene Supermacht aus der Zeit des Kalten Krieges nicht mehr kann, wie sie will, ist hierfür noch kein Beweis, denn jenseits des Pazifiks steht eine neue bereit.

Zweitens wirft die derzeitige „digitale" Phase der industriellen Revolution die Frage nach den Konsequenzen für verschiedene Formen von Erwerbsarbeit und damit für die Arbeitergeschichte auf. Hier stehen Ausdifferenzierungen in der Qualifikationsstruktur, Arbeitslosigkeit in vielen Bereichen, soziale Prekarisierung und die Anomie ganzer Gesellschaften zur Debatte. Das sind Themenfelder einer modernen Arbeiter-Historiografie; denn hier handelt es sich um die an Bedeutung gewinnende Kehrseite der Arbeiterexistenz. Neu daran ist, dass es dabei nicht mehr um temporäre oder Randphänomene geht, sondern um verbreitete und dauerhafte Tendenzen. Diese Tatsache lässt allerdings nach der Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte bzw. nach deren historischen Grenzen fragen. Allem Anschein nach wird sich die Arbeitergeschichte viel stärker mit den Gründen, Formen und Konsequenzen von Nicht-Arbeit zu befassen haben.

Drittens dürfte, hieran anschließend, das Themenfeld der Arbeitskonflikte im engeren Sinne und der sozialen Konflikte im weiteren Sinne eine Konjunktur erfahren. Das gilt vor allem für die Geschichte der oft subtilen Konfliktvarianten, wie sie seit den 1960er-Jahren in den westlichen Industrieländern zunehmend auftraten. Auch könnte die Gewerkschaftsgeschichte bzw. die Geschichte der Interessenvertretung von Arbeiter/innen überhaupt wieder größere Aufmerksamkeit finden. Zu erwarten ist auch eine intensivere Hinwendung zu den durch „Globalisierung" ausgelösten Konflikten, bei denen es etwa um Lohndumping oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen geht. Generell scheint das wissenschaftliche Interesse am Konfliktthema vom jeweiligen Niveau der gesellschaftlichen „Zornmasse"[83] abzuhängen, sodass eine Belebung des Forschungsfeldes in Aussicht steht.

Viertens geht es um die soziale Unterschichtung industrieller Arbeitsgesellschaften durch die Verfestigung des „Prekariats" und durch eine zumeist, aber nicht durchweg aus fremden Kulturkreisen kommende Migration, die durch elementare Notsituationen, Kriege, Klimawandel und durch den noch immer hohen Lebensstandard der „alten" Industrieländer motiviert ist. Aus der Perspektive der Arbeitergeschichte geht es hierbei zunächst um beschäftigungs- und sozialpolitische Konsequenzen, aber auch um Milieus und deren kulturelle Praktiken. Das Thema, das nicht erst neueren Datums ist, gehört zwar nicht zum Kernbereich der Arbeitergeschichte, aber zu deren Rahmenbedingungen. Seine gesellschaftliche Brisanz legt eine angemessene Berücksichtigung nahe.

Ein fünfter Gesichtspunkt betrifft die Geschichte der Arbeit und der Arbeiter/innen als historischen, also zeitlich einzuordnenden Vorgang. Üblich und durchaus legitim ist es, die Entwicklung der Arbeit als sozialen, technischen, ökonomischen und kulturellen Prozess von den europäischen und nordamerikanischen Industriezentren her zu betrachten und mit anderen Teilen der Welt zu vergleichen. Allerdings bleibt dabei, wie Marcel van der Linden einwandte, die „Temporalität" der nordatlantischen Kernregion der Industriegeschichte unberücksichtigt.[84] Sich ausschließlich auf diese Perspektive zu fixieren, hieße, die – wenn man so will – „exotischen" Faktoren industriellen Wachstums unberücksichtigt zu lassen. Dabei finden sich zum Beispiel in Asien, aber auch in Afrika und Lateinamerika Lohnformen, deren Wurzeln nicht im industriellen Kapitalismus liegen, die aber für die Verlagerung von Industriearbeitsplätzen überaus relevant sind.[85]

Solche Perspektiven der Arbeitergeschichte auf einen Nenner zu bringen, wird kaum möglich, aber auch nicht nötig sein. Vielmehr darf man annehmen, dass sich die Forschungsaktivitäten künftig dort bündeln werden, wo die neuen Zentren der Industrie und der industriellen Arbeit zu suchen sind. Aber das wäre im Prinzip nichts Neues.

Empfohlene Literatur zum Thema

Manuel Castells, Das Informationszeitalter, Bd. 2: Die Macht der Identität, Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3224-7.

Manuel Castells, Das Informationszeitalter, Bd. 3: Jahrtausendwende, Campus, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3225-5.

Michael Kittner, Arbeitskampf. Geschichte, Recht, Gegenwart, Beck, München 2005, ISBN 3-406-53580-1.

Jürgen Kocka, Thesen zur Geschichte und Zukunft der Arbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APZ) 21 (2001). ISSN 0479-611x, S. 8-13.

Marcel van der Linden, Workers of the World: essays towards a Global Labour History, Brill, Leiden 2008, ISBN 978-90-04-166837.

Zitation

Peter Hübner, Arbeitergeschichte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010, URL: http://docupedia.de/zg/Arbeitergeschichte

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Anmerkungen

    1. Vgl. Werner Conze, Arbeit, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1: A-D, Stuttgart 1972, S. 154-215; ders., Arbeiter, in: ebd., S. 216-242.
    2. Vgl. Manuel Castells, Das Informationszeitalter, 3 Bde., Opladen 2003.
    3. Raoul Schrott hat zu zeigen versucht, dass die „Fundamente der iliadischen Poetik“ dem mesopotamischen Kulturraum und damit auch dessen Wirtschafts- und Arbeitswelt entstammen. Vgl. Raoul Schrott, Homers Heimat. Der Kampf um Troja und seine realen Hintergründe, München 2008, S. 64.
    4. Hans Frambach, Arbeit im Wandel, in: Udo Achten/Petra Gerstenkorn/Holger Menze (Hrsg.), Recht auf Arbeit – Recht auf Faulheit, Düsseldorf 2007, S. 22 f.
    5. Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Max Weber, Gesammelte Werke, S. 5382 (vgl. Weber-RS, Bd. 1, S. 77-78).
    6. Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 2 Bde., London 1776; (Eine Untersuchung der Natur und Ursachen von Nationalreichthümern, 2 Bde., Leipzig 1776-1778); Karl Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Bd. 13, Berlin 1961, S. 44.
    7. Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, in: MEW, Ergänzungsband 1, Berlin 1968, S. 467-588, hier S. 510-522.
    8. Karl A. Otto, Die Arbeitszeit! Von der vorindustriellen Gesellschaft bis zur „Krise der Arbeitsgesellschaft“, Pfaffenweiler 1989.
    9. Jürgen Kocka, Thesen zur Geschichte und Zukunft der Arbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) B21/2001, S. 8-13, hier S. 9.
    10. Hannah Arendt, Vita Activa oder vom tätigen Leben, München 1981, S. 314.
    11. Anselm Doering-Manteuffel, Nach dem Boom. Brüche und Kontinuitäten der Industriemoderne seit 1970, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ) 55 (2007), S. 559-581.
    12. Gerold Ambrosius, Ursachen der Deindustrialisierung Westeuropas, in: Werner Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte. Umweltverträgliches Wirtschaften in historischer Perspektive, Göttingen 1994, S. 190-221.
    13. Robert Castel, Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit, Konstanz 2000, S. 338-348.
    14. Ebd., S. 348-364.
    15. Artur Woll, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München 111993, S. 239.
    16. Friedrich Buttler, Arbeitsmarktforschung und Arbeitsmarktpolitikberatung in Umbruchzeiten, in: Georg Würtlein/Günter Masopust (Hrsg.), Der Aufbruch in eine gemeinsame Zukunft. Arbeitsverwaltung und Wiedervereinigung. Eine Dokumentation, Nürnberg 2000, S. 213-227.
    17. Lutz Engelskirchen, Technikgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945, in: Wolfgang König/Helmuth Schneider (Hrsg.), Die technikhistorische Forschung in Deutschland von 1800 bis zur Gegenwart, Kassel 2007, S. 337-363, hier S. 357; siehe auch Joachim Radkau, Die Technik des 20. Jahrhunderts in der Geschichtsforschung oder: Technikgeschichte in der Konfrontation mit der Entgrenzung der Technik, in: ebd., S. 305-336.
    18. Udo Achten, Einleitung, in: Achten/Gerstenkorn/Menze (Hrsg.), Recht auf Arbeit, S. 16-21, hier S. 16.
    19. Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England. Nach eigener Anschauung und authentischen Quellen, in: MEW, Bd. 2, Berlin 1962, S. 237.
    20. Edward P. Thompson, The Making of the English Working Class, London 1963 (dt. 1987).
    21. Claude Willard (Hrsg.), La France ouvrière: histoire de la classe ouvrière et du mouvement ouvrier français, Bd. 1: Des origines à 1920, Paris 1995.
    22. Jürgen Kocka, Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, in: Gerhard A. Ritter (Hrsg.), Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 2, Bonn 1990.
    23. Klaus Gestwa, Proto-Industrialisierung in Rußland. Wirtschaft, Herrschaft und Kultur in Ivanovo und Pavlovo 1741-1932, Göttingen 1999; Walther Kirchner, Die deutsche Industrie und die Industrialisierung Rußlands 1815-1914, St. Katharinen 1986.
    24. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1: Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1998, S. 336.
    25. Franz-Xaver Kaufmann, Der Begriff Sozialpolitik und seine wissenschaftliche Deutung, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und Bundesarchiv (Hrsg.), Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 1: Grundlagen der Sozialpolitik, Baden-Baden 2001, S. 3-101, hier S. 18.
    26. Michael Stolleis, Sozialpolitik in Deutschland bis 1945, in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und Bundesarchiv (Hrsg.), Grundlagen der Sozialpolitik, S. 199-332, hier S. 227.
    27. Ebd., S. 219-223.
    28. Lucian Hölscher, Weltgericht oder Revolution. Protestantische und sozialistische Zukunftsvorstellungen im deutschen Kaiserreich, Stuttgart 1989, S. 199-220.
    29. Karl Marx, Das Kapital. Kritik der Politischen Oekonomie, Bd. 1: Der Productionsprozess des Kapitals, Hamburg 1867; Bd. 2: Friedrich Engels (Hrsg.), Der Cirkulationsprocess des Kapitals, Hamburg 1885; Bd. 3: Friedrich Engels (Hrsg.): Der Gesamtprocess der kapitalistischen Produktion, Hamburg 1894. 
    30. Sidney und Beatrice Webb, The History of Trade Unionism, London 1894; dies., Industrial Democracy, London 1897; dies., English Local Government (9 Bde.), London 1906-1929; dies., The Decay of Capitalist Civilization, London 1923; dies., Soviet Communism: A New Civilization? (2 Bde.), London 1935; George Bernard Shaw u.a. (Hrsg.), Fabian Essays, London 1889; Sidney Webb, Socialism in England, London 1890; Beatrice Webb, The Co-operative Movement in Great Britain, London 1891.
    31. Paul Göhre, Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksgeselle, Leipzig 1891.
    32. Günter Wallraff, Wir brauchen Dich. Als Arbeiter in deutschen Industriebetrieben, Berlin 1966; ders., 13 unerwünschte Reportagen, Köln 1969; Bernd Engelmann/Günter Wallraff, Ihr da oben, wir da unten, Köln 1973; ders., Ganz unten, Köln 1985.
    33. Maxim Gorki, Die Geschichte der Fabriken und Werke, in: Prawda, 07.09.1931; zit. nach: Hans Radant, Der Stand der Geschichte der Fabriken und Werke in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2/1960, Berlin 1960, S. 153-199.
    34. Katerina Clark, The History of the Factories as a Factory of History: a Case Study on the Role of Soviet Literature in Subject Formation, in: Jochen Hellbeck/Klaus Heller (Hrsg.), Autobiographical Practices in Russia – Autobiographische Praktiken in Russland, Göttingen 2004, S. 251-278.
    35. В. З. Дробжев, А. К. Соколов, В. А. Устинов: Рабочий класс советской России в первый год пролетарской диктатуры. (Опыт структурного анализа по материалам профессиональной переписи 1918 г.), Москва 1975.
    36. Autorenkollektiv, Die internationale Arbeiterbewegung. Fragen der Geschichte und der Theorie, Bd. 1-6, Moskau 1980-1985.
    37. Бородкин Л.И./Валетов Т.Я.: Жилье фабричного рабочего в период дореволюционной индустриализации: сравнительный анализ архивной документации двух крупных мануфактур, in: Историко-экономические исследования, 8 (2007) 2, S. 122-162; dies., Проблемы стимулирования труда текстильщиков в конце XIX – начале ХХ вв., in: Экономическая история России XVII – XX вв.: динамика и институционально-социокультурная среда, Екатеринбург 2008, S. 156-173; Шильниковой, И.В./Валетов Т.Я.: Рабочий вопрос и итоги 1905 года, in: Cahiers du Monde russe, 48 (2007) 2-3 (avril-septembre); Володин А.Ю.: Фабричная инспекция и борьба министерств финансов и внутренних дел за контроль над рабочим вопросом, in: Петр Андреевич Зайончковский (Hrsg.), Сборник статей и воспоминаний. К столетию историка, Мοсква 2008.
    38. Бородкин Л.И.: Неформальные практики советских рабочих в условиях постсоветской трансформации: типологические аспекты анализа (= Экономическая история. Обозрение; 14), Мοсква 2008; Валетов Т.Я.: Самоорганизованные сезонные бригады (шабашники) в СССР в 1960-1980-х гг.: экономические и социальные аспекты (= Экономическая история. Обозрение; 14), Мοсква 2008; Timur Valetov u.a., The Urban Household in Russia and the Soviet Union, 1900-2000: Patterns of Family Formation in a Turbulent Century, in: The History of the Family 13 (2008), S. 178-194; Timur Valetov, Migration and the Household: Urban Living Arrangements in Late 19th- to Early 20th-Century Russia, in: The History of the Family 13 (2008), S. 163-177.
    39. Exemplarisch die Vergabe eines Wirtschafts-Nobel-Preises 2009 an Elinor Ostrom.
    40. Thompson, The Making of the English Working Class.
    41. Christopher Hill, Reformation to Industrial Revolution: a Social and Economic History of Britain, 1530-1780, London 1968.
    42. Eric Hobsbawm, „Das lange 19. Jahrhundert“: The Age of Revolution: 1789-1848, London 1962 (dt. Europäische Revolutionen: 1789-1848, Zürich 1962); The Age of Capital: 1848-1875, London 1975 (dt. Die Blütezeit des Kapitals. Eine Kulturgeschichte der Jahre 1848-1875, München 1977); The Age of Empire: 1875-1914, London 1987 (dt. Das imperiale Zeitalter 1875-1914, Frankfurt a. M. 1989).
    43. Raymond Williams, The Country and the City, New York 1973. Thompsons Buch zur Entstehung der englischen Arbeiterklasse im 18. und 19. Jh. avancierte zu einem Klassiker der modernen Arbeitergeschichte. Hobsbawm öffnete in drei groß angelegten Werken einen differenzierten Blick auf die Arbeiterbewegungsgeschichte und den Staatssozialismus, vgl. seine den Zeitraum 1789-1914 umfassende Trilogie über das „lange 19. Jahrhundert“: „The Age of Revolution: 1789-1848“, „The Age of Capital: 1848-1875“, „The Age of Empire: 1875-1914“. Dem folgte der ebenfalls groß angelegte Versuch einer Weltgeschichte des „kurzen“ 20. Jahrhunderts 1914-1991, die Hobsbawm in das „Katastrophenzeitalter“ (1914-45), die „goldene“ Wiederaufbauperiode (1945 bis Mitte der 70er-Jahre) und den folgenden „Erdrutsch“ (landslide) untergliederte, vgl. Eric Hobsbawm, The Age of Extremes: A History of the World 1914-1991, London 1994 (dt. Das Zeitalter der Extreme: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts 1914-1991, München 1995).
    44. Claude Willard (Hrsg.), La France ouvrière: histoire de la classe ouvrière et du mouvement ouvrier français, 3 Bde., Paris, 1995, Bd. 1: Des origines à 1920, Bd. 2: De 1920 à 1968, Bd.3: De 1968 à nos jours.
    45. Vgl. auch Ronald Aminadze, Class Analysis, Politics, and French Labor History, in: Lenard R. Berlanstein (Hrsg.), Rethinking Labor History – Essays on the Discourse and Class Analysis, Illinois 1993, S. 90-113.
    46. Laurel Sefton MacDowell/Ian Radforth (Hrsg.), Canadian Working-Class History: Select Readings, Toronto 1992.
    47. Lenard R. Berlanstein (Hrsg.), Rethinking Labor History – Essays on the Discourse and Class Analysis, Illinois 1993; Geoff Eley/Keith Nield, The Future of Class in History: What’s Left of the Social?, Michigan 2002.
    48. Jean Chesneaux, Le mouvement ouvrier chinois de 1919 à 1927, Paris 21999 (1. Aufl. 1962).
    49. Liu Mingkui/Tang Yulang, Zhongguo gongren yundongshi 中国工人运动史 (Die Arbeiterbewegung in China), 6 Bde., Guangzhou 1998.
    50. Shiling McQuaide, Writing Chinese Labour History: Changes and Continuities in Labour Historiography, in: From the Labour/Le Travail, http://www.historycooperative.org/journals/llt/61/mcquaide.html (22.10.2009).
    51. Ebd., S. 13, Abs. 51.
    52. Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.), Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 1-8, Berlin 1966.
    53. Jürgen Kuczynski, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Bd. 1-40, Berlin 1960-1972; ders., Geschichte des Alltags des deutschen Volkes 1600 bis 1945. Studien, Bd. 1-5, Berlin 1980-1982, Bd. 6: Nachträgliche Gedanken, Berlin 1985.
    54. Manfred Bensing, Zur Geschichte der Klassen und Klassenverhältnisse in der DDR. Konzeptionelle, theoretische und wissenschaftsorganisatorische Grundlegungen eines neuen Forschungsschwerpunktes, in: Wissenschaftliche Zeitschrift Leipzig, Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe, 18 (1969), H. 4, S. 511-531; В. А. Ежов, М. Бензинг et al., Укрпление и возрастание ведущей роли рабочего класса в СССР и ГДР, Ленинград 1987.
    55. Gerhard A. Ritter (Hrsg.), Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bonn 1984 ff., bisher erschienene Bde. 1, 2, 5, 9-12, 14.
    56. Alf Lüdtke, Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitererfahrungen und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus, Hamburg 1993.
    57. Lutz Niethammer/Alexander von Plato (Hrsg.), Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930-1960, 3 Bde., Bonn 1989; dies., Dorothee Wierling, Die volkseigene Erfahrung. Eine Archäologie des Lebens in der Industrieprovinz der DDR. 30 biographische Eröffnungen, Berlin 1991.
    58. Peter Hübner, Konsens, Konflikt und Kompromiß. Soziale Arbeiterinteressen und Sozialpolitik in der SBZ/DDR 1945 bis 1970 (= Zeithistorische Studien 3), Berlin 1995; ders./Klaus Tenfelde (Hrsg.), Arbeiter in der SBZ-DDR, Essen 1999; Peter Hübner/Christoph Kleßmann/Klaus Tenfelde (Hrsg.), Arbeiter im Staatssozialismus. Ideologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit, Köln 2005; Christoph Kleßmann, Arbeiter im „Arbeiterstaat“ DDR. Deutsche Traditionen, sowjetisches Modell, westdeutsches Magnetfeld (1945 bis 1971), Bonn 2007.
    59. Manuel Castells, Das Informationszeitalter, Bd. 1: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Opladen 2004, S. 233.
    60. Dem liegt nach Jean Fourastié die Annahme zugrunde, dass sich moderne Wirtschaften aus (primären) Agrar- über (sekundäre) Industrie- zu (tertiären) Dienstleistungsgesellschaften entwickeln. Vgl. Jean Fourastié, Le grand espoir du XX siècle. Progrès technique, progrès économique, progrès social, Paris 1949 (dt.: Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts, Köln 1954).
    61. Zum Konzept der Dienstleistungsgesellschaft ausführlicher: Orio Giarini/Patrick M. Liedtke, Wie wir arbeiten werden. Der neue Bericht an den Club of Rome, Hamburg ²1998, S. 37, 135-246.
    62. Stephen Cohen/John Zysman, Manufacturing Matters: the Myth of Postindustrial Economy, New York 1987.
    63. Marcel van der Linden, Workers of the World: Essays Toward a Global Labour History, Leiden 2008; ders./Karl Heinz Roth (Hrsg.), Über Marx hinaus. Arbeitsgeschichte und Arbeitsbegriff in der Konfrontation mit den globalen Arbeitsverhältnissen des 21. Jahrhunderts, Berlin 2009.
    64. Die englischsprachige Website ist http://www.iisg.nl/ (02.02.2010).
    65. http://www.ialhi.org/index.php (02.02.2010).
    66. http://www.ith.or.at/start/ (02.02.1010).
    67. Günter Benser, Zur 42. Linzer Konferenz der IHT. ArbeiterInnenbewegung und Rechtsextremismus, in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung 6 (2007), S. 50-57, hier S. 57.
    68. http://www.ruhr-uni-bochum.de/iga/isb/frameset_isb.htm (02.02.2010).
    69. http://palissy.humana.univ-nantes.fr/labos/cht/ (02.02.2010).
    70. http://www.indialabourarchives.org/research_projects.htm (25.01.2010).
    71. Ravi Ajuha, Geschichte der Arbeit jenseits des kulturalistischen Paradigmas. Vier Anregungen aus der Südasienforschung, in: Jürgen Kocka/Claus Offe (Hrsg.), Geschichte und Zukunft der Arbeit, Frankfurt a. M. 2000, S. 121-134; siehe auch Willem van Schendel, Neue Aspekte der Arbeitsgeschichtsschreibung: Anregungen aus Südasien, in: Sozial.Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts 22 (2007),H. 1, S. 40-70, hier S. 41.
    72. http://www.ifch.unicamp.br/mundosdotrabalho/index.htm (25.01.2010).
    73. Andreas Eckert, Geschichte der Arbeit und Arbeitergeschichte in Afrika, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 131-136.
    74. Außer den schon erwähnten Institutionen halten die im Folgenden genannten Bibliotheken und Archive wichtige Ressourcen für Forschungen zur Geschichte der Arbeit, der Arbeiter und der Arbeiterbewegungen bereit (alle Adressen zuletzt abgerufen am 02.02.2010): AMSAB - Instituut voor Sociale Geschiedenis, Gent (http://www.amsab.be/); Arbejderbevægelsens Bibliotek ok Arkiv, Kopenhagen (http://www.arbark.se/fakta/forkortningar/); Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn (http://library.fes.de/); Bibliothèque de Documentation internationale contemporaine, Nanterre (http://www.bdic.fr/index.php); Centre International de recherches sur l’Anarchisme (http://www.cira.ch/), Lausanne; Fondazione Giangiacomo Feltrinelli, Mailand (http://www.fondazionefeltrinelli.it); Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich (http://www.sozialarchiv.ch/); Staatliche Sozialpolitische Bibliothek (GOPB), Moskau (http://www.gopb.ru/library/hist/press.php?PAGEN_1=101); Tamiment Library, New York University, New York (http://www.nyu.edu/library/bobst/research/tam/). Gemeinsam mit dem IISH Amsterdam sind sie im Netzwerk „Labour History Serials Service“ (http://www.labourhistory.net) verbunden.
    75. http://www.ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/index.htm (02.02.2010).
    76. Antony Alcock, History of the International Labour Organization, London 1970; Francis Blanchard, L’Organisation internationale du travail: de la guerre froide à un nouvel ordre mondial, Paris 2004.
    77. Andreas Eckert, Rezension zu: Gunilla Budde/Sebastian Conrad/Oliver Janz (Hrsg.), Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien, Göttingen 2006, in: H-Soz-u-Kult, 16.10.2006, http://www.hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-4-050 (25.01.2010). 
    78. Castel, Metamorphosen, S. 338-364.
    79. Marcel van der Linden (Hrsg.), The End of Labour History, Cambridge 1993.
    80. Ders., Vorläufiges zur transkontinentalen Arbeitergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 291-304; ders., Transnational Labour History. Explorations, Aldershot 2003; ders., Die Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Globalisierung, in: Sozial.Geschichte 1 (2003), S. 10-40.
    81. Werner Abelshauser, Aus Wirtschaftskrisen lernen – aber wie? Krisenszenarien im Vergleich, in: VfZ 57 (2009), S. 467-483, hier S. 473.
    82. Ulrich Beck, Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit, Frankfurt a. M. 2007, S. 411.
    83. Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch, Frankfurt a. M. 2006.
    84. Marcel van der Linden, Was ist neu an der globalen Geschichte der Arbeit, in: Sozial.Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts 22 (2007), H. 2, S. 31-44, hier S. 34.
    85. Vgl. Schendel, Neue Aspekte, S. 41.