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Zeithistorische Forschung Potsdam e.V.

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Ernst Hanisch

Österreich - Die Dominanz des Staates. Zeitgeschichte im Drehkreuz von Politik und Wissenschaft

Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.03.2011
https://docupedia.de//zg/%C3%96sterreich_-_Die_Dominanz_des_Staates

DOI: https://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.307.v1

Artikelbild: Österreich - Die Dominanz des Staates. Zeitgeschichte im Drehkreuz von Politik und Wissenschaft

„Nacht des Schweigens“ auf dem Heldenplatz in Wien, 12.3.2008. In Erinnerung an den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 70 Jahre zuvor wurden 80.000 Kerzen für die rund 80.000 namentlich bekannten österreichischen Opfer der NS-Regimes entzündet und ihre Namen während der ganzen Nacht auf vier Leinwände projiziert. Foto (beschnitten): Manfred Werner / <a rel="nofollow" class="external text" href="https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Tsui">Tsui</a&gt;, Quelle: <a rel="nofollow" class="external text" href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nacht_des_Schweigens_2008b.jpg"… Commons</a>, Lizenz: <a rel="nofollow" class="external text" href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en">CC BY-SA 3.0</a>

Die österreichische Zeitgeschichte ist in ihren Anfängen durch eine starke staatliche Dominanz gekennzeichnet, wie Ernst Harnisch in seinem Artikel detailliert schildert. Erst durch die 68er-Bewegung öffnete sich die Forschung zu den systematischen Sozialwissenschaften und begann sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu befassen. Der Autor erörtert die Entwicklungsphasen der österreichischen Forschungsarbeit und gibt einen Ausblick auf ihre zukünftigen Möglichkeiten.

Österreich - Die Dominanz des Staates. Zeitgeschichte im Drehkreuz von Politik und Wissenschaft

von Ernst Hanisch

Der Auftakt

Heinrich Friedjung (1851-1920) war wohl der erste moderne österreichische Zeithistoriker.[1] Dieser deutschnationale, liberale Historiker jüdischer Herkunft benützte die Methode der Oral History, war vom „sirenenhaften Reiz” der Zeitgeschichte angezogen, schrieb eine meisterhafte unvollendete Gesellschaftsgeschichte Österreichs von 1848 bis 1860.[2] Brennend interessiert am Schicksal der Deutschen in Österreich, verfasste er eine zweibändige Darstellung des Kampfes um die Vorherrschaft in Deutschland und führte seine Geschichte des Imperialismus von 1884 bis 1914, erschienen 1919, an die damalige Gegenwart heran.[3] Als Journalist und professioneller Historiker politisch hochaktiv, konnte er zwar an keiner Universität Fuß fassen, galt jedoch als einer der angesehnsten Historiker der Habsburgermonarchie. An Heinrich Friedjung zeigte sich früh die Verführbarkeit der Zeitgeschichte durch die Macht. Eng mit dem Außenminister Aloys Lexa von Aehrenthal verbunden, ließ er sich in der bosnischen Krise von 1908 zu einer historischen Rechtfertigung der österreichisch-ungarischen Balkanpolitik verleiten. Das vom Ministerium bereitgestellte Aktenmaterial erwies sich als gefälscht, der folgende „Friedjung-Prozess” blamierte den Historiker.

In dieser Anbindung an den Staat manifestierte sich ein Grundzug der österreichischen Zeitgeschichteforschung. Zwar geschah die apologetische Legitimation der Staatspolitik später nicht mehr so primitiv, es gab – vor allem nach dem Symboljahr 1968 – genügend akkusatorische Tendenzen, historische Mythen wurden laufend zerstört, dennoch blieb die Forschung in einem bemerkenswerten Ausmaß staatsabhängig.[4]

Gründungsakte

Im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland erfolgte die Etablierung der Zeitgeschichte in Österreich ein Jahrzehnt später und war nicht primär durch die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus motiviert.[5] Es ging auch zunächst nicht um die wissenschaftliche Institutionalisierung der Zeitgeschichte, sondern um den Geschichteunterricht, der die belastende Konfliktdemokratie der Ersten Republik zu wenig berücksichtigte und der zweiten Staatsgründung 1945 mit ihrem neuen österreichischen Staatsbewusstsein im Unterricht wenig Aufmerksamkeit schenkte. Es war ein klarer hoheitlicher Akt, als der Bundesminister für Unterricht Heinrich Drimmel, der sich selbst gern als prononciert konservativer Historiker versuchte, 1960 zu einer Expertentagung nach Reichenau einlud.[6] Vertreten waren, neben dem Minister, hohe Beamte aus seinem Ministerium, zahlreiche Schulmänner und einige Historiker, welche die Fachreferate hielten: Hugo Hantsch, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Wien, ein Benediktinerpater, der einen gemäßigt durch den religiösen Reichsgedanken vermittelten deutschnationalen Touch aufwies, der aber als KZ-Häftling unangreifbar war;[7] Ludwig Jedlicka, der 1958 für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte habilitiert wurde, zunächst ein Militärhistoriker, der seine NS-Verwicklung als höherer HJ-Führer, seine Lobeshymne auf die „strahlenden Märztage des Jahres 1938” stets mit Schweigen überging;[8] Gerald Stourzh, liberal-konservativ, von seiner familiären Herkunft mit einem starken Österreichbewusstsein ausgestattet. Der Konsens wurde in der Koalitionsgeschichtsschreibung gefunden, eine Leitlinie, die bereits das 1954 von Heinrich Benedikt (einem zurückgekehrten „Emigranten”) herausgegebene, repräsentative Werk „Geschichte der Republik Österreich” vorgegeben hatte.[9] Die Metaerzählung der Koalitionsgeschichtsschreibung wurde von der Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik grundiert und von der politischen Konstellation der großen Koalition von ÖVP und SPÖ (1947-1966) nahegelegt. Die Kontrasterfahrungen waren die Konfliktgeschichte der Ersten Republik und der Untergang Österreichs durch den Angriff des Deutschen Reiches 1938. Diese Externalisierung des Nationalsozialismus blieb im Rahmen der offiziellen Staatspolitik, Österreich als „erstes Opfer” der nationalsozialistischen Aggressionspolitik. Das Geleitwort des Ministers im Bericht über die Expertentagung in Reichenau schloss mit dem pathetischen Satz: „Der Glaube an Österreich”.[10] Es war aber damals noch ungeklärt, ob es sich um ein österreichisches Staats- oder bereits um ein österreichisches Nationalbewusstsein handelte. Denn die professionellen Historiker hielten sich bei den Übertreibungen des scharf antideutschen, österreichischen Nationalismus der unmittelbaren Nachkriegsjahre eher zurück;[11] zum Teil aus wissenschaftlicher Verantwortung, zum Teil als Nachwirkung der gesamtdeutschen Schule der österreichischen Historiografie. Es waren zumeist Intellektuelle im Umfeld der Parteien (mit Ausnahme der SPÖ), die jene „Erfindung der Vergangenheit”, jene Neuinterpretation der österreichischen Geschichte einleiteten. Bremsend wirkte auch die stark positivistische Tradition des Wiener Instituts für österreichische Geschichtsforschung, mit der strengen Methode der Tatsachenfeststellung, die auf die Zeitgeschichte übertragen wurde, und bis heute einen starken Strang der österreichischen Zeitgeschichte prägt. Die offene Rückkehr zum Historismus postulierte: Tatsachen für sich sprechen lassen, wobei freilich übersehen wurde, dass die Auswahl der Tatsachen, die selektive Wahrnehmung der Tatsachen bereits von jeweiligen Koordinatensystem abhing. Die Aussparung des österreichischen Anteils am Nationalsozialismus gibt einen starken Beleg für diese selektive Wahrnehmung der Tatsachen.

Diese Initiativen blieben zunächst außerhalb der Universitäten: das von Ludwig Jedlicka 1961 auf Vereinsbasis gegründete Österreichische Institut für Zeitgeschichte; das 1962 am Internationalen Forschungszentrum in Salzburg etablierte Institut für kirchliche Zeitgeschichte (seit 1964 von der liberal-katholischen Historikerin Erika Weinzierl geleitet); das von Herbert Steiner, dessen Eltern in der NS-Periode umkamen, 1963 aufgebaute Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (1985 zur Nationalstiftung erhoben).[12] Der geschickte, seine KPÖ-Mitgliedschaft eher beiläufig erwähnende Herbert Steiner knüpfte an den antifaschistischen Konsens des Jahres 1945 an, integrierte die Kommunisten in die Koalitionsgeschichtsschreibung und verknüpfte diesen Antifaschismus mit dem Österreichpatriotismus, wobei sich konservative und kommunistische Impulse vermischten. Marxistische Theorieelemente wurden integriert, aber durch den positivistischen Dokumentenfetischismus gleichzeitig neutralisiert. Das unterschied Österreich deutlich von der stark antitotalitären Zeitgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Herbert Steiner (gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Archivar Rudolf Neck) nutzte dann auch die neutrale internationale Position der Republik Österreich, um im abklingenden Kalten Krieg östliche und westliche, kommunistische und nichtkommunistische Historiker seit 1964 auf der Internationalen Tagung der Historiker der Arbeiterbewegung in Linz jährlich zusammen zu bringen.[13]

Dem Problem des österreichischen Nationalsozialismus näherte sich die sich etablierende Zeitgeschichte durch Forschungen über das Anschluss-Jahr 1938 und durch eine zunächst starke Mythologisierung des „heldenhaften Kampfes der Widerstandskämpfer” im Dokumentationsarchiv, die erst nach und nach in ein sozialgeschichtlich tragfähiges Widerstandskonzept aufgelöst wurde.[14] Das Dokumentationsarchiv verstand sich wie die gesamte frühe Zeitgeschichte von Anfang an als Element der politischen Bildung im Dienste der demokratischen Zweiten Republik. Die über den wissenschaftlichen Bereich weit hinausreichende Vergangenheitspolitik des Dokumentationsarchives führte mit dem 1979 zum ersten Mal erscheinenden Buch „Rechtsextremismus in Österreich nach 1945” zu permanenten politischen und juridischen Auseinandersetzungen, die bis zur Gegenwart reichen.[15]

1966 wurde das erste Universitätsinstitut für Zeitgeschichte in Wien errichtet (Leitung: Ludwig Jedlicka), 1967 eine Professur für Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte an der Universität Salzburg geschaffen (Erika Weinzierl), 1968 folgte ein Institut für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Linz, das der aus englischer Emigration zurückgekehrte Karl R. Stadler übernahm. In den 1970er-Jahren etablierte sich die Zeitgeschichte an der Universität Klagenfurt, in den 1980er-Jahren in Graz und Innsbruck. In Österreich hatte sich die Zeitgeschichte deutlich von der Neueren und Neuesten Geschichte getrennt, was allerdings auch eine Perspektivenverkürzung mit sich brachte, und als eigenberechtigter Pflichtgegenstand im Studienplan Geschichte festgeschrieben wurde.[16]

Doch die wissenschaftliche Emanzipation vom Staat gelang nur unvollständig. Die 1960 auf Vereinsbasis gegründete Ludwig Boltzmann-Gesellschaft, von der Sozialdemokratie initiiert, sollte ein Gegengewicht zu den politisch und methodisch eher konservativ eingestellten Universitäten bilden. Zunächst vorwiegend von der Stadt Wien und der Arbeiterkammer finanziell alimentiert, übernahm in der Phase der SPÖ-Alleinregierung (1970-1983) der Staat einen Großteil der Kosten. Zwar war die Mehrheit der Institute im Bereich der Humanmedizin angesiedelt, aber in den späten 1960er- und 1970er-Jahren wurden die in den 1950er-Jahren völlig vernachlässigten Sozialwissenschaften stärker ausgebaut. Da die Leiter der Boltzmann-Institute stets Universitätslehrer waren, ergab sich eine enge Anbindung an die Universitäten.

In das Arbeitsgebiet der Zeitgeschichte reichten das Ludwig Boltzmann-Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung in Linz (1968), das mit mehreren Bücherreihen eine umfassende Publikationstätigkeit begann;[17] das Ludwig Boltzmann-Institut für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften in Salzburg (1977); das Ludwig Boltzmann-Institut für historische Sozialwissenschaft ebenfalls in Salzburg (1982); das Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung in Graz (1993).[18] Tatsächlich wurden so neue Forschungsfelder eröffnet. Die 68er-Generation stürzte sich auf die vorher kaum beachtete Arbeitergeschichte, die sich langsam von der Arbeiterbewegungs- zur Arbeiter-, dann zur Arbeiterkulturgeschichte erweiterte. Als dieses Thema 1989 durch den Zusammenbruch des Kommunismus in Europa als überholt erschien, änderte sich auch der Titel der Institute. Aus dem Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung wurde ein Institut für Gesellschafts- und Kulturgeschichte, aus dem Institut für Gesellschaftswissenschaften ein Institut für Geschichte und Gesellschaft. So kam es zu der etwas paradoxen Situation, dass drei Ludwig Boltzmann-Institute mehr oder minder ähnliche Probleme behandelten. Neben der wissenschaftlichen Forschung dienten diese Institute ohnedies der Nachwuchsförderung. Begabte Studienabsolventen wurden dort so lange „geparkt”, bis sie eine Anstellung an der Universität fanden.

Die offizielle Leitlinie der Koalitionsgeschichtsschreibung repräsentierte in den 1970er-Jahren die „Wissenschaftliche Kommission”. Sie wurde als Staatsunternehmen von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) und Nationalratspräsident Alfred Maleta (ÖVP) gegründet. Sie trug einen geradezu barocken Titel: „Wissenschaftliche Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der österreichischen Geschichte der Jahre 1927 bis 1938”. In ihr waren Politiker, Journalisten und Historiker aller Lager vertreten. Sie sollte – so Kreisky – die Hintergründe aufklären, die in die Katastrophe von 1938 mündeten.[19] Die Katastrophe selbst blieb ausgespart. Das politische Ziel war – so Maleta –, Verständnis für die Gegner von gestern und Partner von heute zu gewinnen.[20]

In den Tatsachenrekonstruktionen hatte die Kommission ausgezeichnete Arbeit geleistet. Gleichzeitig erwies sie sich als Bewährungsfeld für die junge 68er Generation, die daranging, mit neuen Methoden und kritisch linken Ideologieelementen die Koalitionsgeschichtsschreibung von innen zu zersetzen. Ebenfalls in diesem Kontext der Koalitions- und Jubiläumsgeschichtsschreibung stand das erste staatsrepräsentative Werk einer Geschichte der Zweiten Republik. 1965 begonnen, erschien es 1972, nach einigen Kämpfen von zwei liberalen katholischen Historikern, Erika Weinzierl und Kurt Skalnik, herausgegeben.[21] Den offiziösen Charakter zeigte das Titelbild, den Handschlag von Leopold Figl (ÖVP) und Adolf Schärf (SPÖ). Die Mitarbeiter dieses Sammelwerkes sollten das politische Kräfteverhältnis der Zweiten Republik spiegeln. Wie im politischen System der Bundespolitik, blieb das dritte Lager ausgeschlossen. Das Themenbündel war breit gefächert und näherte sich einer „Gesellschaftsgeschichte ohne Theorie” an. Das Werk prägte auch einen für Österreich charakteristischen Synthesentypus der Zeitgeschichte. Von 36 Beiträgen stammten nur 11 von professionellen Historikern. Der Nationalsozialismus blieb nicht ganz ausgespart, doch man umkreiste ihn von den Rändern, von 1938 und von 1945 her, und betonte vor allem den österreichischen Widerstand.

Die Staatsanbindung der österreichischen Zeitgeschichte können noch zwei weitere Fakten belegen. Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Hertha Firnberg, selbst eine ausgebildete Historikerin, errichtete 1974 in ihrem Ministerium ein Projektteam „Geschichte der Arbeiterbewegung” und 1980 ein Projektteam „Zeitgeschichte”. Aufgabe dieser seltsamen Konstruktionen war es, eine Bestandsaufnahme der jeweiligen Disziplinen zu erstellen und neue Forschungen anzuregen.[22] Die Wirksamkeit dieses Projektteams blieb relativ gering. Die Tendenz, vom Ministerium selbst Forschungsschwerpunkte festzulegen und schwerpunktmäßig finanziell zu fördern, wurde in den 1990er-Jahren noch ausgebaut. Das Ministerium reagierte so auf politische und gesellschaftliche Probleme – beispielsweise 1994 mit dem Forschungsschwerpunkt „Fremdenfeindlichkeit” –, schuf zeitlich begrenzte Arbeitsmöglichkeit für Nachwuchskräfte und versuchte die einzelnen Disziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften zu vernetzen.[23] Diese Interdisziplinarität unterstützte einen in der österreichischen Wissenschaftslandschaft ohnedies angelangten Zug, Sammelwerke verschiedener Disziplinen zu veröffentlichen. Herauskamen dabei Buchbindersynthesen, die, theoretisch wenig reflektiert, Einzelbeiträge unverbindlich nebeneinander stellten, dadurch zwar ein bestimmtes Informationsbedürfnis befriedigten, die aber forschungsstrategisch relativ wenig brachten.[24] Hinzu kam ein unterentwickeltes Rezensionswesen, die Konzentration der Forscher auf den eigenen Schrebergarten, wodurch kaum wissenschaftliche Debatten entstanden. Das ist wahrscheinlich das größte Manko der österreichischen Zeitgeschichte. Auch die seit 1973 von Erika Weinzierl herausgegebene Zeitschrift „Zeitgeschichte” hatte dieses Manko nicht beseitigen können. Eine gewisse Abhilfe schufen erst die Österreichischen Zeitgeschichtetage, die seit 1993 alle zwei Jahre veranstaltet werden. Ihre Entstehung entsprang einer recht typischen Konstellation. Der damalige Wissenschaftsminister Erhard Busek hatte sich 1992 bei einem Pressegespräch unzufrieden mit der heimischen Zeitgeschichteforschung gezeigt. Als die Zeithistoriker protestierten, kam es zu Gesprächen mit dem Minister und dabei wurde die Idee der Zeitgeschichtetage geboren.[25] Finanziert werden sie vom Ministerium, aber Themenauswahl und Teilnehmer werden autonom von der Wissenschaft bestimmt. Nicht nur das Wissenschaftsministerium, auch das Justizministerium setzte seit 1976 mit den Symposien Justiz und Zeitgeschichte eine Initiative, die zu recht fruchtbaren Diskussionen zwischen Historikern, Rechtswissenschaftlern und Rechtspraktikern führten.[26]

Auf die drohenden Jubiläumsjahre 1995/96 (fünfzig Jahre Zweite Republik, tausend Jahre der ersten Namensnennung Österreich) reagierte das Ministerium mit einer breit aufgelegten Forschungsinitiative „Grenzenloses Österreich”.[27] Diese Initiative reichte über Zeitgeschichte und das Territorium der Republik Österreich hinaus, bezog den Raum der Habsburgermonarchie mit ein, verband Geistes- und Sozialwissenschaften und förderte zuletzt 87 evaluierte Projekte.[28] Eine Struktur der geförderten Projekte ist schwer zu erkennen; das kann man positiv als Pluralismus, negativ als Beliebigkeit bewerten. Die meisten Projekte blieben im Depot des Ministeriums liegen, drangen kaum in den aktuellen Forschungsprozess ein. Der Staat reagierte mit der Forschungsinitiative „Grenzenloses Österreich” auch auf das, seit der „Waldheimaffäre”, getrübte internationale Image der Republik Österreich. Österreich erschien unterschwellig als Nazi-Land, das sich von seiner Verantwortung stets gedrückt hatte. Oder wie es ein Autor am Beispiel der Rezeption des Dichters Thomas Bernhard in den Niederlanden zeigte, alle Österreicher schienen „unter ihrer normalen Kleidung plötzlich ein braunes Hemd zu tragen”, dass der Österreicher „sozusagen als Faschist, als Antisemit, als Antidemokrat geboren wurde”.[29] Das verweist auf ein Problem, welches das Bild der österreichischen Vergangenheit im ganzen 20. Jahrhundert begleitete: Dieses Bild wird weit stärker von der Literatur beeinflusst als von der seriösen Zeitgeschichteforschung. Das gilt für das Inland wie für das Ausland, das gilt für das positive Bild des Habsburgischen Mythos ebenso wie für das negative Bild der Nazi-Republik, wie es von Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek, Gerhard Roth und ihren Nachschreibern gezeichnet wurde.[30]

Um das österreichische Image, um die Beeinträchtigung des österreichischen Exportes – obgleich die moralische Dimension der nun breit einsetzenden Aufarbeitung der österreichischen NS-Vergangenheit nicht vernachlässigt werden darf – ging es dann auch 1998, als die SPÖ-ÖVP-Koalitionsregierung (nach dem Schweizer Vorbild der Bergier-Kommission) eine Historikerkommission einsetzte. Ihr Mandat lautete: Den gesamten Komplex „Vermögensentzug auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen bzw. Entschädigungen (sowie wirtschaftliche und soziale Leistungen) der Republik Österreich ab 1945” zu erforschen und darüber zu berichten.[31] Der Kommission gehörten sechs Mitglieder an, die teilweise vom Staat, teilweise von der wissenschaftlichen Zeitgeschichte bestimmt wurden. Als Vorsitzender wurde der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Clemes Jabloner bestimmt. Wenn auch am seriösen Charakter der Kommission nicht gezweifelt werden kann, fällt doch auf, dass nur ein habilitierter Historiker Mitglied ist. Über hundert Mitarbeiter beschäftigt die Kommission. Das ist wohl das größte Forschungsprojekt, das es im 20. Jahrhundert im Bereiche der Geschichte jemals gegeben hat. Und es wurde vom Staat initiiert.

Wie lässt sich diese staatliche Dominanz in der österreichischen Zeitgeschichteforschung erklären?

1. Sicherlich wirkten die obrigkeitsstaatlichen Traditionen der österreichischen politischen Kultur nach; sowohl in ihren bürokratischen Dimensionen als auch in ihren Mustern der „Revolution von oben”.[32] Die These des aus dem Raum der Monarchie stammenden Historikers Alexander Gerschenkron hat dabei auch für die Wissenschaft eine gewisse Berechtigung: die „relative Rückständigkeit” der Entwicklung forderte die Substitutionsleistung des Staates heraus.[33]
2. Der in der Zweiten Republik stark ausgebaute Sozialstaat sorgte sich um einen begabten, gutausgebildeten wissenschaftlichen Nachwuchs, der durch die Schließung der Universitäten, durch das Einfrieren der Stellen an den Universitäten in den 1980er-Jahren, arbeitslos vor den Türen stand. Die relativ große Zahl von freischaffenden Wissenschaftlern war nur möglich, weil sie in der einen oder anderen Form von der öffentlichen Hand finanziert wurden. Dieses Problem wurde zum Teil jedenfalls auch dadurch geschaffen, dass die Mobilität innerhalb der Universitäten schwach entwickelt war, weil im europäischen Rahmen ein wohl übertrieben hohes Maß an Mitbestimmung die Positionen des akademischen Mittelbaues, auch ohne nachweisbare wissenschaftliche Leistungen einzementierte und eine rasche Festanstellung ermöglichte.
3. Die seit dem Beginn der Zweiten Republik parteipolitisch so ausgeprägte Strukturierung der Politik machte sich auch in der Wissenschaft bemerkbar. Die österreichischen Zeithistoriker waren in der Regel parteipolitisch einfach zuordbar. In allen Strategieplanungen, in allen Besetzungen von Kommissionen wurde dieser Faktor direkt oder indirekt eingeplant. Die formell freie Selbstbestimmung der Wissenschaft wurde so vom stillen Konsens der jeweiligen parteipolitischen Ausrichtung überlagert, häufig im Sinne der angestrebten Ausgewogenheit. Die parteipolitische Nähe zum jeweiligen Minister erleichterte jedenfalls den Zugang zu finanziellen Mitteln, ermöglichte den rascheren Stellenausbau.
4. Die Tatsache der Dominanz des Staates in der Wissenschaft bedeutete nun keineswegs, dass von der Zeitgeschichteforschung lediglich eine „historische Staatswahrheit” (Jean-François Bergier) produziert wurde. Eher das Gegenteil war feststellbar. Zwar tendierte die Forschung in den 1970er-Jahren eine Zeitlang zur Parteigeschichtsschreibung im Sinne der Sozialdemokratie – bis heute herrscht in der Zeitgeschichte eine linksliberale Tendenz vor –, dennoch war die Leitlinie weniger die Apologie als die Akkusation. Die neue ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung bemüht sich nun offensichtlich auch im Bereich der Zeitgeschichte, eine Wende herbeizuführen und die linksliberale Dominanz zu brechen. Das geplante „Haus der Zeitgeschichte” könnte dafür der Testfall werden.

Aufbrüche in den 1970er-Jahren

Die Koalitionsgeschichtsschreibung trug eine Generation, die in den 1920er-Jahren geboren wurde, für die das Scheitern der Demokratie, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Emigration, Wiederaufbau, Staatsvertrag und Neutralität die entscheidenden Generationserlebnisse waren. Diese Generation frönte zumeist einen gewissen Österreich-Patriotismus und war mehr oder minder Anhänger der Opferthese. Das hing auch mit der methodischen Einstellung zusammen. Fast durchwegs strenge Positivisten, hatten diese Historiker eine Scheu vor Theorie, der Reflexion der eigenen Praxis, bevorzugten die Politikgeschichte. Von diesem Koordinatensystem her, war der österreichische Staat 1938 tatsächlich ein Opfer der deutschen nationalsozialistischen Aggression, 1945 die Stunde der „Wiedergeburt”, die Zweite Republik ein Gegenentwurf zum Faschismus, 1955 der Staatsvertrag die große Leistung der Konsensdemokratie. Die „kleine” Geschichte des Staatsvertrages von Gerald Stourzh, 1975 zum ersten Mal erschienen und durch mehrfache Bearbeitung zur „großen” Geschichte mutiert, war eine der wichtigsten Leistung dieser Generation.[34] Stourzh widersprach auch am entschiedensten der These von Karl Diedrich Erdmann über die Spur Österreichs in der deutschen Geschichte „Drei Staaten, zwei Nationen, ein Volk?”[35]

Die 68er-Generation, in den 1940er-Jahren geboren, häufig mit Nazivätern aufgewachsen, vom trägen konservativen Kulturklima katholischer oder sozialdemokratischer Provenienz der 1950er-Jahre irritiert, erlebte ihre wissenschaftliche Sozialisation im Rahmen der Koalitionsgeschichtsschreibung. Auch für sie war zunächst die entscheidende Frage: Warum wurde die Demokratie in Österreich zerstört? Getragen vom Diskursbruch der 68er-Bewegung, die in Österreich politisch eher schwach, aber kulturell und intellektuell durchaus wirkungsmächtig war, setzte sie der Koalitionsgeschichtsschreibung eine „linke” Interpretation entgegen. Der Austromarxismus konnte dabei als Theoriearsenal benützt, jedoch gleichzeitig die konkrete sozialdemokratische Politik der Zwischenkriegszeit scharf kritisiert werden. Der Theorienenthusiasmus verführte dazu, die Faschismustheorie der Zwischenkriegszeit aufzugreifen und sie relativ problemlos auf die Jahre 1934 bis 1938 als „Austrofaschismus” umzumünzen.[36]

Da sich die Zeitgeschichte des 68er-Typus als kämpfende politisierte Wissenschaft verstand, gesegnet mit der Arroganz der Jugend, nahm sie historische Unschärfen in Kauf: Sie übersah den „Staatswiderstand” des Autoritären „Ständestaates” gegen den Nationalsozialismus, engagierte sich aber intensiv in der Widerstandsforschung von 1938 bis 1945.[37] Der expressive Gebrauch der Faschismustheorien verstellte auch den Blick auf Antisemitismus und den Holocaust als singuläres Menschheitsverbrechen;[38] freilich setzte sich diese Perspektive allgemein erst in den 1980er-Jahren im Westen durch und den österreichischen Antisemitismus hatte bereits Erika Weinzierl in zahlreichen Arbeiten thematisiert.[39]

Während die Koalitionsgeschichtsschreibung methodisch über den engen Rahmen des Historismus kaum hinausging, hatte der 68er-Typus die Historie zu den systematischen Sozialwissenschaften hin weit geöffnet. Einflüsse aus der französischen Nouvelle Histoire, vor allem aber dieHistorische Sozialwissenschaft à la Bielefeld wurden intensiv rezipiert. Wie nie zuvor in der Historiografie des 20. Jahrhunderts setzten methodische Innovationen ein: Quantifizierung, Oral-History, Semiotik, Psycho-Historie, später dann die Alltags- und Geschlechtergeschichte.[40] Die Leitfigur war in den 1970er-Jahren Gerhard Botz, zunächst in Linz, dann in Salzburg. Eine klare Dominanz der Sozialgeschichte konnte sich in Österreich allerdings nicht durchsetzen.

Die Wende vom Staat zur Gesellschaft unterminierte schon mit diesem methodischen Zugriff den offiziellen „Opfermythos”. Rudolf Burger sprach 1981 von der „systematischen Selbstinfantilisierung” Österreichs.[41] Erst jetzt wurde der Nationalsozialismus ein Teil der österreichischen Geschichte. Ende der 1970er-Jahre begann eine intensive Rekonstruktion der NS-Herrschaft in Österreich, die tendenziell als Gesellschaftsgeschichte angelegt war.[42] Die neue Regionalgeschichte konzentrierte sich nun ebenfalls auf die NS-Periode.[43] Da damals noch eine fünfzigjährige Archivsperre galt, gab es große Schwierigkeiten an die Quellen zu gelangen. Erst fünfzig Jahre nach dem „Anschluss” erschien der erste Versuch einer Gesamtdarstellung der NS-Herrschaft in Österreich, von österreichischen Historikern und Sozialwissenschaftlern erarbeitet.[44] Als Herrschaftsgeschichte aufgrund der NS-Quellen konzipiert, haben diese Darstellungen zwar die Opfer des Regimes einbezogen, aber die „Perspektive der Opfer weitgehend ausgeklammert”, wie die nächste Historikergeneration dann kritisierte (Helga Embacher).[45] Tatsächlich hatte erst die dritte Generation, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geboren wurde, mit der Erforschung der Täter- und Opfergeschichte begonnen: KZ-Geschichte, Zwangsarbeit, Judenverfolgung, österreichische Soldaten in der Wehrmacht ... Das war allerdings nur möglich, als die Grundzüge der NS-Herrschaft in Österreich bereits rekonstruiert waren. Die kritiklose Übernahme der Opferperspektive trägt neuerdings die Gefahr der parteilichen Geschichtsschreibung in sich, und die Überidentifikation mit den Opfern flieht wiederum aus der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für den Nationalsozialismus. Obendrein tendiert die Konzentration auf die Holocaustforschung dazu, den Nationalsozialismus nur mehr als „Vernichtungskrieg” zu perspektivieren, alle anderen Aspekte der „regressiven Modernisierung” zu übersehen, was dann die Erklärungen dafür, warum die Bevölkerung dem Regime so lange Zeit zustimmte, völlig unmöglich macht.

Die 68er-Generation wagte den Blick in die Finsternis des Nationalsozialismus. Sie scheute vor dem Blick in die Finsternis des Kommunismus zurück. Das hing mit der generellen linksliberalen und linken Einstellung dieser Generation zusammen, mit ihren Hoffnungen auf den „Sozialismus mit menschlichem Antlitz”. Die Präferenz faschismustheoretischer Konzepte lehnte die Totalitarismustheorie entschieden ab, sah eher im Kapitalismus eine tendenzielle Gleichförmigkeit von liberaler Demokratie und Faschismus. Eine Selbstreflexion dieser blinden Flecken steht noch aus.[46] Obendrein übertraf die Ankündigungspolitik dieser Generation bei weitem ihre tatsächlich erbrachten Leistungen. Bis heute fehlt eine empirisch gesättigte österreichische Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts. Und als diese Generation in die Ordinarienpositionen einrückte, wich sie mehr in die Wissenschaftsorganisation aus als selbst zu forschen und Monografien zu verfassen. Es gibt erstaunlich viele tote Äste am Baum der 68er-Generation.

Der Versuch einer durchkomponierten Synthese des 20. Jahrhunderts geschah spät, erst 1994, nicht im Rahmen der Zeitgeschichte, sondern im Rahmen einer von Herwig Wolfram herausgegebenen vielbändigen Österreichischen Geschichte: „Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts”.[47] Der Band war eindeutig nach dem Modell der Wehlerschen „Gesellschaftsgeschichte” konzipiert, versuchte aber die methodische Kritik der Alltagsgeschichte und Historischen Anthropologie an der Strukturgeschichte produktiv zu verarbeiten. Diese österreichische Gesellschaftsgeschichte wurde von einer jüngeren Generation, die im Auftrieb der Postmoderne argumentierte, ungewöhnlich scharf kritisiert. Das Buch bot sich als Reibebaum geradezu an: als Nationalgeschichte und „große Erzählung”, als Ausdruck der 68er-Orthodoxie und als „letztes Aufbäumen der alten Schule”.[48] Im Gegensatz dazu wollte die poststrukturalistische Avantgarde, wie Reinhard Sieder sagte, weder eine alte noch eine neue Geschichtsschreibung, sondern sah den Historiker als Dekonstrukteur jeder Geschichtsschreibung, „um das Bewusstsein der Konstruktionsakte” zu erhöhen.[49] Der Einfluss postmodernen Denkens war in der österreichischen Zeitgeschichte bemerkenswert größer als in Deutschland.[50] Es richtete sich auch gegen Überlegungen zur Errichtung eines „Hauses der Zeitgeschichte”. „Rund zwanzig bis dreißig Jahre nach den einschlägigen Revisionen von Hayden White oder Michel de Certeau scheint es überfällig, die Schrift der Geschichte, damit die Historiographie, von jenem zeitlichen Kontinuum zu trennen, das wir in der Alltagssprache ‚Geschichte' nennen”.[51] Es ist schwer zu entscheiden, ob das Lob des Fragmentarischen und Asymmetrischen eine Rationalisierung der Unfähigkeit ist, Geschichte zu schreiben oder ob dieses postmoderne Denken schon vom Ansatz her jede größere Geschichtsschreibung blockiert.

Unbeeindruckt von den Einwürfen der Postmoderne, aber auch unberührt von jeder theoretisch konzeptiven Anstrengung, erschien 1997 das aus der Innsbrucker Schule der Zeitgeschichte herausgegangene, an den Tatsachen orientierte Sammelwerk „Österreich im 20. Jahrhundert”;[52] eine solide Handwerksarbeit ohne größere Ansprüche, aber nützlich als Studienbuch.

Die Waldheimaffäre und ihre historiografischen Folgen

In den frühen 1980er-Jahren schien die österreichische Zeitgeschichte auch in der Öffentlichkeit akzeptiert zu sein. Sie hatte sich etabliert und durch ein Ensemble spezifischer Methoden und Themenfelder abgesichert. Oral History, verbunden mit den theoretischen Konzepten der Alltagsgeschichte und der „Geschichte von unten”, übte eine große Faszination aus.[53] Zeitzeugen wurden in einer etwas naiven Art hoch privilegiert, mit dem Schein der Authentizität ausgestattet. Durch das Bundesministerium und die Universitäten unterstützt, besuchten Zeitzeugen des Widerstandes und der Verfolgung die Schulen. Auch die Sozialwissenschaften, wie die Politikwissenschaft, arbeiteten stark historisch. Die Familienrekonstruktion des Wiener Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte strahlte in die Zeitgeschichte aus. Dort begann eine intensive Sammlungstätigkeit von Ego-Dokumenten aus dem 20. Jahrhundert.[54] Zahlreiche Autobiografien erschienen. Die Exilforschung und die Wissenschaftsgeschichte begannen sich zu entfalten. Die feministisch inspirierte Frauengeschichte machte ihre ersten tastenden Versuche.[55] Die Regierung proklamierte das Studienjahr 1984/1985 als Jahr der Zeitgeschichte. Der ORF produziert mit großen finanziellen Mitteln eine populäre Fernsehdokumentation Österreich II und Österreich I. Der Gestalter, der bekannte Journalist Hugo Portisch, hielt die wohl erfolgreichste österreichische Geschichtsstunde. Die nachfolgenden Bücher erzielten eine hohe Auflage.[56] Den Gesetzen des Mediums Fernsehen verpflichtet, war die Dokumentation auf spektakuläre Ereignisse und große Personen konzentriert, die Metaerzählung restaurierte die Koalitionsgeschichtsschreibung, wie die frustrierte 68er-Generation mehrfach kritisch anmerkte.[57]

Die Waldheimaffäre (1986-1988) stürzte die selbstbewusste Zeitgeschichte in eine Krise. Im Falle „Waldheim” überkreuzten sich viele Konfliktlinien. Die neuere Forschung betont den tatsächlichen Charakter einer medialen und diplomatischen „Kampagne”, die von der herrschenden Sozialdemokratie gegen den ÖVP-Bundespräsidentkandidaten zunächst ausgelöst wurde, dann durch das Überspringen auf die USA sich verselbständigte und eine internationale, gegen den ehemaligen Generalsekretär der UNO gerichtete Dimension bekam.[58] Waldheim repräsentierte das österreichische Mitläufertum, das sich ins Vergessen geflüchtet hatte. Österreich erschien nun nicht mehr als kleines erfolgreiches Land, das sich so tapfer gegen den Nationalsozialismus und Kommunismus gewehrt hatte, sondern als Land des großen Betruges, das sich von seiner historischen Verantwortung gedrückt und die internationale Gemeinschaft jahrelang an der Nase herumgeführt hatte. Die „Opfernation” wurde zur „Täternation”.

Kurt Waldheim besaß nicht das intellektuelle Format eines Richard von Weizsäcker (der familiär viel tiefer in den Nationalsozialismus verwickelt war), um über den Ort des Nationalsozialismus in der österreichischen Geschichte glaubhaft reden zu können. Das war auch deshalb schwieriger, weil Waldheim ständig mit dem Vorwurf konfrontiert war, ein Kriegsverbrecher zu sein. Auch dann, als sich Waldheim, bereits zu spät und als Bundespräsident, für jene Verbrechen entschuldigte, „die von Österreichern im Zeichen des Nationalsozialismus begangen wurden”, wirkte alles halbherzig und unter Zwang.[59]

Innerösterreichisch löste Waldheims ominöser Satz, er sei bei der Deutschen Wehrmacht eingerückt, „wie hunderttausende Österreicher auch, die ihre Pflicht erfüllt haben”, eine leidenschaftliche Debatte über die österreichischen Soldaten in der deutschen Wehrmacht aus;[60] eine Debatte, die sich in den 1990er-Jahren, konzentriert auf die Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944”, wiederholte.[61] Unbewusst hatte Waldheim mit diesem Satz auch die offizielle Opferdoktrin unterhöhlt. Jedenfalls polarisierte diese Affäre die österreichische Bevölkerung.[62] Waldheim wurde, teilweise aus Trotz wegen der ausländischen Einmischung, zum Bundespräsidenten gewählt. Als der Bundespräsident am 27. April 1987 von der US-Regierung auf die Watchlist gesetzt wurde, was einem Einreiseverbot in die USA als Privatperson gleichkam, bedeutete dies seine völlige internationale Isolierung und wurde in Österreich als Demütigung der Nation empfunden. Die neue SPÖ-ÖVP-Regierung reagierte mit der Einsetzung einer Internationalen Historikerkommission (in der kein einziger österreichischer Zeitgeschichtler vertreten war), welche die Kriegsvergangenheit Waldheims untersuchen sollte. Das Ergebnis dieser Kommission wirkte ambivalent, konnte unterschiedlich interpretiert werden. Es hielt fest, dass Waldheim persönlich und direkt in keine Kriegsverbrechen verwickelt war, aber dass er in der Nähe solcher Entscheidungen agierte.[63] Politisch zwang diese Affäre die österreichische Regierung, die Gründungserzählung der Zweiten Republik neu zu formulieren. Das tat Bundeskanzler Franz Vranitzky mit seiner Erklärung vor dem österreichischen Nationalrat am 8. Juli 1991, die von einer Diplomatin vorformuliert wurde. Der Kernsatz lautete: „Viele Österreicher waren an den Unterdrückungsmaßnahmen und Verfolgungen des Dritten Reiches beteiligt, zum Teil an prominenter Stelle”.[64] Aus der Opferthese wurde, historisch wohl korrekt, eine Mittäterthese. Ob eine weitere politische Folge dieser Affäre tatsächlich stimmt, wie Michael Gehler annimmt, auch den Aufstieg der rechtspopulistischen Haider-FPÖ mitverursacht zu haben, müssen weitere Forschungen noch klären.[65]

Die Zeithistoriker waren von dieser Affäre tief betroffen. Sie nahmen an diesen Debatten über die Vergangenheitspolitik professionell teil, manche ließen sich auch von der Dämonisierung Waldheims beeinflussen, doch der volkspädagogische Auftrag der Zeitgeschichte, die postulierte Aufklärungsfunktion, schien durch die Wahl eines NS-belasteten Kandidaten in Frage gestellt. Nach einer Phase der Selbstbemitleidung, die 1987 bei einer Tagung in Salzburg zum Ausdruck kam, begann nach der Waldheimkrise eine neue Forschungsperiode.[66] Nun rückte der österreichische Nationalsozialismus zentral in die Agenda ein.[67] Der Buchtitel von Aleida Assmann und Ute Fevert „Geschichtsvergessenheit Geschichtsversessenheit” trifft noch deutlicher für Österreich zu.[68] Das offiziell deklarierte „Bedenkjahr” 1988 brachte mit 745 zeitgeschichtlichen Veröffentlichungen einen deutlichen Höhepunkt.[69] Das Fernsehen produzierte 1982 elf Sendungen mit NS-Themen, 1988 aber dreißig, die Zahl der Sendungen wuchs von 107 in den achtziger auf 214 in den 1990er-Jahren.[70] Vor allem die Landesgeschichte und die Landesarchive begannen nun intensiv dieses Thema in voller Breite zu bearbeiten. Allein das Archiv der Stadt Linz publizierte zwei Bände mit 1764 Seiten, die versuchten alle Aspekte der NS-Periode zu bearbeiten und mit der kommunalen Sozial- und Gesundheitspolitik auch neue Themenspektren eröffneten.[71] Waren die Fragen der Entnazifizierung schon des längeren ein Thema der Zeitgeschichte, rückten nun Fragen der Restitution arisierter Vermögen und „Wiedergutmachungen” ins Zentrum der Forschung.[72]

In den 1990er-Jahren schrumpfte der positivistische Teil österreichischer Zeitgeschichte auf die NS-Forschung im weitesten Sinne. Die Geschichte der Zweiten Republik wurde – mit Ausnahme der frühen Besatzungsjahre – weitgehend den Sozialwissenschaften überlassen.[73] Schon ertönten Stimmen, die vor einer weiteren Verengung der Zeitgeschichte warnten. Thomas Angerer nannte die österreichische Zeitgeschichte eine unvollständige Disziplin, die die jüngere Zeitgeschichte als Gegenwartsgeschichte wie die Pest meide.[74] Auf den Zeitgeschichtetagen in Klagenfurt 2001 trug eine Sektion den Titel: „Ist die Geschichte der Zweiten Republik nur die Geschichte der unaufgearbeiteten NS-Vergangenheit?”[75] Zweifellos gibt es Gegentendenzen. Das Innsbrucker Institut für Zeitgeschichte hatte sich intensiv mit der österreichischen Außenpolitik und den Integrationsbemühungen in die Europäische Union beschäftigt. Das Salzburger Forschungsinstitut für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek gibt eine mehrbändige Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945 heraus.[76] Dennoch bleibt der Eindruck, dass sich in den 1990er-Jahren in der professionellen Zeitgeschichte eine verspätete Konzentration auf die NS-Forschung durchsetzte, die sich in vielen Einzelforschungen verlor, ohne dass sich eine Neukonzipierung der NS-Herrschaft in Österreich wirklich abzeichnet und eine Historisierung des Nationalsozialismus in die längere Perspektive der österreichischen Geschichte ausbleibt.[77]

Pluralismus einer offenen Wissenschaft oder postmoderne Beliebigkeit?

Darüber sind sich alle Beobachter einig: Seit den 1980er-Jahren ist die österreichische Zeithistorie vielfältiger und bunter geworden.[78] Es existiert kein vorherrschendes Paradigma mehr. Wissenssoziologisch hing das mit dem Heranwachsen einer neuen Generation zusammen, die in den 1970er-Jahren geboren, institutionell ungesichert, sich teilweise der Neuen Kulturgeschichte und dem postmodernen Denken zuwandte. Diesen Pluralismus kann man (im Sinne der Postmoderne) als Erfolg feiern: „Die gegenwärtige österreichische Historiographie, und das ist durchaus erfreulich, bildet ein Konglomerat thematisch ganz unterschiedlicher Texte, die von der Mentalitätsgeschichte des Glücksspiels und der Entwicklung von Megalopolen über die Geschichte homosexueller Männer und lesbischer Frauen im Fin de siècle zur Kulturanalyse des Vampir-Films und zum Parteiproporz bei der Aufteilung sogenannten arisierten Vermögens in der postfaschistischen Zeit reicht”.[79] Die Differenz wurde wichtiger als der Mainstream, Relevanzkriterien verschwinden, wenn die „Kulturanalyse des Vampir-Films” ebenso wichtig wie die Analyse der wachsenden sozialen Ungleichheit seit den 1980er-Jahren ist.[80] Gleichzeitig entwickelte sich in der Post-Waldheimära eine neue Orthodoxie heraus, die jede abweichende Meinung sofort als „Revisionismus” bannt.[81] In Wahrheit ist dieser Pluralismus ziemlich trügerisch. Das sich anbahnende Spezialistentum ist vielfach kein Pluralismus der offenen Konkurrenz, sondern ein Pluralismus des Desinteresses und des gegenseitigen Ignorierens. Es gibt kaum offene Kontroversen, dafür unter der Decke ein gegenseitiges Diffamieren.[82] Das hängt wiederum mit dem Fehlen eines entwickelten Rezensionswesens und einer offenen Wissenschaftskultur zusammen.

Dennoch lassen sich einige Typen in der gegenwärtigen Zeitgeschichteforschung herausarbeiten.[83] Die veraltete Koalitionsgeschichte wurde restauriert und als „Österreichische Nationalgeschichte” wiederbelebt. Darin schreiben der gegenwärtige Bundespräsident, ehemalige Bundeskanzler und Bundesminister, Politiker, Journalisten und Historiker über die österreichische Nationalgeschichte nach 1945.[84] Immerhin zeigt das Titelbild selbstironisch Helmut Qualtinger als „Herr Karl”. Bedeutsamer ist die Tatsache der Konkurrenz der Sozial- und Kulturwissenschaften mit den Geschichtswissenschaften um das Forschungsfeld Zeitgeschichte. Diese Konkurrenz ist durchaus produktiv, weil die Sozialwissenschaften sich gegenüber der Geschichte geöffnet haben und die neueste Geschichte immer häufiger frühere Datenbestände der Sozialwissenschaften übernehmen kann. Freilich wird das Verhältnis von Zeitgeschichte und Sozialwissenschaften selten theoretisch reflektiert, sondern schlägt sich meist in Sammelbänden nieder, in denen Texte von Zeithistorikern und Sozial- und Kulturwissenschaftlern relativ beziehungslos nebeneinander stehen.[85] Die Dominanz der Politikgeschichte innerhalb der Zeitgeschichte erklärt sich wohl aus der Gewaltgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sie wird aber zunehmend von der Politikwissenschaft konkurriert.[86] Josef Ehmer hat wohl recht, wenn er feststellt, dass die Zeithistoriker in der Erforschung der Geschichte des 20. Jahrhunderts bereits in die Position der Minderheit geraten sind.[87] Es wird schwieriger, ein eigenes Profil der Zeitgeschichte aufrecht zu erhalten und sich neu zu positionieren.

Das gelingt leichter im Typus der positivistischen Ereignis- und Tatsachengeschichte, der auf die Aufarbeitung der belasteten Vergangenheit konzentriert ist: zunächst der Aufarbeitung der Ersten Republik und des „Austrofaschismus”, dann – nach der Waldheimaffäre – der Aufarbeitung des österreichischen Nationalsozialismus. Der Gang in die Archive, die methodisch korrekte und kritische Auswertung neuer Quellen, das Interesse am Einzelfall, geben der Zeitgeschichte ein zwar traditionelles, aber durchaus eigenständiges Profil gegenüber den Sozialwissenschaften. Die staatlich etablierte Historikerkommission, für die Erforschung der Arisierungen und Restitutionen, mit über hundert Mitarbeitern, ist derzeit das deutlichste Beispiel für diesen Typus.[88] Darüber hinaus haben die Erforschung der Zwangsarbeit, der KZ-Geschichte in Österreich, der Beteiligung österreichischer Soldaten an den Verbrechen der Deutschen Wehrmacht eine Fülle neuer Erkenntnisse bereit gestellt.[89] Was mit dieser Materialfülle dann geschieht, ist noch offen. Vielleicht gelingt es einem aus dem Kreis der Ereignishistoriker, die Struktur der NS-Herrschaft in Österreich neu zu konzipieren.

Jedenfalls wächst so dem anderen Typus der österreichischen Zeitgeschichte, der Gesellschaftsgeschichte als Syntheseversuch, eine neue Aufgabe zu. Die Gesellschaftsgeschichte wird in der österreichischen Zeitgeschichteforschung dreifach diskutiert. Erstens nach den Bielefelder Modell mit den „Potenzen” Wirtschaft-Politik-Kultur;[90] zweitens nach Pierre Bourdieu mit unterschiedlichen „Handlungsfeldern” und ihrer Vernetzung;[91] drittens nach dem gemäßigt postmodernen und feministischen Theorienentwurf des Zugriffes auf die Gesellschaftsgeschichte von den Rändern, den Minoritäten und marginalisierten Teilen der Gesellschaft her.[92] Welche Variante man auch bevorzugt, es bleibt das große Problem der Gesellschaftsgeschichte, wie man die einzelnen Segmente verknüpfen, wie man Makro- und Mikrogeschichte, wie man Struktur- und Erfahrungsgeschichte theoretisch plausibel verbinden kann. Obendrein hat die erste Form der Gesellschaftsgeschichte den Vorteil, das sie bereits durchexerziert, als Buch greifbar und kritisierbar ist, während die beiden anderen Formen nur als Entwürfe und Programme vorhanden sind. Das Projekt Gesellschaftsgeschichte hatte nie eine Scheu vor den Sozial- und Kulturwissenschaften. Als Syntheseversuch ist es gerade darauf ausgerichtet, die Forschungsergebnisse der anderen Wissenschaften möglichst umfassend in die historische Perspektive einzuarbeiten. Dass es dabei Grenzen gibt, ist klar. Vielleicht liegt die Stärke der zeitgeschichtlichen Gesellschaftsgeschichte gerade darin, die eigenständige Position der Geschichte gegenüber anderen Disziplinen deutlicher sichtbar zu machen.

Eng an die Gesellschaftsgeschichte angebunden ist die Wirtschaftsgeschichte, die im Forschungsfeld Zeitgeschichte weitaus besser ausgebildet ist als die Sozialgeschichte. Der Schwerpunkt der Forschung liegt in der Analyse der großen Depression und der gelenkten Wirtschaft des Nationalsozialismus.[93] Die Wirtschaftsgeschichte der Zweiten Republik wird hingegen weitgehend den Ökonomen überlassen.[94]

In den letzten zwei Jahrzehnten erlebte die Neue Kulturgeschichte in Österreich eine geradezu explosionsartige Entwicklung.[95] Zum Teil in Verschmelzung mit den Sozialwissenschaften, besonders im Felde der Identitätsbildung, zum Teil im schon unübersichtlichen Bereich der postmodernen Theorieansätze:[96] die enorm expandierende Geschlechtergeschichte, Semiotik, Mediengeschichte, Cultural Studies, das Grazer Projekt Moderne um 1900 und vielerlei Formen der Erinnerungsgeschichte. Die Geschlechtergeschichte holte zunächst mit vielen Studien die Frauen in das Licht der Geschichte, die Männer als Geschlechtswesen blieben vorläufig unbeachtet (mit Ausnahme der männerbündischen Burschenschaften).[97] Die in Wien herausgegebene Zeitschrift L'Homme ist das wissenschaftliche Zentrum der Frauengeschichte. Die Semiotik befruchtete die Geschichte der Kunst in ihren vielen Sparten.[98] Die völlig unüberschaubare Entwicklung der Kunstwissenschaften unterstützt die These von Josef Ehmer, dass sich in diesem Forschungsfeld die Zeitgeschichte als Fach auflöst und in neue Paradigmen und Institutionen eingeschmolzen wird.[99] Besser integrierbar sind sicherlich Mediengeschichte und Cultural Studies.[100] Vor allem letztere haben einige beachtenswerte Studien hervorgebracht.[101] Das wohl größte Projekt der Neuen Kulturgeschichte ist seit 1994 als Spezialforschungsbereich an der Universität Graz angesiedelt: das Projekt Moderne in Zentraleuropa um 1900, das zeitlich bis 1914, teilweise bis 1938 ausgedehnt ist. Inter- und transdisziplinär sind sechs geisteswissenschaftliche Disziplinen daran beteiligt. Der Versuch von Helmut Konrad in der Programmschrift, die Epoche um 1900 für die Zeitgeschichte zu beanspruchen, widerspricht inzwischen wohl dem allgemeinen Verständnis von Zeitgeschichte als Epoche der Mitlebenden; sein weiterer Versuch, die Zeitgeschichte als Synthesefach festzuschreiben, ist in den Folgebänden deutlich falsifiziert worden.[102] Obendrein sind die Analysekategorien ziemlich schwammig, weil es nicht gelingt, das konstatierte Nebeneinander von vormodernen, modernen und postmodernen Elementen in der Kultur um 1900 trennscharf zu bestimmen. Trotzdem sind in den zahlreichen publizierten Sammelbänden einige erfolgsversprechende neue Forschungsfelder der Kulturgeschichte aufgetan worden.[103]

In diesem „Gewebe der Kultur” besetzten historisches Gedächtnis und kollektive Erinnerungen einen immer größeren Raum: als einer „Geschichte zweiten Grades” (Pierre Nora) geht es ihr weniger um die Realgeschichte als um „Erinnerungsorte”, um den Kampf der Erinnerungen, um hegemoniale und unterdrückte Erinnerungen, in der Zeitgeschichte vielfach als Nachgeschichte des Nationalsozialismus verstanden.[104] Die Sektion „Das Gedächtnis der Zweiten Republik” bei den Österreichischen Zeitgeschichtetagen in Wien 1997 behandelte beispielsweise lediglich die Erinnerung an den Nationalsozialismus.[105] Demnächst erscheint der erste Band der „Österreichischen Erinnerungsorte”. Im Gegensatz zum französischen und deutschen Vorbild werden diese Erinnerungsorte nicht von den Historikern festgelegt, sondern wurden in einer repräsentativen Umfrage von der Bevölkerung bestimmt.[106]

Ein neues Konzept für die Zeitgeschichte?

Die Kritik an der nationalstaatlichen Verengung der Zeitgeschichte ist nicht neu. Sie wurde naturgemäß durch die Globalisierungsdebatte verschärft. Das Salzburger Institut für Geschichte reagierte darauf mit der Umwandlung des Lehrstuhles „Österreichische Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte” in eine Professur für „Vergleichende europäische Zeitgeschichte”. Michael Gehler, ein profilierter Vertreter der Innsbrucker Schule der Zeitgeschichte, die sich seit ihrer Gründung durch Rolf Steininger mit den Internationalen Beziehungen der Nachkriegsperiode beschäftigt hatte, publizierte 2001 einen Entwurf der Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem.[107] Ein wenig innsbrucklastig in der Rezeption der österreichischen Zeitgeschichte (was die Literaturangaben betrifft) wird der Vorschlag gemacht, Zeitgeschichte gleichzeitig auf vier Ebenen zu betreiben: auf regionaler, nationaler, europäischer und globaler Ebene.

Das Buch spart nicht mit kritischen Bemerkungen über den Zustand der österreichischen Zeitgeschichte, die viel zu partei- und ideologieanfällig sei. Ferner kritisiert Gehler die wachsende Spezialisierung, die den Blick für das Wesentliche verliere. Der Autor versäumt jedoch zu sagen, wie die verschiedenen Ebenen der Zeitgeschichte verknüpft werden können.[108] Gehler gibt Andeutungen, etwa die Zentrum-Peripherie-Spannung als Achse der Darstellung oder Teamwork als Chance, führt auch einige Fallbeispiele an. Das hilft aber wenig, das entscheidende Problem der Integration der vier Ebenen zu lösen. Die Debatte über Makro- und Mikrogeschichte hat deutlich gemacht, welche realen Darstellungsschwierigkeiten dabei auftreten.[109]

Auch der Entwurf der „Transnationalen Gesellschaftsgeschichte” steckt voller Anregungen, den bisherigen Horizont der Historie zu überschreiten, ohne bereits in ein konkretes Arbeitsprogramm zu münden.[110] Ebenso zeigt der kühne Versuch Charles S. Maiers, das 20. Jahrhundert neu zu konzipieren, dass die Zeitgeschichte wieder in Bewegung geraten ist und die Globalisierung tatsächlich die große Herausforderung für die Geschichtswissenschaft ist.[111] Maier entwirft zwei große Erzählungen über das 20. Jahrhundert: die des Westens, die auf den Erfahrungen des Holocaust und der kommunistischen Gulags aufbaut; außerhalb der atlantischen Welt eine eher parochiale Erzählung. Für die übrige Welt formt die koloniale und postkoloniale Dominanz des Westens eine eigene große Erzählung.[112]

Wo kann sich angesichts dieser Herausforderungen die Zeitgeschichte eines kleinen Landes, mit knappen intellektuellen Ressourcen, dann platzieren? Es ist wohl Bescheidenheit angesagt. Die postmodernen Spielereien werden uns nicht aus dem Dilemma helfen. Die Nationalgeschichte wird ein Schwerpunkt bleiben müssen, in möglichst vielen Dimensionen, auf möglichst vielen Ebenen und bis nahe an die Gegenwart heranreichend. Doch die Herausforderung der „transnationalen Zeitgeschichte” liegt für Österreich entschieden im zentraleuropäischen Raum. Hier müssen die Anstrengungen verstärkt, die Zusammenarbeit intensiviert, das Erbe der Habsburgermonarchie kritisch und offen genützt werden.
Es gibt immerhin ermutigende Anzeichen in diese Richtung, jenseits der politischen Verhärtungen und demagogischen Instrumentalisierungen des Nationalismus.[113]

Empfohlene Literatur zum Thema

Zitation
Ernst Hanisch, Österreich - Die Dominanz des Staates. Zeitgeschichte im Drehkreuz von Politik und Wissenschaft, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.3.2011, URL: http://docupedia.de/zg/.C3.96sterreich_-_Die_Dominanz_des_Staates (Wiederveröffentlichung von: Ernst Hanisch, Die Dominanz des Staates. Österreichische Zeitgeschichte im Drehkreuz von Politik und Wissenschaft, in: Alexander Nützenadel/Wolfgang Schieder (Hrsg.), Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven in Europa, Göttingen 2004, S. 54-77.)

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Anmerkungen

    1. Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine überarbeite Wiederveröffentlichung eines Artikels aus dem Jahr 2004: Ernst Hanisch, Die Dominanz des Staates. Österreichische Zeitgeschichte im Drehkreuz von Politik und Wissenschaft, in: Alexander Nützenadel/Wolfgang Schieder (Hrsg.), Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven in Europa, Göttingen 2004, S. 54-77.
    2. Heinrich Friedjung, Österreich von 1848 bis 1860, 2 Bde., Stuttgart 1912; Franz Adlgasser (Hrsg.), Heinrich Friedjung: Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1898-1919, 2 Bde., Wien 1997.
    3. Heinrich Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland 1859 bis 1966, 2 Bde., Stuttgart 1897/98; ders., Das Zeitalter des Imperialismus 1884-1914, Bd. 1, Berlin 1919.
    4. Fritz Fellner, „... ein wahrhaft patriotisches Werk“. Die Kommission für Neuere Geschichte Österreich 1897-2000, Wien 2001.
    5. Axel Schildt, Zeitgeschichte, in: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.), Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek 1998, S. 318-330.
    6. Programm und Teilnehmerliste in: Österreichische Zeitgeschichte im Geschichtsunterricht. Bericht über die Expertentagung von 14.12. bis 16.12.1960 in Reichenau, Wien 1961, S. 229-233.
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    15. Neubearbeitung: Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Wien 1993.
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    26. Erika Weinzierl u.a. (Hrsg.), Justiz und Zeitgeschichte, Symposionsbeiträge 1976-1993, 2 Bde., Wien 1995.
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    29. Leopold R. G. Decloedt, Thomas Bernhard ‚Der Schwierige‘. Gedanken zur Bernhard Rezeption im niederländischen Sprachraum, in: Grenzenloses Österreich. Dokumentation 5: Ästhetik und Ideologie Aneignung und Sinngebung, Abgrenzung und Ausblick. Hrsg. v. österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr, Wien 1997, S. 57-74; hier S. 72.
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    37. Vgl. die Dokumentensammlungen Widerstand und Verfolgung in den einzelnen Bundesländern, die seit 1975 publiziert wurden. Bezeichnender Weise fehlen die Steiermark und Kärnten bis heute; Gottfried-Karl Kindermann, Hitlers Niederlage in Österreich, Hamburg 1984.
    38. Ernst Hanisch, Neuere Faschismustheorie, in: Zeitgeschichte 1 (1973), S. 19-23; M. Reiter, Unter Antisemitismus-Verdacht. Die österreichische Linke und Israel nach der Shoah, Innsbruck 2001, S. 21-31.
    39. Peter Novick, The Holocaust in American Life, Boston 1999; F. Steinkeller, Schriftenverzeichnis Erika Weinzierl, in: Rudolf G. Ardelt (Hrsg.), Unterdrückung und Emanzipation. Festschrift für Erika Weinzierl zum 60. Geburtstag, Wien 1985, S. 353-401.
    40. Gerhard Botz (Hrsg.), „Qualität und Quantität“. Zur Praxis der Methoden der Historischen Sozialwissenschaft, Frankfurt a. M. 1988; Josef Ehmer/Albert Müller, Sozialgeschichte in Österreich. Traditionen, Entwicklungsstränge und Innovationspotential, in: Jürgen Kocka (Hrsg.), Sozialgeschichte im internationalen Überblick. Ergebnisse und Tendenzen der Forschung, Darmstadt 1989, S. 117-138.
    41. Rudolf Burger, Einleitung, in: Faschismus in Österreich und international, Jahrbuch für Zeitgeschichte 1980/81, S. 12.
    42. Gerhard Botz, Wien vom „Anschluß“ zum Krieg. Nationalsozialistische Machtübernahme und politisch-soziale Umgestaltung am Beispiel der Stadt Wien 1938/39, Wien 1978; Ernst Hanisch, Nationalsozialistische Herrschaft in der Provinz. Salzburg im Dritten Reich, Salzburg 1983 (Neubearbeitet: Gau der guten Nerven. Die nationalsozialistische Herrschaft in Salzburg 1938-1945, Salzburg 1997).
    43. Ernst Hanisch, Regionale Zeitgeschichte. Einige theoretische und methodologische Überlegungen, in: Zeitgeschichte 7 (1979), S. 39-60; M. Gehler, „Regionale“ Zeitgeschichte als „Geschichte überschaubarer Räume“. Von Grenzen, Möglichkeiten, Aufgaben und Fragen einer Forschungsrichtung, in: Geschichte und Region/Storia e regione 1 (1992), S. 85-120.
    44. Emmerich Tálos (Hrsg.), NS-Herrschaft in Österreich 1938-1945, Wien 1988 (neubearbeitet: ders. (Hrsg.), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch, Wien 2001).
    45. In ihrem unpublizierten Habilitationsvortrag in Salzburg 2001.
    46. Ernst Hanisch, Überlegungen zum Funktionswandel des Antikommunismus. Eine österreichische Perspektive, in: Gertraud Diendorfer (Hrsg.), Zeitgeschichte im Wandel. 3. Österreichische Zeitgeschichtetage 1997, Innsbruck 1997, S. 37-45.
    47. Ernst Hanisch, Der lange Schatten des Staates.
    48. Der lange Schatten der Historiographie oder Barocke Aufklärung, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 6 (1995), S. 85-118.
    49. Ebd., S. 118.
    50. Diese postmoderne Gruppe konzentriert sich um die Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften.
    51. Siegfried Mattl/Albert Müller, Remix in History. Weitere Minima Moralia zur Debatte um Häuser der Toleranz und Zeitgeschichte, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 13 (2002), S. 133.
    52. Rolf Steininger, Michael Gehler (Hrsg.), Österreich im 20. Jahrhundert, 2 Bde., Wien 1997.
    53. Hubert Christian Ehalt (Hrsg.), Geschichte von unten. Fragestellungen, Methoden und Projekte einer Geschichte des Alltags, Wien 1984; Gerhard Botz/Josef Weidenholzer (Hrsg.), Mündliche Geschichte und Arbeiterbewegung, Wien 1984.
    54. Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien (Hrsg.), Wiener Wege der Sozialgeschichte. Themen – Respektiven – Vermittlungen, Wien 1997.
    55. Karin Berger, Zwischen Eintopf und Fließband. Frauenarbeit und Frauenbild im Faschismus. Österreich 1938-1945, Wien 1984; Christina Lutter/Elisabeth Menasse-Wiesbauer (Hrsg.), Frauenforschung, feministische Forschung, Gender Studies. Entwicklungen und Perspektiven, Wien 1999.
    56. Hugo Portisch, Österreich II., 2 Bde., Wien 31985; ders., Österreich I, Wien 1989.
    57. Gerhard Botz, Zeitgeschichte in einer politisierten Geschichtskultur: Historiographie zum 20. Jahrhundert in Österreich, in: Konrad H. Jarausch u. a. (Hrsg.), Geschichtswissenschaft vor 2000. Perspektiven der Historiographiegeschichte, Geschichtstheorie, Sozial- und Kulturgeschichte. Festschrift für Georg G. Iggers zum 65. Geburtstag, Hagen 1991, S. 299-328.
    58. Michael Gehler, Die Affäre Waldheim: Eine Fallstudie zum Umgang mit der NS-Vergangenheit in den achtziger Jahren, in: R. Steininger (Hrsg.), Österreich im 20. Jahrhundert, 2. Bd., S. 355-414; polemisch pro-Waldheim, aber mit neuen Quellen: H. Tittmann, Die Verteufelung. Eine Dokumentation der US-Rufmord-Kampagne gegen Waldheim, Wien 2001; T. Segev, Simon Wiesenthal. Die Biographie, München 2010, S.447-466.
    59. Michael Gehler, Die Affäre Waldheim, S. 380.
    60. Ebd., S. 385.
    61. Beispielhaft: Helga Embacher/Albert Lichtblau/Günther Sandner (Hrsg.), Umkämpfte Erinnerung. Die Wehrmachtsausstellung in Salzburg, Salzburg 1999.
    62. Heidemarie Uhl, Zwischen Versöhnung und Verstörung. Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem „Anschluß“, Wien 1992.
    63. Gehler, Die Affäre Waldheim, S. 372-377.
    64. Der Text in: Gerhard Botz (Hrsg.), Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte, S. 575.
    65. Gehler, Die Affäre Waldheim, S. 378.
    66. Gerhard Botz (Hrsg.), Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte.
    67. Evan B. Bukey, Nazi Rule in Austria, in: Austrian History Yearbook 22 (1992), S. 202-233; ders., Hitler’s Austria. Popular Sentiment in the Nazi Era, 1938-1945, Chapel Hill 2000.
    68. Aleida Assmann/Ute Fevert, Geschichtsvergessenheit Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945, Stuttgart 1999.
    69. Gerhard Botz „Eine neue Welt, warum nicht eine neue Geschichte?“ 2. Teil, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 1 (1990), S. 69.
    70. Hubert Feichtlbauer, Der Fall Österreich. Nationalsozialismus, Rassismus: Eine notwendige Bilanz, Wien 2000, S. 268.
    71. Fritz Mayrhofer/Walter Schuster (Hrsg.) Nationalsozialismus in Linz, 2 Bde., Linz 2001.
    72. Sebastian Meissl/Klaus-Dieter Mulley/Oliver Rathkolb (Hrsg.), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne. Entnazifizierung in Österreich 1945-1955, Wien 1986; Brigitte Bailer, Wiedergutmachung kein Thema. Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus, Wien 1993; Robert Knight (Hrsg.), „Ich bin dafür die Sache in die Länge zu ziehen“. Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 bis 1952 über die Entschädigung der Juden, Frankfurt a. M. 1988; Dieter Stiefel (Hrsg.), Die politische Ökonomie des Holocaust. Zur wirtschaftlichen Logik von Verfolgung und „Wiedergutmachung“, Wien 2001.
    73. Kurt Tweraser, US-Militärregierung Oberösterreich, 1. Bd., Linz 1995; Siegfried Beer (Hrsg.), Die „britische“ Steiermark 1945-1955, Graz 1995; Günter Bischof, Austria in the First Cold War, 1945-1955. The Leverage of the Weak, New York 1999; Von Günter Bischof wird auch die wichtige Reihe „Contemporary Austrian Studies“ herausgegeben; Oliver Rathkolb, Washington ruft Wien. US-Großmachtpolitik und Österreich 1953-1963, Wien 1997.
    74. Thomas Angerer, An Incomplete Discipline: Austrian Zeitgeschichte and Recent History, in: Günter Bischof/Anton Pelinka/Rolf Steiniger (Hrsg.), Austria in the Nineteen Fifties: (= Contemporary Austrian Studies 3, 1994), New Brunswick 1995, S. 207-251, hier S. 209.
    75. Ernst Hanisch, Perspektivierung der Zweiten Republik. Ist die Geschichte der Zweiten Republik nur die Geschichte der unaufgearbeiteten NS-Vergangenheit?, online unter: http://www.zeitgeschichte2001.at/download/paneleinreichung-030.pdf.
    76. Michael Gehler u. a. (Hrsg.), Österreich und die europäische Integration 1945-1993, Wien 1993; dies. (Hrsg.), Die Neutralen und die europäische Integration 1945-1995, Wien 2000.
    77. Herbert Dachs u. a. (Hrsg.), Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945. Bislang sind die Bande über Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Kärnten, Burgenland und Niederösterreich erschienen.
    78. Gerhard Botz, Krisen der österreichischen Zeitgeschichte, S. 64-66; Ernst Hanisch, Der forschende Blick. Österreich im 20. Jahrhundert: Interpretationen und Kontroversen, in: Carinthia I 189 (1999), S. 579-582; Gehler, Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem, S. 204-207.
    79. Mattl/Müller, Remix in History, 133.
    80. Kritisch zu ähnlichen Tendenzen: Hans-Ulrich Wehler, Deutsches Bürgertum nach 1945: Exitus oder Phönix aus der Asche ?, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 617-634.
    81. Ein Beispiel dafür ist die Burger-Kontroverse. Rudolf Burger, Die Irrtümer der Gedenkpolitik. Ein Plädoyer für das Vergessen, in: Europäische Rundschau 29 (2001), Nr. 2, S. 3-13; die Antworten in: ebd., Nr. 3, S. 3-70.
    82. Gehler, Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenenesystem, S. 189-192.
    83. Ich folge hier teilweise einem Vorschlag von Josef Ehmer, Sozialwissenschaftler/innen oder Zeithistoriker/innen: Wer schreibt die Geschichte des 20. Jahrhunderts? Referat am Workshop zum 60. Geburtstag von Gerhard Botz: Probleme und Perspektiven der Zeitgeschichte, Universität Wien, 23. November 2001.
    84. Robert Kriechbaumer (Hrsg.), Österreichische Nationalgeschichte nach 1945. Die Spiegel der Erinnerungen: Die Sicht von innen, Bd. 1, Wien 1998.
    85. Ein Beispiel dafür: Sieder u. a. (Hrsg.), Österreich 1945-1995.
    86. Bernd Weisbrod, Sozialgeschichte und Gewalterfahrung im 20. Jahrhundert, in: P. Nolte u. a. (Hrsg.), Perspektive der Gesellschaftsgeschichte, München 2000, S. 112-123; Gerhard Botz, Krisenzonen einer Demokratie. Gewalt, Streik und Konfliktunterdrückung in Österreich seit 1918, Frankfurt a. M. 1987.
    87. Vgl. Ehmer, Sozialwissenschaftler/innen oder Zeithistoriker/innen.
    88. Clemens Jabloner, Die Historikerkommission. Konzepte und Entwicklungen, in: Dieter Stiefel (Hrsg.), Die österreichischen Lebensversicherungen und die NS-Zeit. Wirtschaftliche Entwicklung. Politischer Einfluss. Jüdische Polizzen, Wien 2001, S. 11-20; zu diesem Typus gehören auch die Quelleneditionen: Protokolle des Ministerrates der Ersten Republik, Abt. VIII, Kabinett Dollfuß, 7 Bde., Wien 1980-1986; Außenpolitische Dokumente der Republik Österreich 1918-1938, 4 Bde., Wien 1993-1998.
    89. Zusammenfassend: Tálos u. a. (Hrsg.), NS-Herrschaft in Österreich, S. 123-158; S. 644-695; S. 721-743.
    90. Vgl. Hanisch, Der lange Schatten des Staates.
    91. Reinhard Sieder, „Gesellschaft“ oder die Schwierigkeit, vernetzend zu denken. Die zweite Republik Österreich, in: Geschichte und Gesellschaft 24 (1998), S. 199-224; Ernst Langthaler, Die Erfindung des Gebirgsbauern. Identitätsdiskurse zwischen NS-System und voralpiner Lebenswelt, in: ders. u. a. (Hrsg.), Über die Dörfer. Ländliche Lebenswelten in der Moderne, Wien 2000, S. 87-142.
    92. Ingrid Bauer, Von den Autobahnen der Erkenntnis – und versäumten Ausfahrten, in: L’Homme 7 (1996), S. 206-211.
    93. Alice Teichova/Herbert Matis/Andreas Resch (Hrsg.), Business History. Wissenschaftliche Entwicklungstrends und Studien aus Zentraleuropa, Wien 1999; Dieter Stiefel, Die große Krise in einem kleinen Land. Österreichische Finanz- und Wirtschaftspolitik 1929-1938, Wien 1988; ders., Finanzdiplomatie und Wirtschaftskrise. Die Krise der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe 1931, Frankfurt a. M. 1989; ders., Die österreichischen Lebensversicherungen und die NS-Zeit. Wirtschaftliche Entwicklung. Politischer Einfluss. Jüdische Polizzen, Wien 2001; Peter Berger, Im Schatten der Diktatur. Die Finanzdiplomatie des Vertreters des Völkerbundes in Österreich, Meinoud Marinus Rost van Tonningen 1931-1936, Wien 2000.
    94. Ein Gegenbeispiel: Franz Mathis, Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen, 2 Bde., Wien 1987/90.
    95. Ute Daniel, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 2001; Karl H. Hörning/Rainer Winter, Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung, Frankfurt a. M. 1999; Lawrence Grossberg, What’s going on? Cultural Studies und Populärkultur, Wien 2000.
    96. Max Haller, Identität und Nationalstolz der Österreicher. Gesellschaftliche Ursachen und Funktionen. Herausbildung und Transformation seit 1945. Internationaler Vergleich, Wien 1996; Max Preglau/Rudolf Richter (Hrsg.), Postmodernes Österreich? Konturen des Wandels in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur, Wien 1998.
    97. Günter Bischof (Hrsg.), Women in Austria, New Brunswick 1998 (Contemporary Austrian Studies 6); Michael Gehler, Studenten und Politik. Der Kampf um die Vorherrschaft an der Universität Innsbruck. 1918-1938, Innsbruck 1990. Ernst Hanisch, Männlichkeiten. Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts. Wien 2005.
    98. Martin W. Drexler u. a. (Hrsg.), Idealzone Wien. Die schnellen Jahre (1978-1985), Wien 1998.
    99. Ehmer, Probleme und Perspektiven der Zeitgeschichte.
    100. Gabriele Melische/Josef Seethaler, Demokratie und Identität. Zehn Jahre Republik in der Wiener Presse 1928, Wien 1993; dies., Die Wiener Tageszeitungen, Bd. 5, 1945-1955, Frankfurt a. M. 1999; Monika Bernold/Andrea Ellmeier, Zur Geschichte des Sendens. Konsum und Politik im Österreich der 50er- und 60er-Jahre, Forschungsbericht, Wien 1995; Günther Sander, Engagierte Wissenschaft. Austromarxistische Kulturstudien und die Anfänge der britischen Cultural Studies, Wien 2006.
    101. Wolfgang Maderthaner/Lutz Musner, Die Anarchie der Vorstadt. Das andere Wien um 1900, Frankfurt a. M. 1999; Roman Horak/Wolfgang Maderthaner/Siegfried Mattl (Hrsg.), Metropole Wien. Texturen der Moderne, 2 Bde., Wien 2000; Moritz Csáky, Das Gedächtnis der Städte. Kulturelle Verflechtungen – Wien und die urbanen Milieus in Zentraleuropa, Wien 2010.
    102. Helmut Konrad, Zeitgeschichte und Moderne in: Rudolf Haller (Hrsg.), nach kakanien. Annäherung an die Moderne, Wien 1996, S. 23-58.
    103. Helmut Konrad (Hrsg.), Krieg, Medizin und Politik. Der Erste Weltkrieg und die österreichische Moderne, Wien 2000.
    104. Meinrad Ziegler/Waltraud Kannonier-Finster, Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit, Wien 1993. Günter Bischof (Hrsg.), Austrian Historical Memory and National Identity, New Brunswick 1997 (Contemporary Austrian Studies 5); Stefan Riesenfellner (Hrsg.), Steinernes Bewusstsein I. Die öffentliche Repräsentation staatlicher und nationaler Identität Österreichs in seinen Denkmälern, Wien 1998; Moritz Csáky/Peter Stachel (Hrsg.), Die Verortung von Gedächtnis, Wien 2001.
    105. Panel 10. Das Gedächtnis der Zweiten Republik, in: Gertraud Diendorfer u. a. (Hrsg.), Zeitgeschichte im Wandel. 3. Österreichische Zeitgeschichtetage 1997, S. 583.
    106. Pierre Nora (Hrsg.), Realms of Memory. The Construction of the French Past, 3 Bde., New York 1996/1998; Etienne François/Hagen Schulze (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte, 3 Bde., München 2001; Emil Brix (Hrsg.), Memoria Austriae, 3 Bde., Wien 2005.
    107. Gehler, Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem.
    108. Ebd., S. 145, S. 204.
    109. Winfried Schulze (Hrsg.), Sozialgeschichte, Alltagsgeschichte, Mikro-Historie, Göttingen 1994; Jürgen Schlumbohm (Hrsg.), Mikrogeschichte Makrogeschichte komplementär oder inkommensurabel?, Göttingen 1998.
    110. Jürgen Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte: Erweiterung oder Alternative, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 464-479; Albert Wirtz, Für eine transnationale Gesellschaftsgeschichte, in: ebd., S. 489-498.
    111. Charles S. Maier, Cousiging the Twentieth Century to History: Alternative Narratives for the Modern Era, in: The American Historical Review 105 (2000), S. 807-831.
    112. Ebd., S. 826; Dipesh Chakrabarty, Europa als Provinz. Perspektiven postkolonialer Geschichtsschreibung, Frankfurt/M. 2010.
    113. Werner Bergmann/Rainer Erb/Albert Lichtblau (Hrsg.), Schwieriges Erbe. Der Umgang mit Nationalsozialismus und Antisemitismus in Österreich, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M. 1995; Gernot Heiss u. a. (Hrsg.), An der Bruchlinie, Österreich und die Tschechoslowakei nach 1945, Innsbruck 1998; Zeitgeschichte(n) in Österreich. HistorikerInnen aus vier Generationen anlässlich „30 Jahre Zeitgeschichte“ in: Zeitgeschichte 30 (2003), 305-406.