Publikationsserver des Leibniz-Zentrums für
Zeithistorische Forschung Potsdam e.V.

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Achim Saupe

Authentizität

Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.08.2015
https://docupedia.de//zg/Saupe_authentizitaet_v3_de_2015

DOI: https://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.705.v3

Artikelbild: Authentizität

Wettbewerbs-Tänzer eines vom National Museum of the American Indian gesponsorten "National Powwow", 2005 Foto: R.A. Whiteside <a rel="nofollow" class="external text" href="https://www.flickr.com/photos/smithsonian/2574796511/in/photolist-4VAJM… Flickr</a> (<a rel="nofollow" class="external text" href="https://creativecommons.org/publicdomain/mark/1.0/deed.de">Public Domain</a>)

Jetzt in einer vollständig überarbeiteten und erweiterten Neuauflage Version 3.0: Achim Saupe zeigt in seinem Artikel den Aufstieg des neuzeitlichen Authentizitätsbegriffs, der eng mit der Geschichte des modernen Subjekts verknüpft ist, betrachtet ihn vor dem Hintergrund der Entwicklung der modernen Medien- und Konsumgesellschaft und stellt die Frage, wie sich das Politische zum Authentischen verhält. Schließlich wird in methodischer und thematischer Hinsicht die Authentizitätsproblematik in der historischen Forschung dargestellt.

Authentizität

von Achim Saupe

„Sei authentisch!” – diese Anforderung an das moderne Selbst ist insbesondere in alternativen Milieus der 1970er- und 1980er-Jahre geprägt worden und findet heutzutage in einer zunehmend medialisierten und digitalen Welt neue Bedeutung. Der schillernde Authentizitätsbegriff, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem allseits verwandten Schlagwort und vielbeachteten Phänomen in den Kulturwissenschaften geworden ist, gewinnt sowohl in methodologischer Hinsicht als auch als Forschungsgegenstand zunehmend an Bedeutung für die zeithistorische Forschung. Historiker/innen begegnen der Problematik des Authentischen, wenn sie sich mit Fragen der Echtheit und Originalität der Überlieferung und damit der Evidenz und dem Wirklichkeitsbezug ihrer Aussagen beschäftigen. Zudem betreffen Authentizitätsfragen viele Bereiche der Geschichtskultur.

Doch was heißt „authentisch”, und was bedeutet die Zuschreibung von Authentizität? Nach der griechischen Herkunft des Wortes bedeutet authentisch (αυθεντικός authentikós; lat: authenticus) zunächst Echtheit im Sinne eines Verbürgten, das „als Original befunden” wird. Die Wortbedeutung umfasst darüber hinaus Urheberschaft, Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und auch die Treue zu sich selbst. Zudem ist aber im Griechischen mit dem Authentischen auch der „Herr” und „Gewalthaber” mit gemeint, was den Begriff eng mit „Autorität” und der „Autorisierung” von (kulturellen) Sachverhalten verknüpft. Die Wortbedeutung – heute freilich wenig bekannt – reicht sogar weiter: authentikós konnte auch den „Mörder” und „Täter” sowie das Selbstvollendete (auto-entes) und den/die „Selbsthandanlegende” implizieren, sodass der Bedeutungshorizont auch den Selbstmörder mit einschließt.[1]

Etwas vereinfachend lässt sich zunächst zwischen einer Objektauthentizität – im Sinne materieller beziehungsweise geprüfter Echtheit – und einer Subjektauthentizität – als Ausdruck der Treue zu sich selbst – unterscheiden. Authentizität kann also etwa den authentischen Text (Philologie) oder das authentische Ausstellungsobjekt, authentische Darstellungen und Aufführungen (das authentische Kunstwerk, die authentische Fotografie, die authentische historische Darstellung oder aber den authentischen Ausdruck im Schauspiel) sowie Subjekte (etwa die authentische Existenz sowie die authentische Verkörperung oder Darstellung des Selbst) betreffen. Das „Authentische” – welches immer einen gewissen Mehrwert gegenüber dem „Echten” und „Originalen” zu besitzen scheint – kann dabei als Abstraktum oder als konkrete Eigenschaft verstanden werden und ist immer an (mediale) Repräsentationen und (Selbst-)Darstellung gebunden. Authentizität wird jemandem oder etwas zugeschrieben, oder aber es wird bei Personen mit bestimmten Äußerungen des Selbst assoziiert. Entgegen einer einfachen Zuschreibung von Authentizität, die nicht selten ontologisch oder essentialistisch überhöht wird, wenn man etwa von der Verkörperung von Authentizität spricht, bietet es sich an, Authentizität vor allem im Hinblick auf Kommunikationsstrukturen zu untersuchen, d.h. danach zu fragen, wem und was wann, wie und weshalb Authentizität zugesprochen wird. In diesem Sinne kann man mit Helmut Lethen skeptisch festhalten: „Was authentisch ist, kann nicht geklärt werden”, weshalb es allein um eine Analyse von „Effekten des Authentischen” gehen könne.[2]

Landtag Brandenburg – Stadtschloss Potsdam, Installation: Annette Paul; Foto: Dominik Juhnke, 2013, Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/ CC BY-NC 3.0 DE]<br />
„Ceci n'est pas un château“: Die Potsdamer Künstlerin Annette Paul gewinnt 2013 den zweiten Preis im Kunst am Bau-Wettbewerb des neu entstandenen Potsdamer Stadtschlosses. Der vehement geführten Debatte über die Rekonstruktionssehsucht in Potsdam begegnet Paul mit einer postmodern-ironischen Distanzierung.
Landtag Brandenburg – Stadtschloss Potsdam, Installation: Annette Paul; Foto: Dominik Juhnke, 2013, Lizenz: CC BY-NC 3.0 DE
„Ceci n'est pas un château“: Die Potsdamer Künstlerin Annette Paul gewinnt 2013 den zweiten Preis im Kunst am Bau-Wettbewerb des neu entstandenen Potsdamer Stadtschlosses. Der vehement geführten Debatte über die Rekonstruktionssehsucht in Potsdam begegnet Paul mit einer postmodern-ironischen Distanzierung.


Im Folgenden sollen drei Dimensionen näher betrachtet werden: Erstens geht es um den Aufstieg des neuzeitlichen Authentizitätsbegriffs, der eng mit der Geschichte des modernen Subjekts verknüpft ist. Zweitens wird der Authentizitätsbegriff vor dem Hintergrund der Entwicklung der modernen Medien- und Konsumgesellschaft betrachtet sowie die Frage gestellt, wie sich das Politische zum Authentischen verhält. Drittens wird in methodischer und thematischer Hinsicht die Authentizitätsproblematik in der historischen Forschung dargestellt.


Personale Authentizität – der Aufstieg des modernen Authentizitätsbegriffs

Der Aufstieg des Authentizitätsbegriffs ist eng an die Geschichte, Konzeption und Ethik des modernen Subjekts gebunden. Authentizität kann als eine Quelle des neuzeitlichen Selbst verstanden werden und wird in der politischen Theorie oft vom Begriff der Autonomie abgegrenzt, womit zugleich eine Differenzierung zwischen „Selbstbestimmung” und „Selbstverwirklichung” vorgenommen wird.[3]

Ein Wendepunkt lässt sich sicherlich anhand des Werks von Jean-Jacques Rousseau festmachen, der als „Begründer einer Ethik der Authentizität”[4] gilt, auch wenn er diesen Begriff selbst selten benutzt hat. Für Rousseau ist die Entfaltung des moralischen Bewusstseins nur dadurch möglich, „dass Personen sich in einem authentischen Selbstverhältnis befinden, das metaphorisch als Treue zur eigenen inneren Natur bezeichnet werden kann. Das aufrichtige Selbstverhältnis hängt nicht von moralischen Belehrungen ab, sondern geht aus dem Gefühl der eigenen Existenz hervor, dem das Gewissen bereits eingeschrieben ist.”[5] Rousseaus Werk kann insofern als ein Indikator eines langfristigen Umgestaltungsprozesses verstanden werden, der die neuzeitliche Kultur zu Vorstellungen tieferer Innerlichkeit und radikaler Autonomie hinführte. Auf ihn beziehen sich in der einen oder anderen Weise philosophische Theorien der Selbsterkundung ebenso wie Überzeugungen, die Freiheit durch Selbstbestimmung als Schlüssel zur Tugend ansehen.[6]

Neben Rousseau kann man die Vorstellung vom authentischen Selbst auf Johann Gottfried Herder zurückführen, der in seinen „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit” schrieb: „Jeder Mensch hat ein eignes Maß, gleichsam eine eigne Stimmung aller sinnlichen Gefühle zueinander.”[7] Die Vorstellung, dass jeder Mensch seine eigene originelle Weise hat, bildete sich am Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der Aufklärung, der Kultur der Empfindsamkeit und der Frühromantik bzw. des von Charles Taylor diagnostizierten „Expressivismus” aus und ist tief in das moderne Bewusstsein eingegangen. Mit der Entdeckung der Originalität und der „inneren Stimme“ gewinnt das Authentische an Bedeutung. Doch ist mit der Vorstellung, dass jedes Individuum etwas Ureigenes ist, zugleich auch die Herausforderung verbunden, der eigenen Originalität im Leben gerecht zu werden.[8]

Während Theodor W. Adorno die Verwendung des Authentizitätsbegriffs im Rahmen seiner ästhetischen Theorie noch rechtfertigen zu müssen glaubte und ihm als „Wort aus der Fremde” die Qualität eines „Zauberworts”[9] attestierte, sollte der Authentizitätsdiskurs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen rasanten Aufstieg erleben, der sich mitunter auch auf die Existenzphilosophien Martin Heideggers und Jean-Paul Sartres berufen konnte. Das „Authentische” stand seit den 1960er-Jahren in der Hippie-Bewegung, im linksalternativen Milieu und den Neuen Sozialen Bewegungen, aber auch im New Age und der Esoterik, die ihrerseits an die Lebensreformbewegungen der Zeit um 1900 anschlossen, hoch im Kurs.[10] Verbunden war damit eine „Revolutionierung des Alltagslebens”, die „Selbstbestimmung, Selbsttätigkeit und Selbstverwirklichung” (Dieter Kunzelmann) anstrebte und mit der eine „Unmittelbarkeit des Politischen”, „eine Politik der ersten Person” und „ganzheitliche und körperbewusste Politikvorstellungen” verknüpft waren.[11] Dabei hatte man im linksliberalen Milieu, in dem das Authentische als „Identitätsmarker” sowie als „Selbstführungstechnik der Subjekte” fungierte, „nicht nur das Recht, selbstverwirklicht zu leben, sondern geradezu die Pflicht, über sich Rechenschaft abzulegen und die Selbsterkenntnisse anderen mitzuteilen. Zum Bekenntnis für ein alternatives Leben gehörten das Geständnis vermeintlich persönlicher Mängel und die Enthüllung derselben. Die frei gewählte Selbstthematisierungskultur bedeutete keineswegs nur Freiheit, sondern auch den Zwang der Selbstverpflichtung – gegenüber sich selbst und den anderen.”[12]

In kritischer Auseinandersetzung mit den Neuen Sozialen Bewegungen profilierten sich in den 1970er- und 80er-Jahren zunehmend authentizitätsskeptische Stimmen, die gerade in den trivialeren Formen des Authentizitätspathos, der Selbstverwirklichung und Selbsterfüllung die Tendenz zu Selbstabschottung, Ich-Bezogenheit und Narzissmus sahen. Während Christopher Lasch im kulturkonservativen Duktus die Konsumgesellschaft als eine culture of narcissism beschrieb, die auf Werte weitgehend verzichte, erkannte Lionel Trilling im zeitgenössischen Authentizitätsdiskurs einen dogmatischen „Moraljargon”, der anzeige, wie problematisch man die eigene Existenz einschätze.[13]

Richard Sennett sprach 1977 in „The Fall of Public Man” von der „Tyrannei” bzw. der „Ideologie der Intimität”, welche die politische Kultur des 20. Jahrhunderts zunehmend ausmache, und diagnostizierte einen „Verfall des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens”.[14] Der „Narzissmus und der Markt der Selbstoffenbarung” strukturierten „Verhältnisse, unter denen der intime Ausdruck von Gefühlen destruktiv” werde. Zunehmend spreche man über die „Authentizität von Beziehungen”, was insgesamt zu einer neuen „Sprache des Selbst” geführt und das Gefühl entstehen lassen habe, man müsse sich erst „einander als Personen kennen lernen, um miteinander handeln zu können”. Der „Prozess der gegenseitigen Selbstoffenbarung” rufe jedoch Immobilität im gesellschaftlichen Handeln hervor: „Wenn eine Person als authentisch beurteilt wird oder wenn einer Gesellschaft als ganzer gesagt wird, sie schaffe Authentizitätsprobleme, dann enthüllt diese Redeweise, wie stark soziales Handeln abgewertet ist, wobei der psychologische Kontext immer größeres Gewicht erhält.”[15] In Gesellschaften, die dem Mythos aufsäßen, dass „sämtliche Mißstände der Gesellschaft auf deren Anonymität, Entfremdung, Kälte” zurückgeführt werden könnten, dominiere eine Anschauung, derzufolge Nähe ein „moralischer Wert” an sich sei und sich „Individualität im Erlebnis menschlicher Wärme und in der Nähe zu anderen” entfalte: Danach seien „soziale Beziehungen jeder Art […] umso realer, glaubhafter und authentischer, je näher sie den inneren psychischen Bedürfnissen der einzelnen kommen”. Die Ideologie der Intimität verwandle dabei alle politischen Kategorien in psychologische, die Sprache der Authentizität ersetze den gesunden Menschenverstand.[16] Das sieht man auch an der mit dem Authentizitätspathos oft verknüpften Aufforderung, „zu werden, was man ist” („Sei authentisch!”), was nichts anderes als ein performativer Widerspruch ist.

Gerade in neuester Zeit ist immer wieder diskutiert worden, inwieweit (inter-)subjektive „Verantwortung und Bindungen als Quelle authentischer Lebensverhältnisse zu begreifen” sind,[17] inwieweit das authentische Selbst als Grundvoraussetzung von positiver und negativer Freiheit angesehen werden muss und wie die mit dem Authentizitätsbegriff zusammenhängenden Ideen der „Selbstverwirklichung” und der „Selbsterfüllung” mit dem Gesellschaftlichen zusammengedacht werden können. So sieht Charles Taylor in seiner dem Kommunitarismus verpflichteten politischen Theorie das authentische Selbst als Ausgangspunkt menschlicher Würde und gegenseitiger Anerkennung. Das Authentische ist hier die Aufforderung, niemanden nachzuahmen, sondern selbst zu sein: „Wenn ich mir nicht treu bleibe, verfehle ich den Sinn meines Lebens; mir entgeht, was das Menschsein für mich bedeutet. […] Sich selbst treu zu sein heißt nichts anderes als: der eigenen Originalität treu sein, und diese ist etwas, was nur ich selbst artikulieren und ausfindig machen kann. Indem ich sie artikuliere, definiere ich mich zugleich selbst.”[18] Das Authentizitätsideal ist bei Taylor mit Zielen der Selbsterfüllung, der Selbstverwirklichung und der Selbstbestimmung verbunden – ein Hintergrund, der der Kultur der Authentizität auch noch „in den trivialsten Formen moralische Kraft verleiht” und dem Leben eine „eigene Aufgabe”, eine „eigene Erfüllung”, einen Sinn gibt. Taylor verbindet mit dem Authentizitätsbegriff einerseits eine kreative, konstruktive und schöpferische Dimension sowie Nonkonformismus und die Möglichkeit des Widerstands gegen gesellschaftliche Moralvorstellungen, andererseits aber auch die Offenheit für den Bedeutungshorizont des Selbst (die Anerkennung der anderen) und eine dialogische Selbstdefinition, womit er dem etwa von Sennett beklagten Verfall des Gesellschaftlichen entgegentreten will.[19]

Das authentische Selbst ist in der einen oder anderen Weise immer mit der Vorstellung der Identität und Autonomie von Personen, d.h. ihrer Möglichkeit zur Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, sowie der Sinnhaftigkeit, Konsistenz und Konsonanz der Existenz verbunden. Im Zeitalter des neuen Kapitalismus, der New Economy und des „flexiblen Menschen” (Sennett) stehen Selbstfindung und die Suche nach dem authentischen Selbst – ehemals als Kritik an der Moderne bzw. „spätkapitalistischer” Gesellschaften verstanden – allerdings vor neuen Herausforderungen, wenn man nicht davon ausgeht, dass diese „Künstlerkritik” (Boltanski/Chiapello) vom neuen Geist des Kapitalismus schon längst erfolgreich eingemeindet worden ist.[20] Durch die Flexibilisierung der Arbeitswelt, die Beschleunigung der Arbeitsorganisation, die wachsenden Leistungsanforderungen („lebenslanges Lernen”), die zunehmende Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse sowie die Notwendigkeit, jederzeit aus beruflichen Gründen den Wohnort zu wechseln, verlieren Sennett zufolge Wertvorstellungen und Tugenden wie Treue, Verantwortungsbewusstsein und Arbeitsethos an Bedeutung, ebenso wie die Fähigkeit, auf die sofortige Befriedigung von Wünschen zu verzichten und Ziele langfristig zu verfolgen.[21] Wo früher die Einheit und Identität des Subjekts betont wurden, zeigt sich dieses heute, zunehmend fragmentiert, als eine „biographische Illusion”.[22]

Auch andere Entwicklungen haben dazu beigetragen, den Gedanken der Originalität des Subjekts und des authentischen Selbst in Frage zu stellen. Im Zuge der vielstimmigen Kritik der Subjekt- und Identitätsphilosophie, der Kritik von Identitätspolitiken sowie durch den Diskurs der Postmoderne, der mit Schlagwörtern wie Simulation, Ambiguität, Entreferentialisierung und dem mittlerweile zum geflügelten Wort gewordenen „Tod des Subjekts” (Roland Barthes) verbunden werden kann, ist eine fundamentale Skepsis gegenüber dem Authentischen formuliert worden.

Die Forderung an das moderne Subjekt, authentisch zu sein, ist immer auch eine Antwort auf zeitkritische Diagnosen, die das Individuum als entfremdet ansehen oder in eine „verfallstheoretische Deutung der obdachlosen Moderne”[23] einbetten. Diese Entfremdung des Subjekts kann dabei wie beschrieben auf die Arbeitsverhältnisse in kapitalistischen Produktionsregimen zurückgeführt werden oder aber auf die Konstitution der Moderne, den zivilisatorischen Prozess, die Herausforderungen des Gesellschaftlichen – die etwa bei Ferdinand Tönnies dazu führten, das Gesellschaftliche von traditionalen, „authentischen” Gemeinschaften abzugrenzen –, die Auflösung klassischer Milieus oder aber auf die Entwicklung der Massen- und Informationsgesellschaft. Dabei werden Konflikte zwischen dem Einzelnen als „allgemeiner Mensch” in seiner Rolle als Teil von Gesellschaften, Gemeinschaften, Organisationen und Gruppen und dem Einzelnen als unvergleichliches, singuläres Individuum konstatiert. Insofern kann der Aufstieg des Authentizitätsbegriffs auch als „Ausdruck und zugleich Symptom einer Krise” verstanden werden, in der sich das Individuum auf paradoxe Weise gezwungen sieht, eine „unvergleichliche Vergleichbarkeit unvergleichlich darzustellen”.[24]

Die Ausweitung des Authentizitätsbegriffs auf gesellschaftliche Verhältnisse betrieb u.a. die strukturalistisch orientierte Anthropologie. Während sich die ältere Ethnologie für „primitive”, „schriftlose”, „nichtzivilisierte” oder „traditionelle” Volks- und Stammeskulturen interessierte, diagnostizierte Claude Lévi-Strauss, dass in modernen Gesellschaften eine unverstellte, authentische face-to-face-Kommunikation zunehmend verloren gehe.[25] Die Suche nach Authentizität wird auch hier meist in einen Begründungszusammenhang mit Entfremdungserfahrungen und Identitätsproblematiken (post-)industrieller Gesellschaften gestellt. In der Karriere des Authentizitätsbegriffs ist also eine „Sehnsucht nach Unmittelbarkeit, nach Ursprünglichkeit, nach Echtheit und Wahrhaftigkeit und nicht zuletzt nach Eigentlichkeit” zu spüren, die von einer „global betriebenen Authentizitätsindustrie betreut, kanalisiert und ausgenutzt” werden kann.[26]

Eines der einleuchtenden Beispiele einer solchen „Authentizitätsindustrie” ist sicherlich der Tourismus. So betonte Dean MacCannell schon zu Beginn der 1970er-Jahre in seinen Studien über den modernen Touristen, dass dessen Wunsch nach dem Blick „hinter die Kulissen”, nach dem Authentischen und nach authentischer Erfahrung letztlich eine staged authenticity schaffe.[27] Geboten wird ihm eine inszenierte Authentizität, etwa Folkloreveranstaltungen statt echter Tradition und Rituale oder Fischbrötchen, wo schon lange keine Fische mehr ins Netz gehen. Entgegen einer ontologischen bzw. essentialistischen Differenz von authentisch/inauthentisch, die noch bei MacCannel herauszulesen ist, haben andere Tourismusforscher betont, dass das Konzept „authentischer Kulturen” überholt sei – schließlich erneuern sich Kulturen ständig und werten und ordnen Traditionsbestände immer neu an.[28] Zudem wisse der „post-tourist”[29] vom Spiel mit dem Authentischen. Insofern ist das Konzept in der Tourismusforschung vielfach und äußerst fruchtbar weiterentwickelt worden,[30] bis hin zur Analyse von konkurrierenden und umkämpften sowie „angebots-” und „nachfrageorientierten” Authentizitätsverständnissen unterschiedlicher Akteure im Geschichts- bzw. Heritage Tourismus.[31]


Authentizität in der Medien- und Konsumgesellschaft

Im „Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit” (Walter Benjamin) ergibt sich eine Bedeutungsverschiebung in der Einzigartigkeit des Echten, des Originals. Benjamin bindet die originäre Bedeutung des Kunstwerks an seinen Kultwert, um dann zu behaupten, dass „mit der Säkularisierung der Kunst […] die Authentizität an die Stelle des Kultwerts” trete und der Ausstellungswert den Kultwert ablöse.[32] Darüber hinaus erledigt sich für Benjamin allerdings die Frage nach dem Authentischen hinsichtlich des im Kunstsystem fetischisierten Originalitätscharakters, da „von der photographischen Platte […] eine Vielheit von Abzügen möglich” ist und so „die Frage nach dem echten Abzug […] keinen Sinn” ergibt. Damit wird aber die Frage nach dem Authentischen vorschnell eingehegt. Denn während sich durch die Reproduzierbarkeit die „Aura” des Kunstwerks sicherlich verändert, beginnt mit der Fotografie gleichzeitig eine neue Sichtbarkeit des Authentischen – und zwar einerseits dadurch, dass das Licht einen „natürlichen” Abdruck auf dem fotochemischen Material hinterlässt, und andererseits verstärkt durch die Porträtfotografie, die trotz aller Standardisierungen des Blicks immer auch das subjektive Moment zum Ausdruck bringen soll.

Das Fernsehen als ein weiteres prädestiniertes Medium von Authentizitätseffekten hat sicherlich ebenfalls zum Aufstieg des Authentischen beigetragen, da es einen unvermittelten Blick auf die Realität suggeriert und eine Illusion der Augenzeugenschaft herzustellen vermag. Das Fernsehen ist bei historischen Ereignissen dabei, es befragt am Ort des Geschehens die historischen Akteure, die über ihre Erlebnisse und Emotionen, über Schmerz und Leid – immer sichere Garanten eines Authentizitätseffekts[33] – berichten dürfen. Oder aber es produziert Pseudo-Ereignisse, die nur stattfinden, weil eine Kamera in der Nähe ist: Die Interviewten, eingeübt in die Spielregeln der Selbstdarstellung und ausgewählt von den Produzenten der Authentizitätsfiktion, schildern ihre Gefühle, wobei es um die Vermittlung nicht aufgesetzt wirkender Selbstdarstellung geht.

Medienformate wie „Big Brother” oder die Enthüllungsgeschichten und intimen Einblicke der Talkshows und Facebook-Seiten, aber auch die Handykultur und andere Prozesse der Intimisierung der Öffentlichkeit verweisen auf neue Möglichkeiten der Selbstinszenierung, wenngleich sie auf ältere Traditionen der Bekenntnisliteratur und die neuere Geschichte einer therapeutischen Gesprächskultur zurückgeführt werden können. Mit solchen Formaten geht die „Erweiterung und Einengung von Spielräumen autonom-authentischer Selbstdarstellung Hand in Hand”,[34] denn die Kultur der Intimität und der Selbstverwirklichung schafft ihre eigenen ritualisierten bzw. habituellen Ausdrucksformen des authentischen Selbst.

In allen Sparten der öffentlichen Medienarbeit versucht man heutzutage, Authentizitätseffekte herzustellen. Moderatoren, Nachrichtensprecher und Entertainer sind darauf angewiesen, ein Mittel zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen Intimität und Distanz herzustellen, um Glaubwürdigkeit und Authentizität zu bewirken. Auch die Werbebranche setzt auf Authentizität zur Markenprofilierung, da heutige Märkte durch eine weitgehend als austauschbar wahrgenommene Produkt- und Markenlandschaft (brand parity) geprägt sind. Der Begriff der Marken-Authentizität lässt sich so als „wahrgenommene Wahrhaftigkeit des proklamierten Markennutzenversprechens (Markenpositionierung)” definieren, und die Wirkung einer authentisch wahrgenommenen Marke soll dabei „in einer Steigerung der Glaubwürdigkeit, dem Aufbau von Vertrauen sowie einer daraus resultierenden erhöhten Akzeptanz und Wertschätzung der Marke” liegen.[35] Eine der Strategien kann dabei sein, die Marken-Herkunft als Alleinstellungsmerkmal zu definieren, die dann wiederum mit Faktoren wie „Echtheit” und „Ehrlichkeit” verbunden wird. Oft wird dies in der Werbung mit der Identität und Geschichte eines Unternehmens verknüpft: Die Authentizität und Qualität eines Produkts basieren dann auch auf Tradition oder traditionellen, handwerklichen Produktionsweisen.


Authentizität und (Medien-)Politik

Schon Jean-Jacques Rousseau sprach von den „actes authentiques de la volonté general”[36] – von den authentischen Äußerungen des allgemeinen Willens hinsichtlich des politischen Allgemeinwohls. Während „das Authentische” in der Kultur des Politischen durch die Neuen Sozialen Bewegungen wiederentdeckt wurde, bahnt es sich heute seinen Weg in die politischen Institutionen. So ist etwa nach einem 2006 erschienenen „Politiklexikon” Authentizität „eine positiv konnotierte Eigenschaft demokratischer Institutionen und Verfahren, die subjektive Zustimmung erzeugt (z.B. aufgrund der Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit)”. Da „moderne Demokratien auf die subjektive, individuelle Zustimmung ihrer Staatsbürger angewiesen sind”, sei „Authentizität ein wichtiges Gütekriterium” und werde als Gegenbegriff zu Entfremdung verstanden.[37] Ob diese Ausweitung des Authentizitätsbegriffs auf politische Institutionen und Verfahren sinnvoll ist, sei dahingestellt, doch wird kaum ein/e Politiker/in etwas dagegen haben, wenn die Weise, in der er oder sie seine politischen Vorstellungen präsentiert, als authentisch wahrgenommen wird.

Dabei dürfen freilich Politiker/innen und andere Medienakteure nicht von sich behaupten, authentisch zu sein, oder zugeben, authentisch wirken zu wollen, denn intendierte Kommunikation von Authentizität verwirkt den Kern authentischer Rezeptionserfahrung, der immer mit einem nicht-instrumentellen und intentionslosen Charakter verbunden ist.[38] Wenn also jemand als authentisch wahrgenommen wird, geht dies über die Frage der Glaubwürdigkeit weit hinaus. Charisma erlangen Politiker/innen heute nicht allein durch politisches Handeln, sondern durch eine Persönlichkeitskultur, die auf Authentizität, d.h. Glaubwürdigkeit, Aufrichtigkeit, Überzeugungskraft sowie auf Empfindungen und Emotionen setzt. Authentizität kann insofern als ein modernes soziales Kommunikationsideal aufgefasst werden, das Sachlichkeit und Stringenz der Argumente in Beziehung zur wahrgenommenen Authentizität und moralischen Glaubwürdigkeit setzt und sowohl eine Moralisierung als auch eine Privatisierung politischer Kommunikation impliziert.[39]


Historische Authentizität

Als authentisch werden gemeinhin Dokumente angesehen, deren Autorschaft eindeutig zu verifizieren ist. Im 17. und 18. Jahrhundert meinte der Begriff authentisch neben Glaubwürdigkeit insbesondere „autorisiert”. Die „authentica interpretatio” ist jene Deutung insbesondere juristischer und religiöser Texte, der nicht widersprochen werden kann, und so blieb es dem Gesetzgeber und Landesherren vorbehalten, die endgültige authentische Lesart festzulegen.[40] Diese Bedeutung ist in der Rechtswissenschaft erhalten geblieben, wenn der vom Gesetzgeber selbst veröffentlichte Wortlaut (wie etwa im „Bundesgesetzblatt”) „authentisch” genannt wird. Im Gegensatz dazu stehen andere Verlautbarungen oder Veröffentlichungen wie beispielsweise in juristischen Lehrbüchern oder Kommentaren, die nicht im Wortlaut rechtsverbindlich sind.

Ein Blick in traditionsbildende Historiken des 19. Jahrhunderts zeigt, dass die Termini Authentizität und authentisch trotz des Aufstiegs der historisch-kritischen Methode und der Quellenkritik nicht in prominenter Weise zu finden sind. So kennt Johann Gustav Droysen zwar den Ausdruck, ein Dokument „authentisch zu machen”, doch ist damit der traditionelle Sprachgebrauch der Beglaubigung eines amtlichen Dokuments durch den Gesetzgeber gemeint. Im 19. Jahrhundert taucht der Begriff der „authentischen Quelle” weitestgehend nicht auf – eine Quelle ist entweder echt oder eine Fälschung, aber nicht authentisch. Ausnahmen bestätigen hier die Regel: So führt etwa Friedrich Engels Bericht über „Die Lage der arbeitenden Klasse in England” von 1844 den Untertitel „Nach eigener Anschauung und authentischen Quellen”.[41]

Trotz der Orientierung des Historismus an historischen Persönlichkeiten und seiner Tendenz zur Biografisierung ganzer Geschichtsepochen blieb der Geschichtsschreibung jener Zeit die Bedeutung einer tieferen Subjektivität, die dem Begriff des Authentischen heute eingeschrieben ist, fremd. Das liegt nicht zuletzt an dem methodischen Zugriff der traditionellen historisch-kritischen Methode, die versucht, Tatsachen bzw. Tatbestände freizulegen, und dabei Quellen, Überreste, Überlieferungen, Materialien oder aber – etwas avancierter – „Spuren” nutzt. Wo „Tatsachen aus Quellen geschöpft”[42] werden, bleibt für die Reflexion der subjektiven Authentizität des Berichteten – die den Akt des Bezeugens, der Innerlichkeit und der Betroffenheit signalisieren kann – kaum ein Spielraum.

Im heutigen Sprachgebrauch hat es sich jedoch durchgesetzt, von authentischen Dokumenten zu sprechen, womit einerseits ihr Echtheitscharakter benannt bzw. ihr Status als Original hervorgehoben wird. Dabei ist mit dem Sprechen über authentische Dokumente oft ein besonderer „Reiz des Echten”[43] verknüpft, der die Behauptung des durch das Dokument „Bewiesenen” verstärken und Autorität verleihen soll. Gerade in der Analyse von Formen autobiografischen Schreibens und der „Oral History sowie in der Auseinandersetzung mit „Zeitzeugen”– ein Begriff, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auftaucht und dessen Genese eng an die Pluralisierung des Geschichtsverständnisses, aber auch an die Subjektivierung und Verkörperung historischer Erfahrungen und ihrer Repräsentation in den Medien gebunden ist[44] – lässt sich ein doppelter Bezug des Authentizitätsbegriffs erkennen: Die Authentizität des Berichteten betrifft einerseits Fragen, ob der Bericht glaubwürdig und wahrheitsgemäß ist, andererseits ist es die subjektive Dimension, das Wie des Erzählten, die mit dem Authentizitätsbegriff heute immer mitgemeint ist.[45] Darüber hinaus betrifft die Frage nach der Authentizität der Überlieferung viele geschichtskulturelle Bereiche. Bisherige Überblicke zu diesem Thema kommen eher aus den Kulturwissenschaften, insbesondere aus der ethnologischen Forschung.[46]


Authentizität des Museums und musealer Objekte

Das „authentische Objekt” hat seinen angestammten Ort in der Praxis des Ausstellens. Das Museum ist der Ausstellungsort authentischer Objekte par excellence, die durch ihre Präsentation eine Fetischisierung erfahren. Als zur Schau gestellter Fetisch beansprucht das originale Dokument oder Objekt nicht nur Echtheit, sondern „originäre Authentizität” – und kann so mitunter eine Lesart der Ursprünglichkeit befördern. Dabei hält die Präsentation des Objekts einerseits das Angebot einer Erinnerungs- und Erfahrungsmöglichkeit für die Betrachter/innen bereit, andererseits wird es aber durch den Ausstellungscharakter eingehegt: Archiviert und im Museum ausgestellt, kann sich der Betrachter darauf verlassen, dass es kulturell-geschichtlich bedeutsam ist, ihn aber nicht unbedingt affizieren muss.

In der Museologie ist die Frage der Authentizität der Dinge vielfach erörtert worden – und der Kulturwissenschaftler Gottfried Korff gehört sicherlich zu denjenigen, die sich damit am weitreichendsten beschäftigt haben. Für ihn ist es die „sinnliche Anmutungsqualität”[47] und damit die spezifische Materialität von Objekten (bzw. von historischen Orten etc.), die eine emotionale Verbindung zur Vergangenheit ermöglichen. Einzelne Objekte oder Objektgruppen können dabei als Medien, als „Geschichtszeichen” und Identitätsmarker begriffen werden, die auf einen konkreten Zeitpunkt in der Vergangenheit, auf historische Prozesse, auf eine Praxis oder einen Gebrauch der Dinge verweisen. In einer zunehmend medialisierten Welt sei das Museum einer der wenigen Orte, wo mittels „Reliktauthentizität” bzw. der „Konträrfaszination des Authentischen” Begegnungen mit der Unmittelbarkeit des Überlieferten möglich seien.[48]

Derartige „Erinnerungsdinge”[49] stellen eine Verbindung zwischen der Welt des Hier und einer vergangenen Welt her, sie sind „Zeitzeugen” und damit „Wanderer zwischen den Welten”.[50] Dinge werden qua Zuschreibung als historisch „authentisch” markiert, indem Ursprungs-, Herkunfts- und zunehmend auch Gebrauchsgeschichten erzählt werden. Ihre epistemische Funktion ist – sobald sie ins Museum kommen – durchaus variabel: Dinge können als „Zeuge”, als „Werk” (Originale im klassischen Kunstmuseum) oder als „Exemplar” (etwa in der naturkundlichen Sammlung) in verschiedene Begründungs- und Bedeutungszusammenhänge gestellt werden, und dabei kann ein und dasselbe Ding eine der drei Funktionen übernehmen.[51] Die Beschreibung von Dingen als „Zeugen” birgt freilich das Problem, dass damit die multiple Geschichtlichkeit vieler Dinge und die an ihnen ablesbaren Zeitschichten nicht eingefangen werden. Oftmals basiert die den Dingen zugesprochene historische Authentizität eher auf einem recht unbestimmten „Alterswert” statt auf einem spezifischen „Denkmalswert”, wie man mit dem österreichischen Denkmalpfleger Alois Riegl formulieren kann.[52]

Konstruktivistisch orientierte Ansätze haben das Authentizitäts-Phänomen des Museums oft zu entzaubern versucht. So ist kritisch festgehalten worden: „Authenticity is not about factuality or reality. It is about authority.”[53] In der Museumspraxis wird den Dingen also durch gesellschaftliche Institutionen autoritativ ein kultureller Wert zugeschrieben. Entgegen positivistischen und essentialistischen Positionen sehen diese Ansätze Authentizität als ein kulturspezifisches Produkt. Diesem Verständnis nach kann den Dingen recht unabhängig von ihrer materiellen Substanz, ihrer Herstellungs- und Gebrauchsgeschichte Authentizität zugeschrieben werden, die so lange als glaubwürdig erachtet wird, bis sich soziale und kulturelle Kontexte der Autorisierung verschoben haben.[54] Und schließlich ist analog zu narratologischen Forschungen die museale Authentizität als ein „rhetorischer Modus” beschrieben worden, der im Rahmen von Ausstellungen durch einen „Pakt” bzw. eine „collaborative hallucination” zwischen Besuchern, Ausstellungsmachern und Institutionen hervorgerufen werde.[55]

„Heiliger Reisspeicher“ auf dem Komplex des „Inneren Schreins“ (Naiku) von Ise. Foto: Tino Mager © 2013 (mit freundlicher Genehmigung des Rechte-Inhabers)<br /> 
Die Auseinandersetzung mit fernöstlichen Restaurierungs- und Rekonstruktionspraktiken führte 1994 zum „Nara-Document on Authenticity“, welches den substanzbezogenen Authentizitätsbegriff der Denkmalpflege nachhaltig relativierte. Bei dem abgebildeten Gebäude handelt es sich um den „heiligen Reisspeicher“ Mishine-no-mikura (御稲御倉). Dieser steht auf dem Komplex des „Inneren Schreins“ (Naiku) von Ise. Auf dem Bild ist der gerade fertiggestellte Bau von 2013 zu sehen, dieser stellt die insgesamt 62. Rekonstruktion des Gebäudes dar. Abgesehen vom Schloss an der Tür ist alles aus unbehandeltem Hinokiholz gefertigt. Die Treppe wird nur zur Reisentnahme im Rahmen von Zeremonien angefügt.
„Heiliger Reisspeicher“ auf dem Komplex des „Inneren Schreins“ (Naiku) von Ise. Foto: Tino Mager © 2013 (mit freundlicher Genehmigung des Rechte-Inhabers)
Die Auseinandersetzung mit fernöstlichen Restaurierungs- und Rekonstruktionspraktiken führte 1994 zum „Nara-Document on Authenticity“, welches den substanzbezogenen Authentizitätsbegriff der Denkmalpflege nachhaltig relativierte. Bei dem abgebildeten Gebäude handelt es sich um den „heiligen Reisspeicher“ Mishine-no-mikura (御稲御倉). Dieser steht auf dem Komplex des „Inneren Schreins“ (Naiku) von Ise. Auf dem Bild ist der gerade fertiggestellte Bau von 2013 zu sehen, dieser stellt die insgesamt 62. Rekonstruktion des Gebäudes dar. Abgesehen vom Schloss an der Tür ist alles aus unbehandeltem Hinokiholz gefertigt. Die Treppe wird nur zur Reisentnahme im Rahmen von Zeremonien angefügt.



Denkmalpflege, „Welterbe” und Gedenkstätten

In die internationale Denkmalpflege zog die Sicherung historischer Authentizität im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ein, insbesondere durch die Charta von Venedig (1964).[56] Der Ausweis von Authentizität ist seit 1977 in gewandelter Form Voraussetzung für eine Aufnahme ins Weltkulturerbe.[57] Aus einer europäischen Perspektive wurde dabei die Denkmalpflege an die Bewahrung „originaler Materialität” auf der Grundlage der Überlieferung „authentischer Dokumente” angebunden. Im Zuge der Auseinandersetzung mit kriegsbedingten Rekonstruktionen nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der Rezeption fernöstlicher Rekonstruktions- bzw. Restaurierungspraktiken wurde mit der Deklaration von Nara (1994) dann ein erweitertes, postmodernes und postkoloniales Verständnis von historischer Authentizität vorgelegt, das die kulturelle Diversität und die regionale Spezifik des Verständnisses von Authentizität anerkannte. Mit dieser Ausweitung geriet es aber auch als „one of the most slippery concepts“ im Zusammenhang mit dem Welterbe-Diskurs in die Kritik.[58] Selbstverständlich gehört auch in den nationalen Denkmalpflege-Institutionen die Frage der Bewahrung und Konservierung historischer Authentizität zu den Kernfragen der eigenen Arbeit – auch wenn Authentizität als generell problematische Kategorie oft nicht derart stark hervorgehoben wird wie in den Guidelines der UNESCO. Aus der kaum zu überblickenden Literatur zu diesem Thema sei aus deutscher Perspektive nur auf jene Kontroverse hingewiesen, die sich um die Rekonstruktion von Schlössern und anderen historischen Gebäuden nach der Wiedervereinigung dreht: Während dies für die einen eine Rekonstruktion nationaler Identität darstellt, sind es für andere Wiederaufbaumaßnahmen, die im internationalen und epochalen Vergleich eine lange Tradition besitzen.[59]

Eng verbunden mit der Denkmalpflege und der Welterbe-Diskussion kommt auch an Erinnerungsorten und Gedenkstätten dem Konzept des Authentischen eine wichtige Bedeutung zu.[60] Die Präsenz der Überreste, Relikte und Spuren und damit „die Anmutungsqualität der Gedenkstätte als authentischer Ort” entscheide zunehmend „über den Grad der affektiven Aufmerksamkeit”.[61] Dabei korreliert die seit den 1970er-Jahren zu registrierende „neue Sensibilität für die historischen Orte und ihr Potenzial als materielle Ankerpunkte für die Geschichte der NS-Verbrechen mit den Zeugnissen der Überlebenden des Holocaust”.[62] In die Gedenkstättenförderung der Bundesrepublik Deutschland hat der Begriff des authentischen Orts 1999 Eingang gefunden und ist nochmals 2008 als ein wichtiges Kriterium bei der Anerkennung eines Orts als Gedenkstätte hervorgehoben worden. Eine förderungswürdige Gedenkstätte ist demnach „ein historischer Ort, der sich sowohl durch Authentizität als auch durch einen konkreten Bezug zu den Opfern bzw. zu den Verfolgungsmaßnahmen [der beiden deutschen Diktaturen/Anm. A.S.] auszeichnet”.[63] Dass hier von „historischen Orten” und nicht von authentischen Orten gesprochen wird, ist eine durchaus bewusste Reaktion auf die anhaltende und immer wieder neu zu führende Diskussion, welche Zeitschichten einer Gedenkstätte bewahrt werden sollen, und ob man überhaupt so etwas wie einen „Originalzustand” rekonstruieren kann. Gleichzeitig tritt man damit zu einfachen Vorstellungen von Unmittelbarkeit und Erlebbarkeit von Geschichte entgegen.[64]


Authentizität historischer Darstellungen

Spricht man historischen Repräsentationen (Memoiren, Zeitzeugenliteratur, historische Romane und Filme etc.) Authentizität zu, muss dies als Resultat und Effekt medial vermittelter Darstellung verstanden werden. Bei der Zuschreibung von Authentizität geht es immer um ein Verhältnis von Darstellung und Darstellungsunabhängigkeit, wodurch der Eindruck des Unmittelbaren erweckt wird. Insofern lässt sich in einer paradoxen Begriffsbestimmung von Authentizität sprechen, wenn sich „das Dargestellte durch die Darstellung als nicht Dargestelltes präsentiert”.[65] Als „nicht Dargestelltes” wird das Authentische wahrgenommen, weil es mit Unmittelbarkeit verbunden wird und dadurch der konstitutive mediale Vermittlungs- sowie Rezeptionsprozess in den Hintergrund tritt.

Nach Matías Martínez lassen sich für literarische und künstlerische Darstellungen der Vergangenheit vier Formen von Authentizität voneinander unterscheiden, die sich auf ihre Produktion, Referenz, Gestaltung und Wirkung beziehen.[66] Demnach wird Romanen und Kunstwerken hinsichtlich ihrer Autoren Authentizität zugesprochen, wenn ihre Urheber – Autoren, Künstler, Regisseure – als Person besonders qualifiziert erscheinen. Dabei kommt es zu einem „Legitimationszusammenhang zwischen Autorschaft, Autorität und Authentizität”. Zweitens werden historische Darstellungen – bei denen generell zwischen fiktionalen und nichtfiktionalen bzw. dokumentarischen Repräsentationen zu unterscheiden ist – hinsichtlich ihrer Referenz als authentisch bezeichnet, insofern sie konkrete historische Personen oder Ereignisse darstellen. Drittens kann die interne Gestaltung einer historischen Darstellung authentisch bzw. auch „typenauthentisch”[67] genannt werden, wobei es nicht entscheidend ist, ob das Dargestellte tatsächlich auf konkrete historische Ereignisse referiert, sondern eher, ob es einen bestimmten Charakter oder eine Situation treffsicher einfängt: etwa den Typus „des Parteisoldaten” oder „des Hitlerjungen”. Entscheidend ist dabei, inwieweit es einer Darstellung gelingt, Wirklichkeitseffekte auszulösen.[68] Viertens können Authentizitätseffekte im Rahmen von künstlerischen Praktiken entstehen, etwa im Museumszusammenhang oder bei Gedenkfeiern.

Gerade im Zuge der seit den 1990er-Jahren geführten Debatten über die Darstellbarkeit des Holocaust und die Darstellung des Holocaust in Memoiren, in der Literatur und den Künsten ist die Frage nach dem Authentischen besonders hervorgehoben und immer wieder problematisiert worden. Im Gegensatz zu den authentizitätsskeptischen Diskursen der Postmoderne bestimmt gerade die Rezeption von Repräsentationen des Holocaust, aber auch von anderen Genoziden und Gräueltaten des 20. Jahrhunderts Postulate wie Authentizität, Wahrhaftigkeit, moralische Integrität.[69] Besondere Bedeutung kommen dabei den verschiedenen Beglaubigungsinstanzen und Beglaubigungsstrategien zu, etwa Autor- bzw. Zeugenschaft, aber auch Produktion, Gestaltung und Rezeption.

„Mauer“ Bernauer Straße, Foto: Hans-Hermann Hertle ©, Berlin, 30.6.2012<br /> 
Einweihung des zweiten Teils der Außenausstellung an der Gedenkstätte Bernauer Straße am [http://www.berliner-mauer-gedenkstaette.de/de/50-jahre-mauerbau-892.html 50. Jahrestag des Mauerbaus]. Während der Mauerverlauf teils durch Metallstäbe nachzuvollziehen bleibt, stehen an anderen Stellen der 2014 fertiggestellten [http://www.berliner-mauer-gedenkstaette.de/de/entstehungsgeschichte-211.html „neuartigen Erinnerungslandschaft“] Mauerreste unter Denkmalschutz: „Die bestehenden Reste und Spuren der Berliner Mauer wurden dabei erhalten, die dramatische Ereignisgeschichte der Bernauer Straße wird erlebbar.“
„Mauer“ Bernauer Straße, Foto: Hans-Hermann Hertle ©, Berlin, 30.6.2012
Einweihung des zweiten Teils der Außenausstellung an der Gedenkstätte Bernauer Straße am 50. Jahrestag des Mauerbaus. Während der Mauerverlauf teils durch Metallstäbe nachzuvollziehen bleibt, stehen an anderen Stellen der 2014 fertiggestellten „neuartigen Erinnerungslandschaft“ Mauerreste unter Denkmalschutz: „Die bestehenden Reste und Spuren der Berliner Mauer wurden dabei erhalten, die dramatische Ereignisgeschichte der Bernauer Straße wird erlebbar.“


Wie aber steht es mit der Authentizität der Erinnerung? Was kann als eine adäquate Repräsentation der Vergangenheit verstanden werden, die aus der Erinnerung hervorgeht und an persönliches Erleben und Erfahrung angebunden ist? Die Frage ist um 1900 in der Aussagepsychologie verhandelt und von dort aus auch in den Geschichtswissenschaften diskutiert worden.[70] Tatsächlich kann man mit Hanno Loewy und Bernhard Moltmann pointiert festhalten: „Authentische Erinnerung gibt es nicht.” Vielmehr gebe es „authentische Erinnerung nur als Verfremdung des tatsächlichen Ereignisses, als Schmerz, als einen durchlebten Bruch, als fortwirkende Störung eines Diskurses, der vermeint, der Vergangenheit habhaft zu werden”.[71] Diese Rückkopplung des Authentischen an den Schmerz kann verallgemeinert werden, denn Schmerz sei ein „sicherer Indikator“ für Authentizität, wie Helmuth Lethen ausführt. So erschiene im Ausdruck des Schmerzes der Mensch als „maskenloses Wesen“, was als Indiz für seine Echtheit gewertet wird.[72] Dort, wo man mit einer schmerzhaften Geschichte, mit einer Geschichte eines Leidens und eines Leidenden konfrontiert wird, stellt sich also ein Effekt des Authentischen ein. Derjenigen Stimme, die über ihre Leidenserfahrung spricht, wird dabei die authentische Erfahrung eines einschneidenden Erlebnisses zugesprochen – und in der zur Sprache gebrachten oder durch das Bild visualisierten und verkörperten Erfahrung erfährt die schmerzhafte Erinnerung eine bewältigende Narrativierung. Insofern ist auch hier der Aufstieg des Authentischen eng an traumatische Erfahrungen und den psychoanalytischen Diskurs gekoppelt. Weiter verallgemeinernd kann man darüber hinaus sogar behaupten, dass Bilder, die berühren, Effekte des Authentischen auslösen.[73]

Authentizitätseffekte sind immer in bestimmte Realismuskonzepte eingebettet. Im Rahmen populärer fiktionaler Geschichtsdarstellungen bietet es sich an, von „Authentizitätsfiktionen”[74] zu sprechen. Beispiele wären hier etwa die Filme „Der Untergang” (2004) oder „Der Baader-Meinhof-Komplex” (2008) aus der Produktion Bernd Eichingers, die die Rhetorik des „es ist so gewesen” auf die Spitze treiben und über ihre Darstellung versuchen, ihr Gemachtsein zu verschleiern. Filme dieser Art inszenieren sich selbst als Quellen, sie beanspruchen selbst Originalitätscharakter, und in der Betonung ihrer Unmittelbarkeit verschleiern sie, dass sie immer eine Interpretation der Vergangenheit vornehmen.[75] Das reicht so weit, dass heute sogar Schauspieler/innen in Formaten wie dem „Making of” darüber befragt werden, wie sie sich beim Spielen einer historischen Figur fühlten. Im Rekurs auf das Authentische wird so die schauspielerische Repräsentation mit dem Repräsentierten identifiziert – und verwechselt.

Checkpoint-Charlie, Foto: Achim Saupe, Berlin, 8.2.2014, Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/ CC BY-NC 3.0 DE]<br />
Zeithistorisches Reenactment und Touristenattraktion am Checkpoint-Charlie. Eingerahmt zwischen Schauspieler, zielt hier die Authentizitätssuggestion auf Erleben und Event am „historischen Ort“. Auch wenn es sich freilich um eine Rekonstruktion handelt.
Checkpoint-Charlie, Foto: Achim Saupe, Berlin, 8.2.2014, Lizenz: CC BY-NC 3.0 DE
Zeithistorisches Reenactment und Touristenattraktion am Checkpoint-Charlie. Eingerahmt zwischen Schauspieler, zielt hier die Authentizitätssuggestion auf Erleben und Event am „historischen Ort“. Auch wenn es sich freilich um eine Rekonstruktion handelt.


Zunehmend kommt es dabei zu einer Verschiebung des Authentizitätsbegriffs, die als „authentische Erfahrung zweiter Ordnung” interpretiert werden kann: Im Rahmen von „Living History bzw. populären Reenactments sprechen die Protagonist/innen dieses „Historientheaters” oft von authentischen Erfahrungen, die in der Auseinandersetzung, im Nachstellen und Nacherleben von Geschehnissen der Vergangenheit gemacht werden können.[76] Die Living History kann als eine modernisierte sowohl mit ernsthaftem Pathos vorgetragene als auch spielerische Form der Identitätsvergewisserung gelten, wie sie früher etwa durch Traditionsvereine und Trachtengruppen bei der Bewahrung von überlieferten Traditionen betrieben wurde. Ihre Spielarten sind vielfältig und reichen bis zu reflexiven Versuchen, Vergangenheiten kritisch aufzuarbeiten.[77]


Ausblick

Die Romanautorin und politische Aktivistin Juli Zeh hat im Anschluss an authentizitätsskeptische Stimmen den „Wirklichkeitswahn der Unterhaltungsindustrie” beklagt, der „an allen Ecken […] dem Publikum die Lockstoffe der ‚Echtheit’ unter die Nase” reibe, „auf dass es sich an der Illusion von empathischem Miterleben und direktem Dabeisein berauschen möge”.[78] Derart berechtigte Kritiken sollte man immer im Auge behalten, sich jedoch auch nicht abschrecken lassen. Denn aus einer zeithistorischen Perspektive, die die Konjunkturen der Authentizitätsemphase ebenso wie ihre pointierte Kritik historisiert, ergeben sich ertragreiche Forschungsfelder. Erstens können kultur-, alltags-, mentalitäts-, mediengeschichtliche bis hin zu wirtschafts- und sozialhistorischen Analysen von Diskursen und Praktiken des Authentischen Auskunft über das Selbstverständnis des modernen Subjekts und Prozesse der Subjektivierung geben. Interessant wäre dabei, Vorstellungen von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung im Hinblick auf die jeweilige Aneignung von Geschichte von spezifischen Individuen und Gruppen zu untersuchen. Die Erforschung von Authentizitätsdiskursen und -praktiken könnte so auch einen Beitrag zur Geschichte von grundsätzlichen Werten wie Freiheit und Privatheit und damit zur Kultur des Politischen leisten.

Zweitens ergeben sich im Bereich der Geschichtspolitik sowie der Erinnerungs- und Geschichtskultur zahlreiche Forschungsmöglichkeiten. Auf dem Feld der Geschichtspolitik könnte man etwa nach dem Zusammenhang von Authentizitätsvorstellungen und politischem und gesellschaftlichem Wandel fragen, etwa wenn es um die Betonung vermeintlich authentischer Traditionsbestände geht. Dabei könnten auch bisher wenig erforschte „Authentizitätspolitiken” untersucht werden, wie etwa im postkolonialen Afrika, oder aber der Kampf marginalisierter Gruppen um Anerkennung, die zuletzt öfters unter dem Stichwort „politics of authenticity” thematisiert wurden.[79]

Hinsichtlich der Authentizitätsproblematik im Museum liegen mögliche Fragestellungen etwa in den Auswirkungen von Sammlungsstrategien, von Verfahren des Restaurierens und Konservierens und Praktiken des Ausstellens und Vermittelns auf Authentizitätszuschreibungen und Authentizitätseffekte. Die bisherigen Forschungen zur Rezeption und Wirkung von musealen Objekten,[80] ihrer Aura und Authentizität könnten dabei auf verschiedene Museumstypen als auch Ausstellungsgattungen ausgeweitet werden, auch um die oben genannten Ansätze zur Produktion und Zuschreibung musealer Authentizität im Hinblick auf aktuelle Ausstellungskonzeptionen zu überprüfen und zu modifizieren.

Mit dem Blick auf das Welterbe-Programm, den globalen Geschichtstourismus, die international eng verknüpfte Denkmalpflege, aber auch auf die Gedenkstättenkonzeption in verschiedenen Ländern stellt sich die Frage, ob sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler Traditionen Authentizitätskonzeptionen zunehmend angleichen. Die Baugeschichtsforschung hat sich dabei oft auf historische Einzelgebäude und Gebäudeensembles beschränkt; zu fragen wäre hier, welche politischen, sozialgeschichtlichen und generationellen Veränderungen die Suche nach „historischer Authentizität” beförderten – gerade im internationalen Vergleich und in langfristiger Perspektive. Untersucht werden könnte auch, wo jeweils die Grenzen von Authentizitätszuschreibungen liegen und wie ehemals gesichtslose Städte und Regionen auf einmal historische Identität zu gewinnen versuchen – sei es im Zuge der Entdeckung des industriekulturellen Erbes oder aber der Authentisierung von Innenstadt- und Randbezirken, Neuen Städten oder aber „Kulturlandschaften”.

Im Bereich historischer Repräsentationen stellt sich die Frage, wie sich unterschiedliche Medien auf die Beglaubigung von Geschichte auswirken und welche Instanzen zur Autorisierung und Kanonisierung von Geschichtsbildern beitragen. Und schließlich könnte danach gefragt werden, ob in der Konjunktur von Reenactments oder in der Auszeichnung von immateriellem Kulturerbe durch die UNESCO ein stärker als zuvor an Emotionen und persönliche Erfahrungen gebundenes Geschichtsbedürfnis abzulesen ist und inwiefern neue Akteure im Feld der Geschichtsvermarktung darauf reagieren.[81]


English Version: Achim Saupe, Authenticity, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 12.04.2016, translated by Julie Gregson


Empfohlene Literatur zum Thema

Lindholm, Charles, Culture and authenticity, Malden, MA and Oxford 2008: Blackwell 
Macdonald, Sharon, Memorylands: Heritage and identity in Europe today, London 2013: Routledge 
Taylor, Charles, Quellen des Selbst: Die Entstehung der neuzeitlichen Identität, Frankfurt am Main 1996: Suhrkamp 
Zitation
Achim Saupe, Authentizität, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.8.2015, URL: http://docupedia.de/zg/Saupe_authentizitaet_v3_de_2015

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Anmerkungen

    1. Einleitend zur Begriffsgeschichte: Kurt Röttgers/Reinhard Fabian, Authentisch, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. v. Joachim Ritter, Bd. 1, Basel 1971, S. 691f.; Susanne Knaller/Harro Müller, Authentisch/Authentizität, in: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Bd. 7, Supplementteil, hrsg. v. Karlheinz Barck u.a., Stuttgart 2005, S. 40-65.
    2. Helmut Lethen, Versionen des Authentischen: sechs Gemeinplätze, in: Hartmut Böhme/Klaus R. Scherpe (Hrsg.), Literatur und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle, Reinbek 1996, S. 205-231, hier S. 209.
    3. Beate Rössler, Der Wert des Privaten, Frankfurt a.M. 2001, S. 109-116.
    4. Dieter Sturma, Jean-Jacques Rousseau, München 2001, S. 183.
    5. Sturma, Jean-Jacques Rousseau, S. 183f.
    6. Charles Taylor, Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität, Frankfurt a.M. 1996, S. 693; ders., Das Unbehagen an der Moderne, Frankfurt a.M. 1995, S. 38.
    7. Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, in: ders., Sämtliche Werke, Bd. 13, hrsg. von Bernhard Suphan, Berlin 1887, S. 291.
    8. Vgl. Taylor, Quellen des Selbst, S. 653.
    9. Theodor W. Adorno, Noten zur Literatur 2, Frankfurt a.M. 1961, S. 128.
    10. Vgl. Sven Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Berlin 2014; ders., Authentizität und Gemeinschaftsbindung. Politik und Lebensstil im linksalternativen Milieu vom Ende der 1960er bis zum Anfang der 1980er Jahre, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 21 (2008), H. 3, S. 118-130; ders., Inszenierung und Authentizität. Zirkulation visueller Vorstellungen über den Typus des linksalternativen Körpers, in: Habbo Knoch (Hrsg.), Bürgersinn mit Weltgefühl. Politische Moral und solidarischer Protest in den sechziger und siebziger Jahren, Göttingen 2007, S. 225-250; Detlef Siegfried, Authentizität und politische Moral in linken Subkulturen, in: Knoch (Hrsg.), Bürgersinn, S. 251-268; historisch breiter einordnend: Thomas Tripold, Die Kontinuität romantischer Ideen. Zu den Überzeugungen gegenkultureller Bewegungen. Eine Ideengeschichte, Bielefeld 2012.
    11. Reichardt, Authentizität und Gemeinschaftsbildung, S. 121.
    12. Ebd., S. 125.
    13. Lionel Trilling, Das Ende der Aufrichtigkeit, Frankfurt a.M. 1983, S. 91.
    14. Christopher Lasch, The Culture of Narcissism. American Life in an Age of Diminishing Expectations, New York 1979; Richard Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt a.M. 1986.
    15. Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens, S. 24ff.
    16. Sennett, Verfall und Ende des öffentlichen Lebens, S. 425f. Vgl. hierzu auch Michel Foucaults ambivalente Position bezüglich des Authentischen: Einerseits kann mit Foucault das Authentizitätspostulat als eine Technik des Selbst, als Selbstkontrolle sowie als Machtstrategie beschrieben werden, andererseits beförderte er im Rahmen seiner Studien zur Selbstsorge wohl auch den Authentizitätsdiskurs. Vgl. insb. Michel Foucault, Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I, Frankfurt a.M. 1983; ders., Die Sorge um sich. Sexualität und Wahrheit III, Frankfurt a.M. 1989.
    17. Sturma, Jean-Jacques Rousseau, S. 184.
    18. Taylor, Das Unbehagen an der Moderne, S. 38f. (Hervorhebung im Original). Im Anschluss an Alessandro Ferrara hält Beate Rössler fest, dass Authentizität eine Eigenschaft ist, „die einem Subjekt mehr oder weniger zugesprochen werden kann, je nachdem, ob es ihm gelingt, sein ‚wahres Selbst’, seine tiefsten Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen, sich selbst zu verwirklichen, zu entfalten“, vgl. Rössler, Der Wert des Privaten, S. 111; Alessendro Ferrara, Modernity and Authenticity, Albany 1993; ders., Reflective Authenticity. Rethinking the Project of Modernity, London 1998.
    19. Vgl. Taylor, Das Unbehagen an der Moderne, S. 77-81.
    20. Luc Boltanski/Ève Chiapello, Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz 2006, zur Authentizitätssuche als „Künstlerkritik“ am Kapitalismus siehe hier u.a. S. 80f., 142-144, 506. Dass die Selbstverwirklichungsideale der 1968er vom Kapitalismus erfolgreich integriert wurden, zeigen in diesem Sinn auch Beispiele aus der Management-Literatur: Rainer Niermeyer, Mythos Authentizität. Die Kunst, die richtigen Führungsrollen zu spielen, Frankfurt a.M./New York 2008, S. 9-67.
    21. Richard Sennett, Der flexible Mensch, Frankfurt a.M. 1998.
    22. Pierre Bourdieu, Die biographische Illusion, in: ders., Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt a.M. 1998, S. 75-82.
    23. Jürgen Habermas, Glauben und Wissen. Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001, Frankfurt a.M. 2001, S. 12.
    24. Susanne Knaller/Harro Müller, Einleitung. Authentizität und kein Ende, in: dies. (Hrsg.), Authentizität. Diskussion eines ästhetischen Begriffs, München 2006, S. 7-16, hier S. 10f.
    25. Claude Lévi-Strauss, Strukturale Anthropologie, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1975, hier Bd. 1, S. 391-394. Zum Authentizitätsdiskurs in der Volkskunde vgl. Regina Bendix, In Search of Authenticity: The Formation of Folklore Studies, Madison 1997.
    26. Knaller/Müller, Einleitung. Authentizität und kein Ende, S. 8.
    27. Dean MacCannell, The Tourist. A New Theory of the Leisure Class, London 1976; ders., Staged Authenticity: Arrangements of Social Space in Tourist Settings, in: American Journal of Sociology 79 (1973), S. 589-603.
    28. Malcolm Crick, Representations of International Tourism in the Social Sciences: Sun, Sex, Sights, Savings, and Servility, in: Annual Review of Anthropology 18 (1989), S. 307-344, online unter http://www.osea-cite.org/tourismworkshop/resources/Crick_Sex_Sun_Tourism.pdf.
    29. Maxine Feifer, Going Places. The Ways of the Tourist from Imperial Rome to the Present Day, London 1985, S. 259ff.
    30. Siehe etwa die informativen Überblicke bei Kjell Olsen, Authenticity as a Concept in Tourism Research. The Social Organization of the Experience of Authenticity, in: Tourist Studies 2 (2002), H. 2, S. 159-182; Ning Wang, Rethinking Authenticity in Tourism Experience, in: Annals of Tourism Research 26 (1999), H. 2, S. 349-370: John Urry, The Tourist Gaze 3.0, 3. Aufl., London 2011; neu, aber in den Beispielen und der Rezeption der Debatten recht eingeschränkt: Robert Schäfer, Tourismus und Authentizität. Zur gesellschaftlichen Organisation von Außeralltäglichkeit, Bielefeld 2014.
    31. John E. Tunbridge/Gregory J. Ashworth, Dissonant Heritage. The Management of the Past as a Resource in Conflict, Chichester 1996, S. 10f. Vgl. dazu auch: Sybille Frank, Der Mauer um die Wette gedenken, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (2011), H. 31-34, S. 47-54, online unter http://www.bpb.de/apuz/33196/der-mauer-um-die-wette-gedenken?p=all. Zum Geschichtstourismus u.a.: Valentin Groebner, Touristischer Geschichtsgebrauch. Über einige Merkmale neuer Vergangenheiten im 20. und 21. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 296 (2013), H. 2, S. 408-428; Hanno Hochmuth, HisTourismus. Public History und Berlin-Tourismus, in: Christoph Kühberger/Andreas Pudlat (Hrsg.), Vergangenheitsbewirtschaftung. Public History zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, Innsbruck 2012, S. 173-182; Deepak Chhabra/Robert Healy/Erin Sills, Staged Authenticity and Heritage Tourism, in: Annals of Tourism Research 30 (2003), H. 3, S. 702-719; Sharon Macdonald, A People's Story. Heritage, Identity and Authenticity, in: Chris Rojek/John Urry (Hrsg.), Touring Cultures. Transformations of Travel and Theory, London 1997, S. 155-175.
    32. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1974, S. 471-507, hier S. 481.
    33. Siehe auch unten, sowie Lethen, Versionen des Authentischen, S. 221.
    34. Rössler, Wert des Privaten, S. 320.
    35. Christoph Burmann/Mike Schallehn, Die Bedeutung der Marken-Authentizität für die Marken-Positionierung, Bremen 2008, online unter http://www.brandauthenticity.org/brand-authenticity-authentische-marke.htm (15.6.2015). Vgl. auch Herbert Willems, Glaubwürdigkeit und Überzeugung als dramaturgische Probleme und Aufgaben der Werbung, in: Erika Fischer-Lichte/Isabel Pflug (Hrsg.), Inszenierung von Authentizität, Tübingen 2000, S. 209-232.
    36. Jean-Jacques Rousseau, Du contract social, ou principes du droit politique, Amsterdam 1762, S. 42. Vgl. auch Thomas Noetzel, Authentizität als politisches Problem. Ein Beitrag zur Theoriegeschichte der Legitimation politischer Ordnung, Berlin 1999.
    37. Klaus Schubert/Martina Klein, Das Politiklexikon, 4. Aufl., Bonn 2006, S. 31.
    38. Daniela Wentz, Authentizität als Darstellungsproblem in der Politik. Eine Untersuchung der Legitimation politischer Inszenierung, Stuttgart 2005; Thomas Meyer/Rüdiger Ontrup/Christian Schicha, Die Inszenierung des politischen Welt-Bildes. Politikinszenierungen zwischen medialem und politischem Eigenwert, in: Fischer-Lichte/Pflug (Hrsg.), Inszenierung von Authentizität, S. 183-208; Christine Kugler/Ronald Kurt, Inszenierungsformen und Glaubwürdigkeit im Medium Fernsehen, in: Fischer-Lichte/Pflug (Hrsg.), Inszenierung von Authentizität, S. 149-162.
    39. Vgl. zum Folgenden: Christian Schicha, Zur Authentizität der politischen Kommunikation beim „Duell der Giganten“. Anmerkungen zu den Fernsehdebatten der Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf 2002, in: Zeitschrift für Kommunikationsökologie 2/2002, S. 6-14, online unter http://www.schicha.net/fileadmin/user_upload/Texte/authentizitaet.pdf; siehe auch Erica J. Seifert, The Politics of Authenticity in Presidential Campaigns, 1976-2008, Jefferson, N.C. 2012.
    40. Vgl. etwa das Stichwort „Authenticus“ in: Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Künste und Wissenschaften, Leipzig 1732-1754, hier Bd. 2, S. 1167.
    41. Vgl. Johann Gustav Droysen, Historik. Hist.-krit. Ausg., hrsg. v. Peter Leyh, Stuttgart 1977, S. 113; Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England. Nach eigener Anschauung und authentischen Quellen, Leipzig 1844; zur Problematik von Authentizität und Zeugenschaft in der Geschichtstheorie des Historismus auch: Achim Saupe, Zur Kritik des Zeugen in der Konstitutionsphase der modernen Geschichtswissenschaft, in: Martin Sabrow/Norbert Frei (Hrsg.), Die Geburt des Zeitzeugen nach 1945, Göttingen 2012, S. 71-92.
    42. Wilhelm Wachsmuth, Entwurf einer Theorie der Geschichte, Halle 1820, S. 82.
    43. Vgl. Martin Andree, Archäologie der Medienwirkung. Faszinationstypen von der Antike bis heute (Simulation, Spannung, Fiktionalität, Authentizität, Unmittelbarkeit, Geheimnis, Ursprung), München 2005, S. 422-515.
    44. Sabrow/Frei (Hrsg.), Die Geburt des Zeitzeugen.
    45. Aus der umfangreichen Literatur zum Umgang mit Zeitzeugen und der Frage, inwieweit aus ihren Aussagen historische Tatbestände erschlossen werden können, seien zwei Beiträge genannt, aus denen sich die Kontroverse erschließen lässt: Alexander von Plato, Zeitzeugen und die historische Zunft. Erinnerung, kommunikative Tradierung und kollektives Gedächtnis in der qualitativen Geschichtswissenschaft – ein Problemaufriss, in: BIOS 13 (2000), H. 1, S. 5-29, online unter http://www.gedaechtnis-der-nation.de/bilden/wissenschaft/sidebar/01/downloads/02/link/vonPlato.pdf; Harald Welzer, Das Interview als Artefakt. Zur Kritik der Zeitzeugenforschung, in: BIOS 13 (2000), H. 1, S. 51-63.
    46. Charles Lindholm, Culture and Authenticity, Malden, MA/Oxford 2008; Sharon Macdonald, Memorylands. Heritage and Identity in Europe Today, Abingdon 2013, insb. S. 109-136; Wolfgang Seidenspinner, Kulturelles Erbe und Authentizität, Mainz 2006.
    47. Gottfried Korff/Martin Roth, Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Das historische Museum. Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik, Frankfurt a.M. 1990, S. 9-37, hier S. 15-17.
    48. Gottfried Korff, Zur Eigenart der Museumsdinge (1992), in: ders., Museumsdinge. Deponieren – Exponieren, Köln 2002, S. 140-145, hier S. 141.
    49. Mit dem Schwerpunkt auf Souvenirs siehe: Christiane Holm, Erinnerungsdinge, in: Stefanie Samida/Manfred K. H. Eggert/Hans Peter Hahn (Hrsg.), Handbuch Materielle Kultur: Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen, Stuttgart 2014, S. 197-200.
    50. Martin Sabrow, Der Zeitzeuge als Wanderer zwischen zwei Welten, in: ders./Frei (Hrsg.), Die Geburt des Zeitzeugen, S. 13-32.
    51. Thomas Thiemeyer, Werk, Exemplar, Zeuge. Die multiplen Authentizitäten der Museumsdinge, in: Martin Sabrow/Achim Saupe (Hrsg.), Historische Authentizität, Göttingen 2016 (i. E.).
    52. Alois Riegl, Der moderne Denkmalkultus, sein Wesen und seine Entstehung, in: Georg Dehio/Alois Riegl, Konservieren, nicht restaurieren: Streitschriften zur Denkmalpflege um 1900, hrsg. v. Marion Wohlleben/Georg Mörsch, Braunschweig 1988, S. 43-87.
    53. Spencer R. Crew/James E. Sims, Locating Authenticity: Fragments of a Dialogue, in: Ivan Karp/Steven D. Lavine (Hrsg.), Exhibiting Cultures. The Poetics and Politics of Museum Display, Washington 1991, S. 159-175, hier S. 163.
    54. James Clifford, Sich selbst sammeln, in: Gottfried Korff/Martin Roth (Hrsg.), Das historische Museum. Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik, Frankfurt a.M./New York 1990, S. 87-106, hier S. 95.
    55. Joachim Baur, Die Musealisierung der Migration. Einwanderungsmuseen und die Inszenierung der multikulturellen Nation, Bielefeld 2009, S. 30f., mit Hinweisen auf weitere Literatur. Siehe auch ders., Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, Bielefeld 2010; zur „collaborative hallucination“ siehe Barbara Kirshenblatt-Gimblett, Destination Culture: Tourism, Museums, and Heritage, Berkeley 1998, S. 167.
    56. Wolfgang Seidenspinner, Authentizität. Kulturanthropologisch-erinnerungskundliche Annäherungen an ein zentrales Wissenschaftskonzept im Blick auf das Weltkulturerbe, in: kunsttexte.de, Bd. 4 2007, http://edoc.hu-berlin.de/kunsttexte/2007-4/seidenspinner-wolfgang-1/PDF/seidenspinner.pdf.
    57. Christina Cameron/Mechtild Rössler, Many Voices, one Vision: The Early Years of the World Heritage Convention, Heritage, Culture and Identity, Farnham, Surrey/Burlington, VT 2013.
    58. Sophia Labadi, World Heritage, Authenticity and Post-Authenticity. International and National Perspectives, in: dies./Colin Long (Hrsg.), Heritage and Globalisation, London 2010, S. 66-84, hier S. 66; Michael S. Falser, Von der Venice Charter zum Nara Document on Authenticity. 30 Jahre „Authentizität“ im Namen des kulturellen Erbes der Welt, in: Rössner/Uhl (Hrsg.), Renaissance der Authentizität?, S. 63-87.
    59. Michael S. Falser, Zwischen Identität und Authentizität: Zur politischen Geschichte der Denkmalpflege in Deutschland, Dresden 2008; Adrian von Buttlar/Gabi Dolff-Bonekämper/Michael S. Falser/Achim Hubel/Georg H.G. Mörsch (Hrsg.), Denkmalpflege statt Attrappenkult: Gegen die Rekonstruktion von Baudenkmälern – eine Anthologie, Gütersloh 2011; Winfried Nerdinger (Hrsg.), Geschichte der Rekonstruktion – Konstruktion der Geschichte, München 2010.
    60. Detlef Hoffmann, Authentische Erinnerungsorte. Oder: Von der Sehnsucht nach Echtheit und Erlebnis, in: Hans-Rudolf Meier/Marion Wohlleben (Hrsg.), Bauten und Orte als Träger von Erinnerung: Die Erinnerungsdebatte und die Denkmalpflege, Zürich 2000, S. 31-46.
    61. Heidemarie Uhl, Orte und Lebenszeugnisse. „Authentizität“ als Schlüsselkonzept in der Vermittlung der NS-Verfolgungs- und Vernichtungspolitik, in: dies./Michael Rössner (Hrsg.), Renaissance der Authentizität? Über die neue Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, Bielefeld 2012, S. 257-284, hier S. 263.
    62. Ebd.
    63. Unterrichtung durch die Bundesregierung: Konzeption der künftigen Gedenkstättenförderung des Bundes und Bericht der Bundesregierung über die Beteiligung des Bundes an Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/1569, 14. Wahlperiode, 27.7.1999, online unter http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Archiv16/Artikel/2005/11/_Anlagen/gedenkstaettenkonzeption.pdf?__blob=publicationFile; Unterrichtung durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien: Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes. Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen, Drucksache 16/9875, 16. Wahlperiode, 19.6.2008, online unter http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2008-06-18-fortschreibung-gedenkstaettenkonzepion-barrierefrei.pdf?__blob=publicationFile.
    64. Volkhard Knigge, Vom Zeugniswert der authentischen Substanz für die Gedenkstättenarbeit, in: Axel Klausmeier/Günter Schlusche (Hrsg.), Denkmalpflege für die Berliner Mauer. Die Konservierung eines unbequemen Bauwerks, Berlin 2011, S. 65-71; Volkhard Knigge, Gedenkstätten und Museen, in: ders./Norbert Frei (Hrsg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, München 2002; Hauke Petersen, Gedenkstätten und Authentizität. Über den Umgang mit KZ-Architektur, in: Katja Köhr/Hauke Petersen/Karl Heinrich Pohl (Hrsg.), Gedenkstätten und Erinnerungskulturen in Schleswig-Holstein: Geschichte, Gegenwart und Zukunft, Berlin 2011, S. 115-128.
    65. Christian Strub, Trockene Rede über mögliche Ordnungen der Authentizität, in: Jan Berg/Hans-Otto Hügel/Hajo Kurzenberger (Hrsg.), Authentizität als Darstellung, Hildesheim 1997, S. 7-17, hier S. 9.
    66. Vgl. Matías Martínez, Zur Einführung: Authentizität und Medialität in künstlerischen Darstellungen des Holocaust, in: ders. (Hrsg.), Der Holocaust und die Künste. Medialität und Authentizität von Holocaust-Darstellungen in Literatur, Film, Video, Malerei, Denkmälern und Musik, Bielefeld 2004, S. 12-17.
    67. Hans-Jürgen Pandel, Authentizität, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, 2. Aufl., Schwalbach/Ts. 2009, S. 30-31, hier S. 31.
    68. Im Sinne dieser zweiten und dritten Bedeutung von Authentizität unterscheidet Rainer Wirtz zwischen „innerer“ und „äußerer“ Authentizität. Dabei versteht er die innere Authentizität als die Frage nach der Stimmigkeit eines historischen Films, während die äußere Authentizität alle Anstrengungen unternimmt, dass ein Film faktengerecht produziert wird. Um eine vergangene Realität bzw. eine „Illusion von Authentizität“ zu inszenieren, bedarf es also des authentischen Orts, authentischer Requisiten sowie einer soziokulturellen Authentizität (Sprechweisen, Gesten, Tischsitten, Umgangsstile etc.), und es muss generell die Einbettung in den historischen Kontext stimmig sein. Dabei handelt es sich um Beglaubigungsstrategien, die letztlich noch nichts über den Gehalt solcher historischen Repräsentationen aussagen. Rainer Wirtz, Das Authentische und das Historische, in: Thomas Fischer/ders. (Hrsg.), Alles authentisch? Popularisierung der Geschichte im Fernsehen, Konstanz 2008, S. 187-203, hier S. 190; zur Problematik von Wahrheitsanspruch und dem Rückgriff auf Darstellungskonventionen siehe auch: James E. Young, Beschreiben des Holocaust, Frankfurt a.M. 1997.
    69. Iris Roebling-Grau/Dirk Rupnow (Hrsg.), „Holocaust“-Fiktion. Kunst jenseits der Authentizität, Paderborn 2015.
    70. Saupe, Zur Kritik des Zeugen.
    71. Hanno Loewy/Berhard Moltmann, Vorwort, in: dies. (Hrsg.), Erlebnis – Gedächtnis – Sinn: Authentische und konstruierte Erinnerung, Frankfurt a.M. 1996, S. 7-11, hier S. 7.
    72. Lethen, Versionen des Authentischen, S. 221.
    73. Zu denken ist dabei auch an Roland Barthes’ Lektüre der Fotografie, der festhält, dass es durch die Differenz von punctum und studium, von bestechendem Detail und erweitertem Kontext, zu einem „Reality-Effekt“ kommen kann: Roland Barthes, Die helle Kammer, Frankfurt 1989; Roland Barthes, L’Effet de réel, in: ders., Le Bruissement de la langue. Essais critiques IV, Paris 1968, S. 167-174.
    74. Eva Ulrike Pirker u.a. (Hrsg.), Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld 2010; Manfred Hattendorf, Dokumentarfilm und Authentizität. Ästhetik und Pragmatik einer Gattung, 2. Aufl., Konstanz 1999, S. 66.
    75. Vgl. Michael Wildt, „Der Untergang“: Ein Film inszeniert sich als Quelle, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 2 (2005), H. 2, S. 131-142, online unter http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Wildt-1-2005 (15.6.2015); zur Authentizitätsproblematik im Geschichtsfilm siehe u.a. Achim Saupe, Fake History. Spiele mit dem Authentischen, in: Axel Weipert u.a. (Hrsg.), Historische Interventionen. Festschrift für Wolfgang Wippermann zum 70. Geburtstag, Berlin 2015, S. 233-257; Sara Jones, Memory on Film. Testimony and Constructions of Authenticity in Documentaries about the German Democratic Republic, in: European Journal of Cultural Studies 16 (2013), H. 2, S. 194-210. Ein besonderes Genre innerhalb der Authentizitätsfiktionen ist der historische Kriminalroman, in dem sich auch die Figur des Detektivs mit der Figur des Historikers überschneidet, vgl. u.a. Achim Saupe, Der Historiker als Detektiv – der Detektiv als Historiker. Historik, Kriminalistik und der Nationalsozialismus als Kriminalroman, Bielefeld 2009; ders., Holocaust als Kriminalroman, in: Roebling-Grau/Rupnow (Hrsg.), „Holocaust“-Fiktion, S. 133-147; ders., Effekte des Authentischen im Geschichtskrimi, in: Pirker u.a. (Hrsg.), Echte Geschichte, S. 173-194.
    76. Vgl. Stefanie Samida, Aneignung von Vergangenheit durch körperliches Erleben?, in: Literatur in Wissenschaft und Unterricht 46 (2013) [2015], H. 2/3, S. 105-122 (= Themenheft „Kulturelle Aneignung von Vergangenheit“, hrsg. von Sabine Moller/Matthias Bauer; dies., Inszenierte Authentizität: Zum Umgang mit Vergangenheit im Kontext der Living History, in: Martin Fitzenreiter (Hrsg.), Authentizität. Artefakt und Versprechen in der Archäologie. IBAES – Internetbeiträge zur Ägyptologie und Sudanarchäologie XV (London 2014) 139-150, online unter http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes15/publikation/ibaes15_authentizitaet.pdf; Vanessa Agnew, History’s Affective Turn: Historical Reenactment and its Work in the Present, in: Rethinking History. The Journal of Theory and Practice 11 (2007), H. 3, S. 299-312, online unter https://www.lsa.umich.edu/UMICH/german/Home/People/Agnew%20Historys%20Affective%20Turn2009.pdf; dies., Introduction: What Is Reenactment?, in: Criticism 46 (2004), H. 3, S. 327-339; vgl. auch Judith Schlehe u.a. (Hrsg.), Staging the Past. Themed Environments in Transcultural Perspectives, Bielefeld 2010.
    77. Beispiele u.a. der Film The Act of Killing (Regie Joshua Oppenheimer), Dänemark, Norwegen Großbritannien 2012; oder die Arbeit „The English Civil War Part II: The Battle of Orgreave re-enactment“ des britischen Künstlers Jeremy Deller, in der dieser 2001 die Bergarbeiterstreiks in Großbritannien aus dem Jahr 1984 mit Laiendarstellern und ehemaligen Protagonisten der Proteste nachstellte: Jeremy Deller, The English Civil War Part II. With CD-ROM and Personal Accounts of the 1984-85 Miners’ Strike, London 2009.
    78. Juli Zeh, Zur Hölle mit der Authentizität!, in: Zeit, 21.9.2006, online unter http://www.zeit.de/2006/39/L-Literatur (15.6.2015).
    79. Winfried Speitkamp, „Authentizität“ und Nation: Kollektivsymbolik und Geschichtspolitik in postkolonialen afrikanischen Staaten, in: Klaudia Knabel/Dietmar Rieger/Stephanie Wodianka (Hrsg.), Nationale Mythen – kollektive Symbole. Funktionen, Konstruktionen und Medien der Erinnerung, Göttingen 2005, S. 225-244; Graham Huggan, The Postcolonial Exotic: Marketing the Margins, London 2002, insb. S. 155-176; Martin Japtok/Jerry Rafiki Jenkins (Hrsg.), Authentic Blackness / “Real” Blackness. Essays on the Meaning of Blackness in Literature and Culture, New York 2011; E. Patrick Johnson, Appropriating Blackness. Performance and the Politics of Authenticity, Durham/N.C. 2003; Michelle Harris/Bronwyn Carlson/Evan S. Poata-Smith, Indigenous Identities and the Politics of Authenticity, in: Michelle Harris/Martin N. Nakata/Bronwyn Carlson (Hrsg.), The Politics of Identity. Emerging Indigeneity, Broadway NSW 2013; Andrew Lattas, Essentialism, Memory and Resistance. Aboriginality and the Politics of Authenticity, in: Oceania 63 (1993), H. 3, S. 240-267; Thomas Fillitz/A. Jamie Saris (Hrsg.), Debating Authenticity: Concepts of Modernity in Anthropological Perspective, New York 2013; Peter Geschiere, The Perils of Belonging: Autochthony, Citizenship, and Exclusion in Africa and Europe, Chicago 2009.
    80. Siehe dazu u.a. Constanze Hampp/Stephan Schwan, Perception and Evaluation of Authentic Objects: Findings from a Visitor Study, in: Museum Management and Curatorship 29 (2014), H. 4, S. 349-367; dies., The Role of Authentic Objects in Museums of the History of Science and Technology: Findings from a Visitor Study, in: International Journal of Science Education, Part B: Communication and Public Engagement 2014, S. 1-21.
    81. Die Erforschung dieser Phänomene hat sich der Leibniz-Forschungsverbund „Historische Authentizität“ zum Ziel gesetzt. Siehe zu Forschungsfragen und Themenfeldern www.leibniz-historische-authentizitaet.de sowie Martin Sabrow/Achim Saupe (Hrsg.), Historische Authentizität, Göttingen 2016 (i.E.). Die nunmehr dritte Version des vorliegenden Docupedia-Beitrags entstand in diesem Arbeitszusammenhang.